Oberhausen. . Oberhausener Bundestagsabgeordnete erleichtert über Wulffs Rücktritt. Was muss der Nachfolger mitbringen?
Als Christian Wulff vor knapp eineinhalb Jahren zum Bundespräsidenten gewählt wurde, sorgte der Oberhausener Bundestagsabgeordnete Niema Movassat für Wirbel mit dem Kommentar, die Entscheidung zwischen Wulff und Joachim Gauck sei gewesen wie die zwischen Pest und Cholera. Genugtuung verspürt der Parlamentarier der Linken nicht darüber, dass einer der von ihm Gescholtenen nun den Hut nehmen muss. Umso mehr gelte für die Nachfolge aber, was er mit seinem unglücklichen Vergleich damals habe sagen wollen: „Es wäre schön, wenn man nicht wieder die Wahl zwischen zwei Konservativen hätte.“
„Müssen Korruption im Keim ersticken“
Dass Wulff zurückgetreten ist, begrüßt Movassat. „Dieser Bundespräsident war offenbar beseelt davon, alles umsonst zu bekommen. Wir müssen Korruption im Keim ersticken.“ Der Schnitt sei auch deshalb nötig gewesen, weil die Debatte wichtigere Themen wie die Eurokrise zu überlagern begonnen habe.
Braucht man eigentlich überhaupt noch einen Bundespräsidenten? „Eigentlich nicht“, findet Movassat, „seine Kompetenz ist gering und es hat etwas von Ersatzmonarch. Man könnte darauf verzichten, aber das ist nicht das entscheidende Thema.“
„Natürlich brauchen wir einen Bundespräsidenten!“, findet dagegen Marie-Luise Dött (CDU). Ein Repräsentant, der universale Themen ansprechen und den deutschen Rechtsstaat vertreten könne, sei unerlässlich. Der Glaube an genau jenen Rechtsstaat wiederum lässt auch Dött den Rückzug von Christian Wulff für richtig halten. „Wenn es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen Bundespräsidenten gibt und der Bundestag seine Immunität aufhebt, erübrigt sich die Frage, ob sein Rücktritt richtig ist.“
War Wulff in ihren Augen dennoch ein guter Bundespräsident? „Die Zeit war zu kurz, um das zu beurteilen. Mit seinen Äußerungen zum Islam als Teil Deutschlands hat er jedenfalls eine ganz neue Note ins Amt gebracht.“ Wulffs Nachfolger brauche eine breite Akzeptanz. „Nach dieser ganzen Sache wäre es gut, wenn es Einigkeit gäbe.“
„Macht den Blick nach vorne frei“
Michael Groschek, Bundestagsabgeordneter der SPD, spricht von einer sehr späten Einsicht, die Wulff jetzt zeige. „Das macht aber den Blick nach vorne frei.“ Der SPD-Politiker spricht sich für einen gemeinsamen Kandidaten von Regierung und Opposition aus und fordert: „Die Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt darf nicht parteipolitisch belastet werden.“
Dabei werde der Nachfolger, wer immer es am Ende wird, vor einer „Herkulesaufgabe“ stehen. „Die Würde des Amtes ist beschädigt. Das Vertrauen wiederherzustellen wird die vornehmliche Aufgabe sein.“ Damit das auch funktionieren kann, müsse dieser Kandidat einen breiten Rückhalt in der Politik genießen. „Eine große Mehrheit muss für ihn sein.“ Einen Heiligenschein müsse der nächste Bundespräsident dagegen nicht besitzen.
Groschek zieht nach dem Rücktritt des Staatsoberhauptes einen Vergleich mit dem abgewählten Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland. „Die Vorgänge um Christian Wulff und Adolf Sauerland sind Mahnmale dafür, was es heißt, politische Verantwortung zu übernehmen. In der letzten Zeit ist in diesem Zusammenhang einiges in Schieflage geraten.“ Wulff hätte strengere Maßstäbe an sich selbst anlegen müssen, findet Groschek. „Er wusste um seine Vergangenheit.“
Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/ Die Grünen, begrüßt den Rücktritt ebenfalls. „Aus meiner Sicht war dieser Schritt überfällig.“ Bärbel Höhn lastet dem scheidenden Bundespräsidenten an, dass er bis zum Ende nicht eingesehen habe, etwas falsch gemacht zu haben. „Wenn man sich seine Erklärung anschaut, fehlt da vollkommen ein Unrechtsbewusstsein.“
„Gemeinsamer Kandidat einzig sinnvoller Weg“
Auch für Bärbel Höhn ist ein überparteilicher Konsens bei der Nachfolge die logische Konsequenz. „Unsere Fraktionsvorsitzenden haben einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, in dem die Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten angeboten wird. Wenn man das schafft, ist das ein guter Weg – und vor allem der einzig sinnvolle, mit dieser Situation umzugehen.“