Witten. Es waren dramatische Augenblicke. Nicht nur bei Steger in Witten, auch in Herbede mussten Menschen vor den Fluten der Ruhr gerettet werden.

Tief „Bernd“ hat Witten doch noch mit voller Wucht erwischt. 400 Feuerwehreinsätze, sieben Menschen aus höchster Not an der Ruhr gerettet, zwei vom Wasser eingeschlossene Mehrfamilienhäuser nahe der Lakebrücke in Herbede evakuiert– „es war wirklich dramatisch“, sagt Feuerwehr-Vize Dirk Lieder Und der Mann neigt nicht zu Übertreibungen.

Wittener Feuerwehr-Vize erleichtert: „Alle sind heile rausgekommen“

Angesichts der Toten anderswo, auch der zwei toten Feuerwehrmänner, ist Lieder am Ende froh, dass in Witten „alle heile rausgekommen sind“. Als er am frühen Mittwochabend zur Wache gefahren war, schien alles noch gut zu gehen. Es regnete zwar stark, doch noch war wenig passiert. Bis sich die Lage gegen 17, 18 Uhr schlagartig änderte.

Dieser Mercedes Kombi blieb in den Fluten auf der Annenstraße/Ecke Schleiermacherstraße in Witten stecken.
Dieser Mercedes Kombi blieb in den Fluten auf der Annenstraße/Ecke Schleiermacherstraße in Witten stecken. © Augstein

Hunderte von Menschen riefen an, weil ihre Keller und Garagen voll gelaufen waren. 250 Einsätze zählte die Feuerwehr in den ersten drei Stunden. Straßen wurden überflutet, Autos drohten darin zu versinken. In den sozialen Netzwerken sieht man Videos, wie das Wasser durch die Straßen schoss, etwa auf der Oberkrone. Heven, Herbede und das Hammertal bekamen besonders viel ab. Stadtteile wie Annen und Stockum kamen glimpflicher davon. In Bommern stand sogar die Sporthalle des TuS unter Wasser.

Lage spitzte sich zu, weil der Ruhr-Pegel so schnell auf Rekordhöhe kletterte

Obwohl es gegen 21 Uhr aufgehört hatte zu regnen, spitzte sich die Lage in der Nacht auf Donnerstag weiter zu, weil die Ruhr immer stärker stieg, auf die Rekordhöhe von über sieben Meter. Auf dem überfluteten Campingplatz Steger an der kaum noch befahrbaren Uferstraße „standen fünf Leute und riefen um Hilfe“, so Feuerwehr-Vize Lieder. Sie wurden nachts um drei mit Schlauchbooten der DLRG aus ihren Wohnwagen und der Wohnung von Platzbetreiber Peter Steger gerettet. Lieder: „Es wurde schon knapp, weil der Pegel der Ruhr so schnell anschwoll.“

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„Wir hatten 20 Zentimeter Wasser in der Wohnung“, sagt Steger. Die Wohnwagen wurden überschwemmt. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so schlimm wird“, sagt der 76-Jährige. Er kam mit seiner Frau beim Sohn in Bommerholz unter. Das Wasser stand bis zu den Scheiben der Campingwagen. Zum Glück waren bei dem schlechten Wetter viele Gäste schon nach Hause gefahren. Doch der Schaden ist groß. „Sieben elektrische Maschinen wie Kühltruhen sind platt.“ Der Biergarten, er wird dieses Jahr nicht mehr öffnen.

Auf der überfluteten Ruhrlandwiese an der Wetterstraße drohte ein Sommerhaus auf Stelzen regelrecht wegzuschwimmen. Weil die Unterführung dorthin voll gelaufen war, ließ die Feuerwehr kurzerhand die Bahnstrecke sperren und nahm den Weg über den Bahndamm. So rettete sie zwei ältere Personen.

Herbeder Straße in Witten wurde nachts überflutet

Das ist die Herbeder Straße in Witten – oder sie war es einmal: Die DLRG bringt Anwohner mit Booten in Sicherheit.  Die Fahrbahn wurde von der braunen Brühe überflutet. 
Das ist die Herbeder Straße in Witten – oder sie war es einmal: Die DLRG bringt Anwohner mit Booten in Sicherheit. Die Fahrbahn wurde von der braunen Brühe überflutet.  © FFS | Theobald

Ebenso dramatisch war die Lage in Herbede und Heven. In der Nacht wurde die Herbeder Straße überflutet. Die Anwohner in der Lake und am alten Fährweg hatten geschlafen, als die Ruhr das Wasser vor ihrer Haustür immer weiter nach oben drückte. Bis in den Vormittag hinein wurden um die 30 Menschen mit Booten der DLRG ins Trockene gebracht. Der nah gelegene Golfplatz am Kemnader See wurde ebenfalls mit Wucht getroffen – Wasser überall.

Auch im Hammertal: Straßensperrungen. Wasser bei der Maschinenfabrik Pleiger am Pleßbach, einen halben Meter hoch stand es in der Brennerei Sonnenschein an der Lakebrücke. 80 bis 100 Liter Regen waren in drei Stunden auf einen Quadratmeter gefallen, so viel wie sonst in einem ganzen Juli. Den Rest besorgte die Ruhr. Wegen des Hochwassers wurde in einigen Straßen der Strom abgestellt.

Feuerwehr setzt 400-Liter-Pumpen ein

Die Feuerwehr setzte mit ihren 200 Einsatzkräften 400-Liter-Pumpen ein, die sie auf jedem ihrer 25 Fahrzeuge hat, unterstützt vom THW mit deren 9000-Liter-Pumpe. Unter 50, 60 Zentimer rückten die Helfer oft aber erst gar nicht an. Sie mussten Prioritäten setzen, so schlimm jeder Einzelfall auch war.

Gegen sieben Uhr morgens waren am Donnerstag noch rund 90, meist kleinere Einsätze offen. Jetzt hoffen alle, dass es vorerst nicht mehr regnet, zumindest nicht mehr so stark. Gegen elf Uhr zeigte sich sogar kurz die Sonne. Ein kleiner Hoffnungsstrahl nach einer schlimmen Nacht.