Witten. Nicht nur Ausländerbehörden in Städten wie München oder Frankfurt scheinen die Arbeit kaum noch zu bewältigen. Auch in Witten ist der Druck groß.
Ausländerbehörden in Frankfurt oder München sollen tausende unbearbeitete Mails vor sich herschieben. So groß sind die Probleme in Witten zwar nicht. Dennoch gibt es auch hier einen Bearbeitungsstau, den die Behördenleitung im Rathaus auf rund 200 elektronische Posteingänge schätzt. „Die Kolleginnen und Kollegen sind arbeitstechnisch am Limit“, sagen Leif Berndt (51) und Matthias Stobbe (59) in einem Gespräch mit der Redaktion.
Steigende Flüchtlingszahlen, der Ukraine-Krieg, die Registrierung von Neuankömmlingen, Visaanträge für Erdbebenopfer, immer mehr Einbürgerungsanträge, dazu Beratungsgespräche und noch rund zehn Abschiebungen in einem Monat – die Aufgabenfülle ist groß. 14 Mitarbeitende kümmern sich ums Thema „Asyl“, drei um Einbürgerung. Zwei Stellen sind vakant und es ist schwer, neue Leute zu finden – für eine Abteilung, die intern ein „schwieriges Image“ hat, wie es die Behördenleitung diplomatisch formuliert.
Der Arbeitsdruck führt dazu, dass Mails seit Anfang Februar erst einmal liegengeblieben sind. „Die Kolleginnen und Kollegen machen teilweise samstags Überstunden“, sagt Ordnungsamtsleiter Matthias Stobbe, zu dessen Amt die Ausländerabteilung unter Leitung von Leif Berndt gehört. Dabei handelt es sich beispielsweise um Anträge auf Aufenthaltsverlängerungen oder eine Verpflichtungserklärung, die Angehörige benötigen, die Familienangehörige aus dem Erdbebengebiet nach Deutschland holen wollen. Über 150 solcher Anfragen hat es bisher gegeben, mehr als 30 wurden inzwischen erteilt. Es dürfen aber nur Eltern, Kinder oder Enkel einreisen. „Viele stellen aber auch Anfragen für Onkel, Tanten oder Geschwister. Die Kollegen müssen sich dann den Unmut der Angehörigen anhören“, sagt Stobbe.
2,1 Millionen Euro vom Land
Es gibt rund 14.200 Ausländer in Witten. Neben 1290 Flüchtlingen aus der Ukraine werden 2000 weitere Schutzsuchende gezählt. Stärkste Gruppe sind hier die Syrer (1360), gefolgt von Irakern (235) und Afghanen (110). 470 Flüchtlinge leben in städtischen Unterkünften, 150 von ihnen kommen aus der Ukraine.
Aus dem zweiten Unterstützungspaket der Landesregierung sollen 7,2 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen in den EN-Kreis fließen. Das teilte jetzt die Wittener Landtagsabgeordnete der Grünen mit, Verena Schäffer. Witten bekommt demnach knapp 2,1 Millionen. Schäffer: „Das Kabinett hat in dieser Woche die Auszahlung beschlossen.“ Gleichzeitig treibe die Regierung den Ausbau der Kapazitäten in den landeseigenen Einrichtungen weiter voran.
Eine Herausforderung waren und sind auch die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine. Zehn bis 20 treffen weiterhin pro Woche ein. Sie bekommen sofort einen Aufenthaltstitel. Zumindest anfangs verlief die Registrierung schleppend. Das Verfahren dauert zwar kaum mehr als eine halbe Stunde, aber der bürokratische Aufwand bleibt hoch. „Wir müssen Fotos und Fingerabdrücke nehmen. Und dann heißt es eben auch öfter: Die drei Finger bitte noch mal“, sagt Stobbe. Fast 1300 Ukrainerinnen und Ukrainer kamen bis heute nach Witten, 200 aus Landesaufnahmeeinrichtungen, knapp 1100 direkt.
Viele Syrer beantragen Einbürgerung
Nur die Syrer stellen mit rund 1370 eine noch größere Gruppe unter den Flüchtlingen. Viele sind nach der großen Welle 2015 längst in Witten angekommen. Sie sprechen deutsch, haben im besten Falle eine Arbeit gefunden. Entsprechend groß ist die Zahl derer, die sich jetzt einbürgern wollen, zumal die Fristen dafür verkürzt wurden. Hier sind alle Termine bis August ausgebucht. Für Stobbe und Berndt ist das ein gutes Zeichen. „Die Menschen, die die Einbürgerung beantragen, haben es geschafft, sich zu integrieren.“
Dazu dürften längst auch viele Geduldete zählen, in Witten rund 380, die seit Jahren hier sind. Das neue Chancenaufenthaltsrecht bietet ihnen nach fünf Jahren neue Möglichkeiten. Stark abgenommen hat die „Zuweisung aus sicheren Herkunftsstaaten“ wie Serbien oder dem Kosovo. „Das Bundesamt für Migration prüft schneller, die Asylverfahren werden kürzer“, sagt Leif Berndt.
Rückstau bei der Bearbeitung auch durch Hackerangriff auf Stadt Witten
Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass nicht nur „die große Weltpolitik“ für Rückstaus bei der Bearbeitung sorgt. „Der Hackerangriff vor anderthalb Jahren auf die Stadtverwaltung hat uns um Monate zurückversetzt“, sagt Matthias Stobbe. Der dennoch froh ist, „dass es in Witten noch so gut läuft“. Die Erfüllungsquote bei der Aufnahme von Flüchtlingen liege derzeit bei knapp über 100 Prozent. „Das kann aber schnell wieder angepasst werden.“ Im vergangenen Jahr habe man dies noch ganz gut auffangen können. „Wir mussten keine Menschen wie 2015 in Turnhallen unterbringen.“