Witten. Die Freude ist riesig bei Jasmin Vogel. Denn der Titel „Kulturmanagerin 2021“ zeige, dass Witten jetzt neu wahrgenommen wird. Ein Interview.
Eigentlich wollte Jasmin Vogel schon die Nominierung zur „Europäischen Kulturmanagerin 2021“ nicht an die große Glocke hängen. Spätestens mit der Verleihung des Awards dürfte ihr das überhaupt nicht mehr gelingen. Witten wird von der Jury zusammen mit großen Kulturmetropolen in einem Atemzug genannt. Was das für die Chefin des Kulturforums bedeutet und was in der Stadt noch im Argen liegt, das erzählt sie im Interview.
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben sich gegen Ihre beiden Mitnominierten Igor Levit vom Festival des Heidelberger Frühlings und Gitte Zschoch vom Netzwerk der europäischen Kulturinstitute in Belgien durchgesetzt. Hand aufs Herz: Hätten Sie damit gerechnet?
Jasmin Vogel: Nein, überhaupt nicht. Ich bin überwältigt und kann das eigentlich auch noch gar nicht glauben. Wahnsinn, ich bin doch grad erst 40! Ich freu mich total!
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Haben Sie sich eigentlich selbst für den Preis beworben?
Nein, dafür wird man vorgeschlagen. Und mein Name wurde wohl von mehreren Personen aus der Jury ins Rennen geschickt. Das ist klasse, denn es ist ein Zeichen, wie sichtbar das ist, was wir hier in Witten machen. Wir wollen eine gemeinsame Vision entwickeln und umsetzen: Und das wird anderswo wahrgenommen – ist das nicht toll?!
In der Begründung der Jury werden Sie „Shootingstar“ genannt…
Das bringt wohl diese krisengeplagte Zeit mit sich. Die Jury hat wohl gesehen, was wir im letzten Jahr in der Corona-Zeit alles geschafft haben. Wir hatten trotz der Pandemie immer im Fokus, für die Wittenerinnen und Wittener Programm zu machen – alles, was möglich war –, während woanders manchmal nicht viel gelaufen ist. Das wurde jetzt wohl honoriert. Aber Shootingstar meint nicht nur mich, sondern auch Witten. Die Stadt hatte ja, anders als die Metropolen im Umfeld, bislang kaum einer auf dem Schirm. Aber jetzt werden wir wahrgenommen, als die kleine, feine, tolle Stadt an der Ruhr.
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Der Preis ist leider nicht dotiert, Geld gibt’s also nicht. Welchen Wert hat er dennoch für Sie?
Es ist eine der wenigen Auszeichnungen, die sich explizit an Kulturmanager richtet, also an die Leute, die den Betrieb am Laufen halten. Für mich persönlich bedeutet er viel. Denn ich bin angetreten, um zu zeigen, dass man einen Kultur-Betrieb auch anders denken kann. Nicht nur strukturkonservativ und hierarchisch, so wie meist üblich. Sondern als menschenfreundliche Organisation, in der die Mitarbeiter ihr Potenzial entwickeln können – damit wir so gemeinsam zu besseren Inhalten kommen. Und der Preis hat allen gezeigt: Ja, es geht! Ja, es geht auch anders!
Sie sehen sich also auf dem richtigen Weg?
Ja, unser Ansatz ist richtig. Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, bei uns ist das Wir wichtig. Das ist ganz entscheidend. Denn wenn deine Organisation nicht mitgeht, nicht den Mut zur Erneuerung aufbringt, dann machst du gar nichts. Aber unser Team in Witten hat eine gute Haltung, einen guten Spirit. Hier kann man Dinge neu denken – das geht nicht überall.
Worauf sind Sie besonders stolz bei dem, was Sie schon erreicht haben?
Auf das Programm 2021 mit dem Kultursommer. Und auf unseren Teamgeist, denn auch den muss man ja erst entwickeln.
Und was liegt noch im Argen, wo müssen Sie ran?
Ach ganz viel, wir sind doch erst ganz am Anfang. Und der Hackerangriff wird uns sicher noch einmal zurückwerfen. Aber generell müssen wir als nächstes versuchen, Normalität herzustellen, raus aus dem Ausnahmezustand zu kommen. Unsere neuen Routinen, die wir erarbeitet haben, müssen sich dann in der Normalität beweisen. Das wird noch hart, aber das gehört dazu.
Montag geht’s um den Wirtschaftsplan ‘22
Auch wenn die Freude über die unerwartete Auszeichnung groß ist: Noch haben die Champagnerkorken im Kulturforum nicht geknallt. „Begießen werden wir den Preis erst in der nächsten Woche“, sagt Jasmin Vogel.
Der Grund: Am Montag (15.11.) liegt der Wirtschaftsplan 2022 dem Verwaltungsrat in seiner Sitzung zur Genehmigung vor. Die Vorständin hofft, dass er durch geht. „Danach kann gefeiert werden.“
Aber konkret: Was liegt als nächstes an?
Die Finanzierung. Die eingeworbenen Gelder sind das eine, aber wir müssen klären, wie wir eine solide Basisfinanzierung auf die Beine stellen können. Das ist ein politischer Diskurs, den es zu führen gilt. Zudem wollen wir den Saalbau angehen. Nach dem Außengelände soll nun das Foyer ungestaltet werden. Und auch die Programmatik 22/23 wird anders aussehen.
Was können Sie dazu schon verraten?
Wir werden den Klassik-Bereich zurückfahren. Da gibt es genug qualitativ Hochwertiges in den Nachbarstädten – und bei uns funktioniert er nicht gut. Dafür werden wir wieder andere Dinge aufnehmen, die momentan nicht im Programm stehen: Silvesterbälle etwa oder etwas Besonderes zu Halloween. Auch das Kinder- und Jugendprogramm läuft super – das bauen wir natürlich aus.
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Sie haben in Ihren zwei Jahren in Witten schon so viele Auszeichnungen abgeräumt. Müssen wir Sorgen haben, dass Sie nicht mehr lange in der Stadt sind? Locken schon Rom, Paris, New York?
Ach, das ist eine gemeine Frage. Ich kann sagen: Ich erfülle meinen Vertrag und der läuft bis 2024. Ich habe noch viel in Witten vor. Aber ich mache auch keine Versprechen, die ich nicht halten kann.