Witten. Nach sieben langen Jahren im Tierheim Witten findet Hund Balu endlich ein Zuhause. Wer sich für den verhaltensauffälligen Rüden entschieden hat.

Mit anderthalb Jahren kam Herdenschutzhund „Balu“ ins Tierheim Witten. Viele seiner Mitbewohner kamen und gingen seitdem – nur Balu blieb, ganze sieben Jahre lang. „Er mag keine fremden Menschen, deshalb interessierte sich niemand für ihn“, sagt Leiterin Kirsten Simon. Im vergangenen Jahr postete sie ihn in den Sozialen Medien, darauf hoffend, dass jemand den Hund abholt und dieser noch ein paar schöne Jahre hat. „Denn ich habe gemerkt: Balu gibt sich langsam auf.“ Ihr Wunsch ging in Erfüllung.

Ein Herz und eine Seele: Balu, der Dauergast im Tierheim Witten, versteht sich mit seinem neuen Herrchen Peter Schumacher bestens.
Ein Herz und eine Seele: Balu, der Dauergast im Tierheim Witten, versteht sich mit seinem neuen Herrchen Peter Schumacher bestens. © Peter Schumacher

Denn das Posting sah unter anderem Peter Schumacher, der in Stuttgart geboren ist und mittlerweile in Oberösterreich lebt. 800 Kilometer liegen zwischen ihm und dem Rüden, Schumacher ist trotzdem verzückt. „Ich habe sofort an seinen Augen gesehen: Dieser Hund gehört zu mir.“ Schon am nächsten Tag kontaktierte der 56-Jährige das Tierheim im fernen Ruhrgebiet.

Statt auf Betriebsausflug in Österreich zum Tierheim ins 800 Kilometer entfernte Witten

„Am Wochenende hatte ich eigentlich einen Betriebsausflug, habe aber zu meinem Abteilungsleiter gesagt: Es ist mein Herzenswunsch, ich muss nach Deutschland und einen Hund aus dem Tierheim holen.“ Er sei sich da bereits sicher gewesen, dass er Balu mit nach Hause nimmt. Um Mitternacht, an einem Donnerstag im Oktober 2021, packte er seine Hündin Cora ins Auto und machte sich auf den Weg nach Witten.

„Bei der ersten Begegnung wollte Balu ihn am liebsten fressen“: Kirsten Simon, die Leiterin des Tierheims in Witten, erinnert sich, wie der schwer vermittelbare Hund auf sein neues Herrchen reagierte.
„Bei der ersten Begegnung wollte Balu ihn am liebsten fressen“: Kirsten Simon, die Leiterin des Tierheims in Witten, erinnert sich, wie der schwer vermittelbare Hund auf sein neues Herrchen reagierte. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Tierheim-Leiterin Kirsten Simon ist ein wenig amüsiert, wenn sie sich erinnert. „Bei der ersten Begegnung wollte Balu ihn am liebsten fressen.“ Peter Schumacher sieht die Angelegenheit entspannter. „Er wollte mich ins Knie zwicken, hatte aber einen Maulkorb auf und bei dem einen Versuch ist es zum Glück auch geblieben.“ Hilfreich war dabei sicherlich seine selbstbewusste, ruhige Art, wie Schumacher mit Hunden umgeht. Er hat viel Erfahrung, Balu ist sein inzwischen siebter Hund. „Außerdem mag er Leckerlies!“

Neues Herrchen hätte Balu am liebsten noch am selben Tag mitgenommen

Der allererste Spaziergang lief so gut, dass der gebürtige Schwabe den Rüden am liebsten sofort zur Heimfahrt eingepackt hätte. Er sei aber gebeten worden, noch einen Tag in Witten zu bleiben. Mit Cora, die natürlich auch neugierig auf das neue Familienmitglied war, suchte sich Peter Schumacher erst gar kein Hotel, sondern übernachtete im Auto.

In seinem neuen Zuhause in Österreich machte Balu schnell Fortschritte, erzählt sein Herrchen jetzt am Telefon. „Er hat mich voll akzeptiert und stellt nichts an. Er ist ein super Hund.“ Draußen bei Nacht dürfe ihm zwar keiner zu nahe kommen, aber das sei in Ordnung so.

Ansonsten sei der Herdenschutzhund „verschmust ohne Ende, morgens und abends gibt es ein Küsschen auf die Nase – er ist mein Traumhund!“ Letztens habe er ein Video gedreht, da renne Balu mit zwölf anderen Hunden herum. Er trage zwar noch immer Maulkorb – „sicher ist sicher“, aber Balu verstehe sich mit vielen Hunden.

Der Hund hat sich toll entwickelt

Auch mit Cora (rechts),einem Schäferhund-Labrador-Mix, kommt Balu inzwischen klar. Balu, der Tierheimhund aus Witten, hat nach sieben Jahren in Oberösterreich ein neues Zuhause gefunden.
Auch mit Cora (rechts),einem Schäferhund-Labrador-Mix, kommt Balu inzwischen klar. Balu, der Tierheimhund aus Witten, hat nach sieben Jahren in Oberösterreich ein neues Zuhause gefunden. © Peter Schumacher

„Das war für mich das Zeichen, dass ich alles richtig gemacht habe. Ich bin so happy, wie er sich entwickelt hat“, sagt Peter Schumacher. An fremden Hunden kämen sie zwar noch immer nicht ganz ohne Probleme vorbei. Aber es sei wesentlich einfacher als am Anfang. Wenn Balu einen Hund fixiere, sage er „hey“’ und lenke ihn damit ab. „Ich habe meine Hunde schon immer mit Liebe und Geduld erzogen.

Wenn Menschen ihn fragen, warum er die Strapazen von 1600 Kilometer Fahrt für einen Hund auf sich genommen hat, antwortet der Wahl-Österreicher: „Balu hat die Strapazen von sieben Jahren Tierheim hinter sich, was sind da die paar hundert Kilometer Fahrt?“

Besitzer: „Ich hatte noch nie Angst vor Hunden

Sorgen, dass etwas passieren könne, wegen Balus vermeintlicher Aggressivität, die Schumacher als Unsicherheit einordnet, habe er sich nie gemacht. „Ich hatte noch nie Angst vor Hunden. Meine Verlobte kann auch super mit Tieren umgehen und wir haben keine kleinen Kinder.“ Ein verhaltensauffälliger Hund sei aber nur etwas für Menschen mit viel Hundeerfahrung und -Verständnis, betont er.

Kirsten Simon, die Leiterin des Tierheims Witten, erinnert sich noch genau an Balus Geschichte. Balu kam als Welpe vom Tierschutz in Italien nach Witten. Er schien klein und süß zu sein. Dass er ein Herdenschutzhund ist, hatte der Halterin niemand gesagt. Gegenüber fremden Menschen verhielt er sich aggressiv. Auch ein Hundetrainer konnte daran nichts ändern. Als Balu sogar die Halterin angriff, sah diese keinen Ausweg, als den Hund ins Tierheim zu bringen. Dort wartete er dann ganze sieben Jahre auf den hundeerfahrenen Peter Schumacher.

Zur Zeit suchen er und seine Partnerin nach einem Haus. „Und wenn es einen großen Garten gibt, holen wir vielleicht noch einen dritten Hund zu uns – gerne wieder einen Langzeitbewohner aus dem Tierheim Witten!“