Oberhausen.
Listeria monocytogenes, Pseudomonas aeruginosa – wer weiß, was sich hinter wohlklingendem Latein verbirgt, wird schon beim Lesen den Drang verspüren, sich die Hände zu waschen. Es sind gefährliche Bakterien, die ausgerechnet dort auftauchen können, wo man sie bestimmt nicht haben möchte: etwa bei der Lebensmittelherstellung, in Krankenhäusern. In Oberhausen lebt jedoch ein Unternehmen von solchen bisweilen tödlichen Erregern: die Bioni Gruppe.
Zum Glück, muss man sagen, denn mit ihren Farben machen sie Schimmelpilzen und Co den Garaus auf Außenfassaden, in Industrie- und privaten Wohnräumen. Und sie sollen dabei noch weitaus umweltverträglicher sein als „gewöhnliche“ Anstriche, die Bakterien mit Giftstoffen beseitigen. Das Firmengeheimnis verrät Sven Knoll, Geschäftsführer von Bioni CS, gerne: „Es ist Silber – das älteste Desinfektionsmittel der Welt, die Römer nutzten bereits Silbermünzen, um ihr Wasser zu reinigen.“
Um 2000 kam der Traditions-Malerbetrieb J. und G. Groß – 1948 ist er in Oberhausen gegründet worden – auf diese Idee, seinen Anstrichen Silberpartikel beizufügen. Sie musste allerdings noch wissenschaftlich getestet werden.
1000 mal kleiner als Bakterien
Für das Projekt gewann das Unternehmen das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal. Drei Jahre forschte dieses an der Wirkung und Umsetzung. „Wir haben einen mittleren sechsstelligen Betrag in die Entwicklung investiert“, verrät Knoll, „weil wir von dem Konzept überzeugt waren.“
Nun bewirkt Nanosilber, das 1000 mal kleiner ist als sein Feind, die Bakterien, dass kein Schimmelpilzbefall entsteht. „Das Silber wird nicht an die Umwelt abgegeben“, benennt Knoll die Vorteile für Mensch und Natur. Der so genannte VOC-Gehalt, der den Anteil an flüchtigen organischen Verbindungen in Farben und Lacken zur Beschichtung von Gebäuden angibt, entspräche in Bioni-Produkten etwa nur ein Siebtel der Europäischen Richtlinie. Und weil dieser Schutz zudem länger halte, sagt Knoll, habe das auch Vorteile für den Kunden.
Doch gute Ideen müssen nicht immer sofort zünden: 2001 gründete der Malerbetrieb die Bioni-Gruppe, etwa vier Jahre später zeigte sich, dass man damals seiner Zeit voraus war.
Vermarktung leichter vorgestellt
Der Boom in der energetischen Sanierung von Hausfassaden gab den Oberflächenspezialisten einen Anschub. Ein Duisburger Wohnungsbauunternehmen wollte damit hartnäckige Algen an ihren Gebäudefassaden loswerden. Auch die Lebensmittelindustrie zeigte sich interessiert, allein die Krankenhäuser reagieren bis heute verhalten, obwohl die Wirksamkeit der Anstriche gegen multiresistente Erreger (MRSA) mit 99,999 Prozent angegeben ist. „Wir hätten uns die Vermarktung etwas leichter vorgestellt“, räumt der Geschäftsführer ein.
Mittelgroß wurde man mit seinem Produkt dennoch: 50 Mitarbeiter arbeiten in einem Produktvertrieb (Bioni GmbH), Lösungsvertrieb (Bioni System) und in der Ausführung (Malerbetrieb J. und G. Groß) der Unternehmensgruppe. Die Bioni-Gruppe erwirtschaftete 2010 einen siebenstelligen Umsatz. Die Geschäfte werden überwiegend - zu rund 70 Prozent - im Ausland gemacht, also USA, Dubai und Saudi Arabien. Heinz und Guinness zählen zu Kunden von Bioni, über die nicht wenigen deutschen Lebensmittelhersteller, die ebenfalls auf die Silberfarbe Marke Oberhausen setzen, will Knoll nicht so gerne sprechen: „Es ist ein sensibles Thema“, sagt er und schweigt. Wir verstehen dennoch: Schweigen ist Silber.