Berlin. . Wie viel Gehalt einem Bundespräsidenten nach dessen Amtszeit zusteht, regelt das Gesetz. Doch Christian Wulff könnte nach seinem Rücktritt der Ehrensold verwährt bleiben. Die letzte Entscheidung hat die Kanzlerin.
Seit Beginn der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff wurde darüber diskutiert, ob er nach einem Rücktritt Anspruch auf den sogenannten Ehrensold hat. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kam jetzt zu dem Ergebnis: eher nein. In der Herleitung wird sehr deutlich gemacht, dass ein Rücktritt aus persönlichen Gründen nicht zum Bezug der jährlich 199.000 Euro berechtigt.
Damit deckt sich das Gutachten aus dem Deutschen Bundestag mit dem Ergebnis der juristischen Analyse des Verwaltungsrechtlers Hans Herbert von Arnim von Ende Januar. Der renommierte Rechtswissenschaftler fällte nach Studium des Gesetztes damals das klare Urteil, „dass der Bundespräsident keinen Anspruch auf den Ehrensold hat, wenn er aus persönlichen Gründen zurücktritt“. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn der „Rücktritt auf eigene Verfehlungen beruht“.
Ehrensold bei „politischen und gesundheitlichen Gründen“
Maßgeblich für die jetzt veröffentlichte Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes ist das „Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten“, mit der schönen Abkürzung BPräsRuhebezG. Darin gibt es neben dem Ende der Amtszeit und einem Schuldspruch des Bundesverfassungsgerichtes genau zwei Wege zum Erhalt der lebenslangen Alimentation. Sie werden gleich im ersten Paragraf benannt: das Ausscheiden aus „politischen oder gesundheitlichen Gründen“. Erkrankt ist Christian Wulff nicht, bleibt also die Frage, war sein Rücktritt politisch oder persönlich bedingt? Und wie persönlich ist das Politische?
Die Verfasserin des Bundestagsgutachtens analysiert die Gesetzeslage und kommt zu dem Ergebnis: „Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen, werden eher keine politischen Gründe im Sinne des § 1 BPräsRuhebezG sein.“
Umgemünzt auf den Wulff-Rücktritt hieße das: Wer deshalb zurücktritt, weil die Staatsanwaltschaft den Verdacht prüfen möchte, ob er sich als Ministerpräsident einmal zu oft den Urlaub bezahlen ließ und womöglich im Gegenzug Vorteile gewährte, tritt aus persönlichen und nicht aus politischen Gründen zurück.
Politische Gründe betreffen „Fragen der Amtsführung“
Denn unter politischen Gründen sind dem Gutachten zufolge solche zu verstehen, die „im Zusammenhang mit der Gestaltung des öffentlichen Lebens stehen müssen“. Als Beispiel werden schwerwiegende Differenzen mit der Regierung über die Innen- oder Außenpolitik genannt. Ein Rücktritt aus politischen Gründen wäre also zum Beispiel gegeben, wenn der Bundespräsident nicht mehr das Oberhaupt eines Staates sein wollte, dessen Regierung das Asylrecht aushöhlt. Oder wenn diese in einer Finanzkrise seines Erachtens unverantwortlich mit den Steuergeldern umginge - und er deshalb den Hut nimmt.
Auch im Vergleich zum Beamtenrecht kommt die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass politische Rücktrittsgründe „nicht in der Person des Amtsinhabers liegen dürfen, sondern Fragen seiner Amtsführung betreffen“.
Sollte die Regierung die Ergebnisse des Bundestagsgutachtens und der Analyse des Verwaltungsrechtlers Arnim berücksichtigen, könnte es für Christian Wulff bald finanziell eng werden. Arnim schrieb, dass der 52-Jährige zwar Anspruch auf die Altersversorgung als ehemaliger Abgeordneter und Ministerpräsident hat - aber frühestens in fünf Jahren.
Die potenziellen Nachfolger Wulffs
Berliner Staatsrechtler hält Ehrensold für Wulff für gerechtfertigt
Anders bewertet der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis die Rechtslage. Seiner Meinung nach hat der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff Anspruch auf einen Ehrensold. „Die in dem entsprechenden Gesetz genannten politischen oder gesundheitlichen Gründe sind unbestimmte Rechtsbegriffe“, sagte Battis der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Battis verwies darauf, dass auch Wulffs Vorgänger Horst Köhler aus Gründen zurückgetreten sei, „die mehr im Persönlichen als im Politischen zu liegen schienen“. Trotzdem habe kein Mensch auch nur eine Minute darüber nachgedacht, ihm den Ehrensold nicht zu geben. Das für die Entscheidung zuständige Bundeskabinett unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe hier „einen Spielraum“.
Staatsrechtsprofessor Christoph Degenhart sieht Wulffs Ehrensold ebenfalls nicht in Gefahr. "Persönliche Gründe sind bei einem Amt, das so von der Person lebt, kaum von politischen zu trennen", sagte er der WAZ. Außerdem könne der Ehrensold sogar bei einer Verurteilung im Fall einer Präsidentenanklage durch das Bundesverfassungsgericht weitergezahlt werden.
Möglicherweise Anspruch auf Ruhegehalt
Für den Fall, dass Wulff kein Ehrensold aus der Bundeskasse gezahlt wird, hat er aus Sicht von Experten Ruhegehalts-Ansprüche aus dem niedersächsischen Minister- und Abgeordnetengesetz. Nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler in Niedersachsen müsste der 52-jährige jedoch noch bis zum 60. Lebensjahr warten: Dann betrügen seine Ruhebezüge rund 5.300 Euro aus dem Ministergesetz plus 1.710 Euro aus dem Abgeordnetengesetz, zusammen also rund 7.000 Euro monatlich.
Fraglich ist den Angaben zufolge, ob Wulff darüber hinaus einen "wieder auflebenden" Anspruch auf Übergangsgeld hat. Dieses wird nach dem Ministergesetz des Landes Niedersachsen für maximal zwei Jahre gezahlt, und zwar in Höhe des hälftigen Amtsgehaltes von rund 7.500 Euro bis Juni 2012.
Teurer Anwalt
Doch auch mit einer Fortzahlung der Bezüge könnte Wulff vor Problemen stehen. Spekulationen zufolge soll er einer renommierten Anwaltskanzlei 4000 Euro pro Tag zahlen. "Diese Summe ist nicht unrealistisch", bestätigte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Antwaltsvereins (DAV), Herbert Schons. Das könne Wulff auf Dauer zu schaffen machen. Wenn nun gegen ihn ermittelt werde und er eine Verteidigung bräuchte, könne es sogar noch teurer werden.
Und so ist es fraglich, ob Christian Wulff auf den Rat von Politologe Volker Konenberg hören wird: "Herr Wulff sollte, wenn er es erhält, auf einen Teil von sich aus verzichten." (dapd/ae)