Oberhausen. An Grundschulen wird kontrovers über die Möglichkeit diskutiert, bis zur 3. Klasse keine Ziffernoten mehr zu vergeben.

Wenn morgen die Halbjahreszeugnisse an den Grundschulen ausgeteilt werden, heißt es dort noch „Sehr gut“ bis „Ungenügend“, sprich „Eins“ bis „Sechs“.

Doch bereits zum Schuljahresende im Sommer kann das alles anders sein. Mit der Entscheidung der rot-grünen Landesregierung, Ziffernnoten für die Klassen 2 und 3 nicht mehr verpflichtend zu machen, können ab dann die einzelnen Schulen entscheiden, wie sie die Leistungen ihrer Schüler bewerten wollen. Für genug Gesprächsstoff ist also bei den 39 Grundschulen und unter den 440 Grundschullehrern im Stadtgebiet gesorgt. Die NRZ hörte sich bei Lehrern, Eltern und Rektoren um.

Druck auf Schüler verringern

Beate Wilcken, Vorsitzende des Personalrates Grundschule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), findet die Möglichkeit, auf die Ziffernoten zu verzichten sehr positiv: „Noten geben nicht unbedingt eine Auskunft über den Leistungs- und Entwicklungsstand eines Kindes. In einem ausformulierten Text kann man das viel genauer aufzeigen.“ So könnte man etwa beim Fach Mathematik genauer sagen, wo ein Kind seine Schwächen aber auch seine Stärken hat. „Vielleicht kann ein Kind nicht ganz so gut rechnen ist aber bei der Geometrie besser.“

Einen weiteren positiven Aspekt sieht Beate Wilcken darin, den Druck auf die Kinder zu verringern. „Viele Grundschulkinder erleben bereits Konkurrenz und Druck, sei es von einem selber oder von Seiten der Eltern.“ Dem könnte man so vielleicht etwas entgegenwirken. Zur Kritik des Philologenverbandes NRW, der eine „Beliebigkeit der Qualifikationsstandards“ befürchtet. entgegnet Wilcken, dass es weiterhin klare Vorgaben im Lehrplan gibt. „Wenn ein Kind gewisse Lernziele nicht erreicht, können wir das auch weiterhin schreiben.“

Kompromiss zeichnet sich ab

Für Herbert Schlüsener, Schulleiter der Dietrich-Bonhoeffer-Schule, geht die Entscheidung aus Düsseldorf ebenfalls in Ordnung. Was ihn viel eher stört, ist das ewige Hin und Her in der Schulpolitik. „Man kann sich ja nicht sicher sein, ob es bei einer anderen Landesregierung vielleicht wieder eine Änderung gibt.“ An seiner Schule zeichnet sich momentan ein Kompromiss ab. „So könnten beim Versetzungszeugnis in der 2. Klasse die Ziffernnoten wegfallen. In der 3. Klasse wird es sie bei uns aber weiterhin geben.“

Petra Podubrin, Vorsitzende der Schulpflegschaft an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule, ist mit diesem Kompromiss zufrieden. „Erst ab der 4. Klasse Noten zu geben, fände ich etwas schade. Bei meinen Kindern habe ich erlebt, dass sie doch auch schon vorher eine Note haben wollen. Die Eltern, mit denen ich bisher gesprochen habe, sehen das ähnlich.“ Die Aufklärung über das Leistungsvermögen des Kindes müsse aber gegeben sein. „Im Fall von ausformulierten Noten kann das schon mal zu Missinterpretationen führen“, so Podubrin.

Individuelle Förderung

Reinhard Frind, Schuldezernent der Stadt, begrüßt die Wahlfreiheit, die den Grundschulen erlaubt, selbst über die Benotung zu entscheiden. Persönlich sieht er Ziffernoten als problematisch an. „Wenn wir vom Thema individuelle Förderung sprechen, sind dafür auf den einzelnen Schüler bezogene Textzeugnisse besser geeignet.“ Zwar wisse er auch von vielen Eltern, dass sie eine Note sehen wollen, entgegnet aber: „Auch für die Eltern kann das so besser nachvollziehbar sein, wo Stärken aber auch Förderbedarf des Kindes liegen.“