Witten. Ärger in einer Wittener LEG-Siedlung: Mieter dürfen ihre Gärten nicht mehr nutzen. Und es gibt Krach nach einem Legionellenbefund.

Unter den Mietern der Knappensiedlung in Herbede macht sich großer Unmut breit. Der Ärger hat gleich mehrere Ursachen. Die einen Anlieger dürfen ihre Gärten nicht mehr nutzen, andere beklagen sich über den Umgang mit Legionellen. Und dann gibt es auch noch Stress, weil die LEG als Vermieter einen Treffpunkt im Quartier abgebaut habe, sagen die Nachbarn. Aber der Reihe nach.

Mieter in Witten sollen ihr grünes Paradies räumen

Wie froh und stolz ist doch Muhsin Tetik auf das grüne Paradies gleich vor dem Haus. Seit Jahrzehnten hegt und pflegt er seine Feigen-, Quitten- und Kiwibäume, baut mit großer Leidenschaft Tomaten und Paprika an. Doch nun soll es mit der schmucken Oase ein Ende haben. Die LEG habe dem 62-Jährigen den Garten gekündigt, sagt Knut Unger, Vorsitzender des Wittener Mietervereins. Und nicht nur ihm. „Insgesamt sollen rund zehn Mieter ihre Parzellen räumen, weil der gesamte Hang angeblich nicht mehr sicher sei.“

Der Frust sitzt auch bei Nahide (69) und Mehmet (68) Bayrakli tief. Das Fleckchen Erde von rund 100 Quadratmeter „ist für meine Eltern das Ein und Alles“, sagt Tochter Nesrin (45). „Die Laube, das Gewächshaus, die Beete, das ist ihre Welt, die ihnen nun genommen werden soll.“ Die Wohnung sei gerade halb so groß wie der Garten, „ohne den können die gar nicht sein“.

LEG argumentiert: „Hang droht abzurutschen“

Nach Aussage von LEG-Sprecher Mischa Lenz bleibt dem Unternehmen aber keine andere Wahl, als die Nutzung der Gärten zu untersagen. „Es besteht die Gefahr, dass Hang und Unterbau abrutschen.“ Die Wohnungsgesellschaft habe „in dieser Form tätig werden müssen, um unsere Mieter zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten“. Darüber habe man auch die Betroffenen umfassend informiert.

Das wiederum ziehen die Mieter in Zweifel. „Sie haben zunächst nur ein Schreiben erhalten, in dem der Sachverhalt geschildert wurde“, sagt Unger. Auf die Bitte, doch mehr über die Hintergründe zu erfahren, sei auch kein Gespräch erfolgt, sondern ein knapper, zweiter Brief. „Die Menschen hier fühlen sich von der LEG im Stich gelassen, zumal sie jetzt auch alles entfernen sollen, von den Hütten über das Mobiliar bis hin zu den Gartengeräten“, betont der Vorsitzende.

Verträge haben die Mieter erst seit gut einem Jahr

Argwöhnisch hätten die Mieter schon im vergangenen Jahr werden können, sagt er, als das Unternehmen ihnen gesonderte Verträge für die Gartennutzung zuschickte. Über Jahrzehnte habe der jeweilige Eigentümer die Parzellen geduldet. Mit dem Vorgänger der LEG, dem Unternehmen Ruhr-Lippe, habe es nie Probleme gegeben. „Wir haben auch nichts Schlimmes befürchtet, als die Verträge kamen“, sagt Nesrin Bayrakli. „Das erscheint natürlich heute in einem ganz anderen Licht.“ Die Mieter haben den Eindruck, die Kündigungen seien von langer Hand geplant gewesen.

Mischa Lenz von der LEG widerspricht: „Diese Verträge haben wir vor Bekanntwerden der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen geschlossen, um die Nutzungssituation der Freiflächen transparent zu ordnen. Damit wollten wir klare Verhältnisse schaffen und vermeintlich in der Vergangenheit getätigte, uns unbekannte mündliche Vereinbarungen in einen rechtssicheren, belastbaren Zustand überführen.“

Nach Legionellenbefund die Mietzahlung gekürzt

Während eines Rundgangs, an dem auch mehrere Ortspolitiker teilnahmen, beschwerten sich Mieter über die Zustände in der Siedlung.
Während eines Rundgangs, an dem auch mehrere Ortspolitiker teilnahmen, beschwerten sich Mieter über die Zustände in der Siedlung. © FUNKE Foto Services | Joel Klaas

Von den Gärten ein paar Häuser entfernt lebt Daniela Becker mit ihrem siebenjährigen Sohn. Im Februar 2021 habe sie, wie die 38-Jährige erzählt, von der LEG die schockierende Nachricht erhalten, dass die Wasserleitungen von Legionellen befallen seien. Nach ihrer Aussage habe das Wohnungsunternehmen dann Verhaltensregeln genannt. Dazu habe auch gehört, auf Duschen zu verzichten. Ihr Sohn sei Allergiker, leide an Bronchitis, sie selbst bekomme aufgrund einer Erkrankung Chemotherapien. „Da habe ich mich natürlich erst recht an die Vorgabe gehalten.“ Im Juni habe die LEG aber behauptet, es habe nie einen Legionellenbefall gegeben, sagt Knut Unger.

Doch die Wittenerin und ihr Sohn hätten Einschränkungen in Kauf nehmen müssen, betont der Vorsitzende. Daniela Becker habe deshalb die Miete für fünf Monate um ein Viertel gekürzt. Dagegen soll die LEG laut Mieterverein jetzt geklagt haben.

Sprecher Mischa Lenz bestätigt jetzt, dass Legionellen vorhanden waren. Das Unternehmen habe auch sofort gehandelt und die Bewohner informiert. Aber: „Es trifft nicht zu, dass wir das Duschen untersagt haben. Das war zu keinem Zeitpunkt der Fall. Zudem gab es keinerlei Einschränkungen für unsere Mieter und in den betroffenen Wohnungen auch keine Beprobungen durch uns, da diese nicht notwendig gewesen sind“, so der Sprecher. Er ergänzt: „Unseren Mietern haben wir detailliert zu ihren Anliegen geantwortet und unter anderem einer Mietminderung widersprochen.“

Eines Tages die gemeinsam genutzte Terrasse entfernt

Als nun Bewohner der Herbeder Siedlung bei einem Rundgang durch ihr Quartier über ihren Unmut sprachen, kam auch sehr schnell ein weiterer Kritikpunkt zur Sprache: Über lange Jahre trafen sich die Mieter zum gemütlichen Feierabend auf einer Terrasse. Sie lag zwischen den Häusern, die Nachbarn brachten Stühle und Tische, ließen sie auch häufiger dort stehen. Die einen kochten Kaffee, die anderen brachten Kuchen mit. Doch eines Tages war es mit der Idylle vorbei. „Ohne Vorankündigung stand ein Radlader hier“, so ein Anwohner. Der Fahrer habe ihnen zwar noch Zeit gelassen, das Mobiliar zu beseitigen, aber die Terrasse habe er abreißen müssen. Eine offizielle Begründung habe die LEG nicht geliefert, sagt Unger. Angeblich habe das Unternehmen eine versiegelte Fläche beseitigen wollen.

LEG-Sprecher Mischa Lenz betont allerdings, dass „sich viele Mieter einfach – ohne Genehmigung durch uns als Vermieter – Grundstücksflächen zu eigen gemacht und dort Gegenstände aller Art abgestellt haben“. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht müssten dann diese Flächen und Gegenstände „von uns entfernt werden“. Vorab schreibe aber die LEG die Mieter an und fordere sie auf, selbst die Gegenstände zu beseitigen.