Oberhausen.

Oberhausen versteht sich als Wiege der Ruhrindustrie - und wer Ruhrindustrie sagt, meint die große Zeit von Kohle und Stahl, von Konzernen, die Zehntausende Arbeitnehmer über oder unter Tage beschäftigten. Wegen der Großindustrie ist diese Stadt schließlich gegründet worden: Die Großindustrie-Idee hat sich in die zentrale DNA, die Erbsubstanz, der Stadt Oberhausen eingebrannt.

Das spürt man anhaltend: Oberhausen als Stadt der Großindustrie – das ist in den Köpfen der Einwohner immer noch fest verankert. Fragt man Bürger nach der heimischen Wirtschaft fallen Namen wie GHH, Babcock, Ruhrchemie (Oxea) oder MAN Turbo. Danach kommt lange Zeit nichts mehr. Das ist kein Wunder, denn MAN Diesel&Turbo gehören mit 2000 Arbeitsplätzen und Oxea sowie andere Chemiefirmen auf dem Ruhrchemie-Gelände mit 1600 Jobs zu den größten Arbeitgebern dieser Stadt.

Mittelstand schafft die meisten Arbeitsplätze

Fragt man jedoch einen solchen Profi wie Heinrich Lehnert, den langjährigen Chef der hiesigen Arbeitsagentur, danach, wer hier die meisten der 4000 neu gemeldeten freien Arbeitsplätze (Anstieg um knapp 5 Prozent in einem Jahr) auf die Waage aufbringt, dann kommt prompt die Antwort: „Das waren natürlich die mittelständischen Betriebe, die schaffen schon seit Jahren in Oberhausen die meisten Arbeitsplätze.“

Mittelstand ist ein merkwürdiger Begriff, mit dem viele nur wenig anfangen können. Denn hinter diesem Wort verbergen sich Drei-Mann-Unternehmen, die mehr oder weniger schlecht am Rande des Existenzminimums vor sich hinkrebsen, aber auch Firmenchefs mit 700 Beschäftigten, die international zu den Weltmarktführern ihres Spezialproduktes zählen. In Oberhausen gibt es Hunderte solcher mittelständischen Betriebe – nur viele Bürger kennen sie gar nicht. Die Firmeninhaber sind meist so sehr auf ihr Kerngeschäft konzentriert, dass sie sich weder um Öffentlichkeitsarbeit, Lobbyvertretung oder Verbandspolitiken kümmern können.

Während Konzern-Geschäftsführer der Weltöffentlichkeit gerne und stolz ihre markanten Zahlen präsentieren, schweigen Mittelständler am liebsten über alle Geldfragen: Umsatz, Gewinne, Renditen, Personalentwicklung – das geht die anderen erst einmal gar nichts an.

Rückgrat der hiesigen Wirtschaft

Deshalb wissen nur wenige Eingeweihte, was sich in dieser Stadt hinter blanken Hallen, schnöden Büro-Fertighäusern und unauffälligen Flachdachgebäuden verbirgt.

Während viele Bürger Oberhausen noch als Stadt der Konzerne sehen und aus diesem Blickwinkel die Gegenwart betrauern, weiß Oberbürgermeister Klaus Wehling nach vielen Firmenbesuchen, die ihn selbst immer wieder staunen lassen, wie leistungsfähig hiesige Unternehmen sind: „Jahrzehntelang prägten Großbetriebe der Montanindustrie Oberhausen, heute bilden Mittelständler das Rückgrat der Wirtschaft Oberhausens und somit eine solide Basis für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Viele Innovationen gehen vom Mittelstand aus. Oberhausen ist mittlerweile eine Stadt des Mittelstandes.“

Tatsächlich arbeitet in mittelständischen Betrieben der überwiegende Teil der über 106.000 Erwerbstätigen in Oberhausen. Die meisten jungen Menschen bekommen hier einen Ausbildungsplatz angeboten.

WAZ startet neue Serie

Wenn die Stadt angesichts der Sparverpflichtungen durch das Land schon die Gewerbesteuersätze anheben muss, dann versucht die Stadtspitze wenigstens, den Bedürfnissen der Mittelständler entgegenzukommen – etwa bei der Bereitstellung mittelstandsgerechter Gewerbegebiete wie den Gewerbeparks Weierheide/Waldteich, Erlengrund oder Kaisergarten. Mit der städteübergreifenden Initiative Meo-Tec unterstützt die städtische Wirtschaftsförderung WFO gezielt technologie-orientierte Mittelstandsunternehmen.

Die WAZ möchte die Mittelständler in dieser Stadt, die einige auch als „Hidden Champions“, „Stille Stars der Wirtschaft“, „Job-Motoren“, oder „Weltmarktführer“ bezeichnen, vorstellen: In einer neuen Serie, die heute mit der ersten Folge über die bemerkenswerte Karriere des Fahrzeugbauers Lindenau startet. Wir möchten allen Lesern zeigen, wie vielfältig die Wirtschaftswelt in Oberhausen ist – und wie stolz Oberhausen auf die Kraft ihrer Industriellen, Händler, Erfinder, Hersteller und Handwerker sein kann.