Witten. Die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine hat das Arbeitsaufkommen für die Ausländerbehörde in Witten drastisch erhöht. Die Probleme wachsen.

Die lange Schlange vor dem runden „Help-Kiosk“ neben dem Rathaus in Witten spricht Bände. Dort beraten die Ehrenamtlichen Geflüchtete in verschiedenen Lebenslagen. Immer öfter geht es dabei um Amtsangelegenheiten. Denn das Arbeitsaufkommen in der Wittener Ausländerbehörde ist so hoch, dass es die Mitarbeitenden auch mit Überstunden kaum bewältigt bekommen.

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759 Menschen aus der Ukraine haben sich seit Ausbruch des Krieges bei der städtischen Ausländerbehörde angemeldet. Insgesamt bilden sie aber nur einen Teil der Geflüchteten. Von den 243 Menschen, die in jüngster Zeit in der Erstaufnahme-Einrichtung an der Brauckstraße ankamen, stammt nur die Hälfte aus der Ukraine. Die anderen kommen etwa aus Syrien, Afghanistan, Nigeria oder Albanien – um nur einen Bruchteil zu nennen.

Mehr Zuweisungen über die Bezirksregierung

Lilo Dannert, rechts, berät mithilfe von Dolmetschern Geflüchtete im „Help Kiosk“ an der Hauptstraße in Witten.
Lilo Dannert, rechts, berät mithilfe von Dolmetschern Geflüchtete im „Help Kiosk“ an der Hauptstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Noch nie war die Brauckstraße in dieser Größenordnung belegt“, weiß Andrea Pfeiffer von der Stabsstelle für Integration. Sie sieht auch, dass sich die Situation um die Ukraine-Flüchtlinge ändert. „Am Anfang lief die Zuwanderung auf der privaten Ebene“. Oft kamen sie bei russisch oder ukrainisch stämmigen Menschen unter, die schon lange in Witten lebten. „Mittlerweile bekommen wir Zuweisungen über die Bezirksregierung. Die Menschen kommen aus Landesaufnahmeeinrichtungen nach Witten“, so Pfeiffer.

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Die Registrierung der Kriegsflüchtlinge lähmt zurzeit bundesweit die Arbeit in den Ausländerbehörden. Das habe auch mit einer Entscheidung des Bundes zu tun. Ukraine-Flüchtlinge erhalten seit Juni die finanzielle Hilfe nicht mehr über das Asylbewerberleistungsgesetz, sondern über das Sozialgesetzbuch. Bevor es Geld gibt, muss die Ausländerbehörde aber eine sogenannte „Fiktionsbescheinigung“ ausstellen. Damit wird das vorläufige Aufenthaltsrecht nachgewiesen. Diese Genehmigung ist auch für einen elektronischen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis nötig. „Dafür müssen die Ausländerbehörden alle bereits registrierten Geflüchteten noch einmal einladen und überprüfen“, sagt Pfeiffer.

Unbesetzte Stellen in der Behörde

Neben dem hohen Arbeitsaufkommen mangelt es an Personal. Nicht alle Stellen der Wittener Behörde sind besetzt. „Die Kollegen und Kolleginnen fangen das, so gut es eben geht, mit Überstunden auf“, sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer. Damit läuft es in Witten nicht anders als in vielen anderen Kommunen in NRW. Die Ausländerbehörden und Ämter für Einbürgerung seien dramatisch unterbesetzt, so der Flüchtlingsrat und der Landesintegrationsrat NRW. „Zehntausende Anträge, zum Beispiel auf Einbürgerung und Aufenthaltsgenehmigung, liegen monate- und zum Teil sogar jahrelang unbearbeitet in den Büros“, heißt es.

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Die Ausländerbehörde ist nicht nur für die zuständig, die gerade in Witten ankommen. In der Ruhrstadt leben auch 1198 bereits anerkannte Flüchtlinge. „Subsidiär schutzberechtigt“ sind 630 von ihnen, Abschiebungshindernisse wurden bei 122 zuerkannt. Die meisten dieser Menschen kommen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. „Sie fragen derzeit vermehrt nach unbefristeten Aufenthaltstiteln und Einbürgerungen. Dafür gibt es Fristen, die bei vielen Menschen zurzeit ablaufen“, so Schäfer.

Erkennungsdienstliche Erfassung braucht Zeit

Besonders zeitaufwendig ist die Registrierung ausländischer Menschen, die nach Witten kommen. Für diese erkennungsdienstliche Erfassung braucht es eine so genannte „PIK Station“. Dabei werden Fotos von den Antragstellern gemacht und Fingerabdrücke genommen. Außerdem werden die aufgenommenen Daten im Ausländerzentralregister gespeichert und mit diesem abgeglichen.

Besonders geholfen hat aber eine Aktion der Wittener Ausländerbehörde, bei der die Geflüchteten mit Bussen zur Landeserstaufnahmeeinrichtung nach Bochum gefahren wurden, die über zahlreiche PIK-Stationen verfügt.

Die EN-Kreis-Behörde besitzt beispielsweise nur ein solches Gerät, so Sprecherin Franziska Horsch. „Obwohl die Kolleginnen und Kollegen seit einiger Zeit auch freitagnachmittags und samstags gearbeitet haben, ging es nur langsam voran. Um eine Person zu registrieren, sind durchschnittlich 30 Minuten einzuplanen, pro Tag waren für uns nicht mehr als 20 Vorgänge zu schaffen.“

Und schließlich leben in Witten über 13.300 Ausländer. Sie alle möchten ihren Aufenthaltstitel oder ihren Zugang zum Arbeitsmarkt geregelt bekommen. Aufenthaltstitel werden aber zunächst immer befristet ausgestellt, müssen also regelmäßig verlängert werden. Für Anfragen zu Umzügen, Sprach- und Integrationskursen oder zur Arbeitsaufnahme bleibt dann wenig Zeit.

„Wir müssen unheimlich viel auffangen“, sagt Lilo Dannert an ihrem Schreibtisch im „Help Kiosk“ an der Hauptstraße. Vor ihr stehen mindestens zehn Menschen Schlange. Auch das Lager der Flüchtlingshilfe mit gespendeten Haushaltsgegenständen wie Töpfen, Handtücher oder Bettwäsche in der Brauckstraße ist zurzeit leergeräumt: Es gibt zu wenig Hilfe für zu viele Menschen.