Witten. Witten hat die Aufnahmequote bei Flüchtlingen zu 100 % erfüllt. Doch darauf will sich die Stadt nicht ausruhen. Der Winter könne „böse“ werden.

Die Stadt rechnet im Herbst und Winter mit weiteren Flüchtlingen, nicht nur aus der Ukraine. Das könnte die öffentlichen Unterkünfte, allen voran die Brauckstraße, an ihre Belastungsgrenze bringen. „Der Winter kann böse werden“, warnte Andrea Bräuer vom Sozialamt jetzt in einer Sondersitzung des Sozialausschusses. Um auf alles vorbereitet zu sein, will man der Politik in einigen Wochen Handlungsszenarien vorstellen. Das könnte zum Beispiel die Aufstellung von Containern sein.

Derzeit steht Witten im Vergleich zu manchen Nachbarstädten noch relativ gut da. Mit 100 Prozent ist die Aufnahmequote aktuell voll erfüllt. Bochum sei mit 400 Leuten, Hattingen mit 200 im Minus, sagt Sozialdezernent Frank Schweppe. Er warnt aber davor, sich auf dieser Quote auszuruhen. „Das ist nur eine Momentaufnahme.“

Bezirksregierung weist Witten plötzlich 156 neue Flüchtlinge zu

Wie schnell sich das Blatt wandeln kann, hat sich in der ersten September-Hälfte gezeigt. Nach einer Zuweisung von 156 Menschen durch die Bezirksregierung Arnsberg schnellte die Quote plötzlich von 87 Prozent am 5. September auf über 100 Prozent am 9. September hoch. Anders als zuvor werden jetzt auch die Ukrainer mitgezählt, wenn es um die Zuweisung an die einzelnen Städte geht.

Mit 540 Bewohnerinnen und Bewohnern sind derzeit alle städtischen Unterkünfte außer der an der Brauckstraße so gut wie voll. In den Hallen an der Brauckstraße gibt es aktuell 66 freie Betten. Dort leben 324 Menschen, unter ihnen 193 aus der Ukraine. Mit Blick auf Herbst und Winter lässt die Stadt die Bauordnung prüfen, wie viele „mobile Wohneinheiten“ neben den Hallen errichtet werden könnten, sprich Container. Denn im Herbst und Winter wird mit noch mehr Menschen gerechnet, nicht nur aus der Ukraine.

Stadt Witten appelliert an private Vermieter

Anfang März begrüßte Bürgermeister Lars König die ersten Flüchtlingsfamilien mit ihren Kindern in der Sammelunterkunft an der Brauckstraße in Witten.
Anfang März begrüßte Bürgermeister Lars König die ersten Flüchtlingsfamilien mit ihren Kindern in der Sammelunterkunft an der Brauckstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Gleichzeitig appelliert die Stadt an Privatvermieter, freie Plätze zu melden. „Wir sind dankbar für jede Vermittlung. Für jeden neuen Platz wird ein offizieller in den städtischen Unterkünften frei“, sagt Frank Schweppe, der Erste Beigeordnete. Inzwischen hat sich das Bild auf dem privaten Wohnungsmarkt etwas verändert.

Ukrainerinnen und Ukrainer, die dank der großen Hilfsbereitschaft zu Beginn des Krieges privat untergekommen waren, melden sich nun wieder verstärkt bei der Stadt, weil sie eine neue Bleibe suchen. Gleichzeitig stellt Andrea Bräuer vom Sozialamt fest, „dass die Auszüge aus der Brauckstraße geringer werden“. Deshalb blickt die Behörde mit Sorge auf Herbst und Winter. Kommen dann noch mehr Menschen, droht auch die größte städtische Sammelunterkunft vollzulaufen. Schon jetzt ist ein verstärkter Zuzug zu bemerken.

Flüchtlingswelle schien schon abzuebben

„Eine politische Frage“: Sozialdezernent Frank Schweppe will in einigen Wochen konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, wie sich die Stadt auf weitere Flüchtlinge im Herbst und Winter vorbereiten sollte.
„Eine politische Frage“: Sozialdezernent Frank Schweppe will in einigen Wochen konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, wie sich die Stadt auf weitere Flüchtlinge im Herbst und Winter vorbereiten sollte. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Dabei schien die Flüchtlingswelle vor sechs bis acht Wochen noch abzuebben. An der Brauckstraße konnte man schon wieder Räume einer Halle anders nutzen, etwas für Schulungen, Besprechungen, Hausaufgabenhilfe oder Gesundheitsuntersuchungen. Nun wurden wieder neue Betten aufgestellt. Gerade durch die Zuteilung der 156 Flüchtlinge geriet die Stadt wieder unter Druck.

Doch noch ist Luft nach oben. Bis zu 100 Menschen ließen sich wohl noch relativ problemlos aufnehmen. Wobei der private Wohnungsmarkt nicht mehr viel hergibt, wie der Leiter des Sozial- und Wohnungsamtes, Michael Gonas, feststellt. In jedem Falle wolle man aber vermeiden, „dass wir nicht mehr handeln können“. Die Nutzung von Zelten oder Turnhallen wäre für die Stadt die schlechteste Option.

Stadt: Möglichst keine Zelte oder Turnhallen

Die Verantwortlichen können sich noch gut an 2015 erinnern, den Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als mit der Jahnhalle plötzlich eine große Sammelunterkunft aus dem Boden gestampft werden musste. Auch Hotels wären für Dezernent Schweppe in der heutigen Situation keine Lösung. „Das wird richtig teuer.“ Er spricht nun von einer „politischen Frage“. Im nächsten Sozialausschuss sollen konkrete Vorschläge der Verwaltung auf den Tisch kommen.