Witten. Martina Gralki-Brosch (59) ist Chefin in Wittens ältester Schildermalerei und engagiert sich auch ehrenamtlich fürs Handwerk. Das ist Gold wert.

Sie habe es inzwischen an der Bandscheibe und an der Hüfte. „Denn unsere Arbeit ist ein Knochenjob“, legt Martina Gralki-Brosch gleich die Karten auf den Tisch. Dennoch würde sie heute nichts anders machen. Würde wieder die Selbstständigkeit wählen als Schilder- und Lichtreklameherstellerin. Würde sich ehrenamtlich für das Handwerk engagieren und eine Lanze dafür brechen, dass mehr junge Frauen die Branche für sich entdecken. Nun hat die 59-jährige Wittenerin das Handwerkszeichen in Gold erhalten.

Frau Gralki-Brosch, zunächst einmal Glückwunsch zur Auszeichnung. Was bedeutet das für Sie?

Martina Gralki-Brosch: Für mich persönlich ist das nicht wichtig, aber für das ehrenamtliche Engagement im Handwerk. Ich hatte und habe zig Ehrenämter, gehöre zum Beispiel zu den 18 Vorständen des Unternehmerverbands Deutsches Handwerk und bin Bundesinnungsmeisterin.

Warum machen Sie das?

Weil ich körperlich tatsächlich nicht mehr so kann, konzentriere ich mich mehr darauf. Aber ich liebe das auch, mich für etwas einzusetzen. Man kann nicht nur rummeckern, sondern muss was machen und Dinge zum Guten hin verändern.

Was muss sich ändern im Handwerk – und auch sonst?

Das Handwerk darf keine Männerdomäne bleiben. Zum Beispiel haben im vergangenen Jahr im Elektro- und Metallgewerbe 50.800 Männer ihre Gesellen- und Abschlussprüfungen gemacht, aber nur 1.539 Frauen. Wir müssen noch mehr weg von der klassischen Rollenverteilung und den typischen Geschlechtermerkmalen. Dafür braucht es keine Quote. Jede und jeder sollte das machen, wozu sie und er befähigt ist und was demjenigen Spaß macht.

Aber ist Handwerk nicht schwere körperliche Arbeit?

Es gibt kräftige Frauen – und Männer mit schwacher Statur. Es gibt auch Männer, die Mathe-Nieten sind. Seit die Digitalisierung immer weiter voranschreitet, ist das Handwerk außerdem kein schmutziger Beruf mehr. Aber es dauert viele Generationen, bis das ankommt. Für meine Tochter ist es selbstverständlich, dass ihr Freund kocht. Bei mir ist es auch schon eher nichts Besonderes, wenn mein Mann mal kocht. Für meine Mutter war das undenkbar. Gleiches gilt für die Wahl, wer zu Hause bleibt, wenn Kinder da sind. Auch heute steht vielen Männern noch ihr Ego im Weg.

Lesen Sie auch:

Wie sind Sie zum Handwerk gekommen?

Ich bin ein Kind der 80er, hätte gerne rumgegammmelt. Aber meine Eltern haben mich zum Arbeitsamt geschickt. Die hatten zwei Angebote für mich. Der Apotheker hat mich nicht genommen wegen meiner schlechten Latein-Noten. Also habe ich bei einer Herbeder Firma eine Ausbildung zur Schilder- und Lichtreklameherstellerin gemacht. Ich war 18, das einzige Mädel und bin durch eine harte Schule gegangen. Aber immer dann, wenn mir jemand fette Steine in den Weg legt, meldet sich mein Trotz. So bin ich in meinem Traumberuf gelandet. Ich bin Handwerkerin durch und durch.

1991 haben Sie sich selbstständig gemacht. Warum?

Es hat mich gestört, dass meine männlichen Kollegen besser bezahlt wurden und ich wollte nicht um mehr Gehalt betteln. Ich fühlte mich nicht wertgeschätzt. 1991 habe ich also meine Firma Gralki-Werbung im Salinger Feld gegründet und einfach losgelegt. 1992 bin ich der Innung beigetreten, 1997 habe ich meinen Meister gemacht. Als unsere zweite Tochter geboren wurde, ist mein Mann in den Betrieb eingestiegen. Wir sind aktuell drei Männer und vier Frauen und bilden auch aus. Ab August kommt ein neues Lehrmädchen.

Martina Gralki-Brosch mit ihrer Tochter Caroline Brosch, die ebenfalls im Betrieb arbeitet.
Martina Gralki-Brosch mit ihrer Tochter Caroline Brosch, die ebenfalls im Betrieb arbeitet. © FUNKE Foto Services | Marie-Christin Jacobs

Ihre 28-jährige Tochter arbeitet ebenfalls in der Firma?

Caroline war schon immer gerne in den Ferien hier, hat mit Folie gespielt und gebastelt. Jetzt ist sie Meisterin und übernimmt viel, damit ich mich mehr dem Ehrenamt widmen kann. Die jüngere studiert Jura. Das kann der Firma auch nicht schaden.

Was genau macht Ihre Firma?

Keine Webseiten, keine Rundfunk- und Fernsehwerbung, sondern alles, was man anfassen kann. Vom kleinen Typenetikett im Tankdeckel bis zu Kassenschildern oder Wegeleitsystemen auf Parkplätzen und in Tiefgaragen. Wir machen Werbung für Ostermann und die Stadtwerke, sind inzwischen Wittens älteste Schildermalerei. Wir arbeiten sehr individuell. Man braucht Nischen. Einen Quadratmeter Digitaldruck kann ich auch in Polen bestellen, aber wir wissen, wie man Lichtwerbung an wärmegedämmten oder denkmalgeschützten Fassaden installiert.

Bei so viel beruflichem und ehrenamtlichem Einsatz – wie entspannen Sie?

Meine Familie und mein Garten sind mein Ruhepol. Und ich lese gerne Krimis. Da kann ich komplett abschalten.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...

Das ist nicht ganz ernst gemeint, aber vielleicht erleben wir noch, dass ein Klempner mal mehr verdient als ein Herzchirurg.

+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++