Velbert. Die finanziellen Corona-Lasten hat Velbert für Jahrzehnte am Bein. Dennoch soll 2022 Einiges bewegt werden. Genaueres dazu sagt der Bürgermeister

Ein hoffnungsvoller Ausblick aufs neue Jahr? Der fällt in der aktuellen Situation auch Dirk Lukrafka nicht gerade leicht. Dennoch äußert er sich durchaus zuversichtlich und baut dabei nicht zuletzt auf die Erfahrungen aus 2021 – und hier ganz besonders auf die bei der schrecklichen Überflutung vom Juli gesammelten. Mit Solidarität, Zusammenhalt und gemeinsamen energischen Anpacken, sagte der Bürgermeister im Gespräch mit der WAZ, werde man in Velbert selbst große Herausforderungen meistern. Und dazu gehöre die Corona-Pandemie mit ihren Folgen fürs Zusammenleben und tägliche Miteinander. „Die Corona-Altlasten sind wirklich ein ernstes Thema“, fügt Lukrafka mit Blick auf die kommunalen Finanzen hinzu.

Eigenkapital von Velbert ist überschaubar

Setzt auf Solidarität, Zusammenhalt und gemeinsames energisches Anpacken: Bürgermeister Dirk Lukrafka.
Setzt auf Solidarität, Zusammenhalt und gemeinsames energisches Anpacken: Bürgermeister Dirk Lukrafka. © FFS | Alexandra Roth

Denn derweil Düsseldorf es sich leisten kann, den dort absehbaren Schaden in Höhe von einer Milliarde dank des Eigenkapitals von derzeit sieben Milliarden Euro auf einen Schlag zurückzuzahlen und es hier im Nordkreis die Stadt Ratingen dem Vernehmen nach wohl ebenso machen wird – und angeblich auch kann –, bleibt Velbert angesichts des vergleichsweise kümmerlichen Eigenkapitals in Form der allgemeinen Rücklage von ca. 23 Millionen keine andere Wahl, als die sich vermutlich auf rund 100 Millionen Euro auftürmenden Corona-Schäden tatsächlich über die eingeräumte Frist von 50 Jahren abzuschreiben. Eine enorme und dauerhafte Belastung für die Etats ab 2025, über anderthalb Generationen hinweg.

Erträge sind eingebrochen

Erschwerend kommt hinzu: Die Erträge werden auch ab 2025 noch nicht wieder das Vor-Krisen-Niveau erreichen. Wie eng die Lage ist, zeigt auch der Umstand, dass sich der Jahresüberschuss 2022 laut Ansatz gerade einmal auf 250.000 Euro beläuft.

Gesamtschul-Neubau

Die Außenhülle des künftigen Velberter Bürgerforums – hier ein Modell – müsste dieses Jahr eigentlich fertiggestellt werden. Dann erfolgt mit Hochdruck der Innenausbau, um das Projekt schließlich in 2023 wie geplant zum Abschluss zu bringen.
Die Außenhülle des künftigen Velberter Bürgerforums – hier ein Modell – müsste dieses Jahr eigentlich fertiggestellt werden. Dann erfolgt mit Hochdruck der Innenausbau, um das Projekt schließlich in 2023 wie geplant zum Abschluss zu bringen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Und doch soll und muss investiert werden. Anlass dafür bietet z. B. der weitere Anstieg der Schülerzahlen, der nicht nur die Projektierung der zusätzlichen dreizügigen Grundschule in Mitte betrifft, sondern absehbar auch die Gesamtschule Neviges. Hier nennt Lukrafka „in erster Linie die Schaffung von Ersatzschulraum“ An der Maikammer, der mit der Fertigstellung des Neubaus am Waldschlösschen aufgegeben werde. Mit der Gesamtschule entstehe eine „topmoderne und zeitgemäße Bildungseinrichtung“, umgeben von einem „großartigen Sportangebot“.

Bedarf an Kita- und OGS-Plätzen

Laut Plan werden in 2022 in Velbert-Mitte an der Fontane- und Nordstraße gleich zwei neue Kitas fertig. „Das wird aber trotzdem nicht reichen“, sagt das Stadtoberhaupt mit Blick auf die Betreuungsquoten im Ü-3-Bereich, „und das ist auch finanziell echt ein Riesenthema“.

Lokalen ÖPNV komplett neu denken

Seine erste Station in Velbert waren die TBV

Dirk Lukrafka (53) ist seit 2014 Bürgermeister der Stadt Velbert. Der gebürtige Gelsenkirchener studierte nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann, zu der auch ein duales Studium in BWL, Betriebswirt (VWA), gehörte, Rechtswissenschaften.

Seine erste berufliche Station in Velbert waren ab 2004 die Technischen Betriebe. 2013 wurde er Stadtkämmerer. Bei der letzten Kommunalwahl in 2020 setzte er sich in der Stichwahl gegen Esther Kanschat (Bündnisgrüne) als Direktkandidat der CDU durch.

Dirk Lukrafka hofft, dem Rat und der Bürgerschaft das neue ÖPNV-Konzept bald vorlegen zu können. Man habe dem Gutachter gesagt, dabei die Finanzen mal strikt beiseite zu lassen, wolle das Ganze völlig neu denken und auch losgelöst vom heutigen Liniensystem. Wann es soweit sei? „Im ersten oder zweiten Quartal, auf jeden Fall in der ersten Jahreshälfte.“

Konkret zum ersten Quartal werde man das Bürgerservice-Portal an den Start bringen, das z. B. den Zugriff auf Formulare erlaube. „Wir wollen auch digitale Anträge ermöglichen und den Velbertern einfach so manchen Gang ins Rathaus ersparen.“ Darüber hinaus werde man den Bürgerservice optimieren.

Vorankommen in Neviges

Der Dom- bzw. Pilgerparkplatz soll hergerichtet werden. Er steht für 2022/23 auf der Maßnahmenliste der Technischen Betriebe und wird ca. 1,2 Millionen Euro kosten.
Der Dom- bzw. Pilgerparkplatz soll hergerichtet werden. Er steht für 2022/23 auf der Maßnahmenliste der Technischen Betriebe und wird ca. 1,2 Millionen Euro kosten. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Derweil im Stadtbezirk Mitte z. B. noch die Fertigstellung der Außenhülle des Forums, die Umsetzung des Innenstadtrings und der Abschluss des Wettbewerbs zur Hertie-Nachnutzung auf der Agenda stehen, ist dem Bürgermeister in Neviges u. a. daran gelegen, zusammen mit der Bürgerschaft die Möblierung der Innenstadt und Gestaltung öffentlicher Flächen voranzutreiben. Weiter will er konkrete Ideen zur Umgestaltung des Entrees mit S-Bahnhof und Parkplatz im Bereich auf der Beek entwickeln. Die Herstellung des Pilgerparkplatzes solle auf jeden Fall beginnen.

Für den Klimaschutz trommeln

Nicht zuletzt sieht der Bürgermeister mit Sorge, dass Velbert an die Kapazitätsgrenzen seiner Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte komme, zumal die Flüchtlingszahlen in den zurückliegenden Monaten wieder zugenommen hätten. Und er hofft sehr, mit der Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Klimaschutz weiterzukommen. Dabei sei man wegen der Pandemie leider „mit angezogener Handbremse“ unterwegs: „Wir erreichen die Öffentlichkeit nicht so leicht mit unseren Formaten. Insbesondere die Jugendlichen in den Schulen können wir nicht einbinden.“ Die Stadt selbst arbeite selbstverständlich mit Hochdruck an der Umsetzung der lokalen Klimavorhaben: „Da lassen wir nicht nach!“