Velbert. Noch hat Velbert eine Reserve von 200 Plätzen für Kriegsflüchtlinge. Nicht mehr lange. Eine Landeseinrichtung hätte nicht nur rechnerisch Vorzüge
„Wir müssen klotzen statt kleckern. Und eigentlich bräuchten wir eine zweite Einrichtung wie die an der Talstraße“, sagt Gerno Böll. Velbert müsse absehbar bis Ende nächsten Jahres zusätzliche 450 Plätze schaffen, so der Sozial-Dezernent zum Thema Flüchtlingsunterbringung. „Das ist ‘ne Hausnummer.“ Noch existiere im Stadtgebiet eine Reserve von insgesamt rund 200 Plätzen, doch diese würden kurzfristig belegt werden und eben nicht länger in Reserve bleiben. Bölls Prognose: „Wir müssen mit dynamisch zunehmenden Zahlen rechnen. Spätestens bis Ende des ersten Quartals 2023 sind die Plätze in der Reserve ausgeschöpft.“
Velbert teils vor unlösbaren Aufgaben
Sein Bericht zur „Entwicklung im Bereich städtischer Unterkünfte“ war jetzt hintereinander sowohl im Haupt- und Finanzausschuss als auch darauffolgend im Rat ein Tagesordnungspunkt. Da die Stadt neben den ukrainischen Flüchtlingen auch weiterhin verpflichtet sei, Flüchtlinge aus anderen Krisengebieten aufzunehmen, „stehen wir in Teilen vor unlösbaren Aufgaben“, führte Dirk Lukrafka zudem im Zuge seiner Etat-Rede aus.
Im laufenden Jahr bereits 1000 Menschen in Velbert aufgenommen
Im laufenden Jahr sind bisher über die 468 von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesenen Flüchtlinge – das sind erneut 119 mehr als zum Zeitpunkt der letzten Zwischenbilanz Ende September – noch weitere rund 500 aus der Ukraine nach Velbert gekommen. Somit seien rund 1000 Menschen aufgenommen worden, resümierte der Bürgermeister. Übrigens: 188 der 468 sind auch ukrainische Staatsbürger.
Dringend weitere Kapazitäten schaffen
„Zuletzt war in 2015 eine solch vergleichbare Flüchtlingswelle zu verzeichnen, die u. a. mit der vorübergehenden Schließung von Turnhallen und Versorgung der Flüchtlinge durch das DRK einherging.“ Lukrafka weiter: „Prognosen sind immer schwer abzugeben, aber es zeigt uns leider die junge Vergangenheit, dass wir noch viel mehr Geflüchtete aufzunehmen haben und hierfür dringend Kapazitäten schaffen müssen.“
200 Reserve-Plätze verteilen sich auf mehrere Standorte
Beim Blick auf die anderen Herkunftsländer stammen die meisten in Velbert Angekommenen aus Afghanistan, gefolgt von Irak und Türkei sowie ganz hintendran Tadschikistan. Hinsichtlich der so genannten Erfüllungsquote lag Velbert zu Monatsbeginn bei knapp über 103 Prozent. Die insgesamt 200 Plätze der erwähnten Reserve sind in einem Bürogebäude in der Röbbeck, der Turnhalle Fontanestraße, an der Hohenzollern- und Heidestraße, zudem handelt es sich um Betten im Jugendgästehaus Am Buschberg.
Wohnungsmarkt ist ausgereizt
Velbert bevorzugt gegenüber Sammelunterkünften prinzipiell lieber eine dezentrale Unterbringung. Allerdings scheinen hier die Möglichkeiten nahezu am Ende zu sein. „Der Wohnungsmarkt ist sehr dicht. Es ist sehr, sehr schwierig“, sagt Gerno Böll. Das Problem sei, Plätze in ausreichender Zahl und mit menschenwürdigen Bedingungen bereitzustellen. „Das kostet richtig richtig viel Geld und wird eigentlich nicht refinanziert.“
Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören die Standort-Ermittlung für die Einrichtung von Wohncontainern, der Bau bzw. die Anmietung eines Wohnkomplexes analog der Unterkünfte Talstraße, um die Container ablösen zu können, sowie die Suche nach Grundstücken zwecks Wohnbebauung.
Flächen für Landeseinrichtung sichten
Der Erste Beigeordnete kündigt an, dass vor Ort potenzielle Flächen für Landeseinrichtungen gesichtet und geprüft werden sollen und teilte mit, dass man diesbezüglich bereits im Austausch mit Düsseldorf sei. Dabei handele es sich „nach Landesvorstellung um jeweils 300 oder 500 Plätze“. Diese wirkten sich für Velbert einerseits positiv hinsichtlich der Anrechnung bei der erwähnten Regelzuweisung aus. Zudem gelte die Schulpflicht erst „mit Zuweisung und Wohnsitznahme“, gehe es bei Kitas analog zu.
Geld ist längst nicht die einzige Sorge
NRW müsse die Aufnahmeplätze in Landeseinrichtungen erhöhen, fordert Böll, und es müsse „eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung sichergestellt sein“. Das erwartet Dirk Lukrafka erklärtermaßen ebenfalls von Bund und Land. „Geld ist ein Thema“, sagt der Bürgermeister aber auch, „jedoch nicht das einzige und vordringlichste.“ Vielmehr müsse ja auch die Betreuung sichergestellt werden, fehle es allenthalben an Personal, brauche man ebenso dringend auch Bauleute und weitere Fachkräfte.
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>>>Wie hierzulande die Zuweisung läuft
Die fast 400 Städte und Gemeinden in NRW müssen per Gesetz ausländische Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen.
Die Zuweisung – hierzu gibt es einen Verteilschlüssel – macht hierzulande zentral die Bezirksregierung Arnsberg.
Gibt es in einer Stadt bzw. Gemeinde eine Unterbringungseinrichtung des Landes, so werden deren Plätze von der berechneten Aufnahmeverpflichtung abgezogen.