Oberhausen. Bei den Anmeldungen für die weiterführenden Schulen richten sich die meisten Eltern nach den Empfehlungen der Grundschullehrer.
Übernächste Woche gibt’s für rund 1750 Oberhausener Kinder das möglicherweise wichtigste Zeugnis ihrer Schullaufbahn – das Halbjahreszeugnis der Klasse 4, das Zeugnis, mit dem sie sich wenig später an den weiterführenden Schulen bewerben. Hauptschule, Realschule, Gymnasium mit Turbo-Abi in acht Jahren oder eher die Neun-Jahres-Variante an der Gesamtschule?
Eine schwierige Entscheidung. Von den Grundschullehrern gibt’s eine Empfehlung für den weiteren Schulweg, bindend wie in den Jahren 2006 bis 2010 ist die aber nicht mehr – der Elternwille entscheidet. Welche Erfahrung haben Schulen mit dieser Regelung und den Empfehlungen der Grundschulen gemacht? Die NRZ hat nachgefragt.
Intensive Gespräche
„Klar gibt es unter den Eltern immer mal den einen oder anderen, der entgegen der Empfehlung darauf besteht, dass sein Kind am Gymnasium angenommen wird“, erzählt Brigitte Fontein, Leiterin des Elsa-Brändström-Gymnasiums: „Aber das ist eigentlich zu vernachlässigen. In den meisten Fällen decken sich die Vorstellungen der Eltern mit den Empfehlungen. Man merkt, dass in vielen Fällen intensive Gespräche an den Grundschulen vorausgegangen sind.“
Das deckt sich mit den Beobachtungen der örtlichen Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Da gibt’s keine größeren Probleme. Die schulische Beratung wird von den Eltern in aller Regel gut angenommen“, sagt GEW-Vertreter Karl van den Mond.
Für Zweifelsfälle setzt Brigitte Fontein auf die Durchlässigkeit des Schulsystems: „Sollte ein Kind, das keine oder nur eingeschränkte Gymnasialempfehlung erhalten hatte, an der Realschule unterfordert sein, gibt’s ja die Möglichkeit ans Gymnasium zu wechseln.“ In der Oberstufe habe man im Schnitt so um die 30 Realschüler, in der Erprobungsstufe – also Klasse 5 und 6 – wechselten erfahrungsgemäß nur vereinzelt Kinder von der Realschule zum Gymnasium: „Das gibt’s aber schon. Manche sind eben eher Spätzünder.“
Gutachten ernst nehmen
Die Fälle, in denen ehrgeizige Eltern ihre Sprösslinge sogar bei lediglich eingeschränkter Realschulempfehlung aufs Gymnasium schicken wollen und darauf bestehen, dass die schwächere Beurteilung ihres Kindes allein auf der Antipathie eines Lehrers basiere, kennt auch Michael von Tettau, Leiter des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums. „Aber das sind glücklicherweise Einzelfälle.“
In solchen, wie in allen anderen Zweifels- und Grenzfällen, führe man sehr intensive Beratungsgespräche, in denen man den Eltern auch klarmache, dass am Ende der Erprobungsstufe das Gymnasium über den Verbleib des Kindes entscheide: „Wir raten dann dringend dazu, das Ganze noch mal zu überschlafen.“ In den meisten Fällen setze sich dann die Einsicht durch. „Wir selber nehmen die Gutachten der Grundschulen sehr ernst und raten auch den Eltern immer dazu“, betont von Tettau: „Da gibt’s sehr ausdifferenzierte Bewertungssysteme und sehr zutreffende Einschätzungen.“
Dennoch: Fehlprognosen kommen vor. Manches Kind mit Gymnasialempfehlung tut sich dort unerwartet schwer. „Pro 30er-Klasse sind’s im Schnitt zwei Kinder, die am Ende der Klasse 6 nicht versetzt werden“, erzählt von Tettau. Zu 90 Prozent wechselten sie dann zur Realschule.
Zu frühe Weichenstellung?
Auch in der Gegenrichtung funktioniere der Schulwechsel, allerdings besser nicht erst nach Klasse 6: „Wenn die Schüler erst zur 7. Klasse zu uns kämen, müssten sie ja ein komplettes Jahr Latein oder Französisch aufholen. Das funktioniert nicht“, sagt von Tettau. Die Erfahrungen mit den Kindern, die nach der fünften Realschulklasse ans „Bertha“ wechselten, seien bislang sehr gut: „Die Erfolge sind bis jetzt 100 Prozent. Das zeigt, dass die Realschulen sehr sorgfältig entscheiden.“
Apropos Entscheidung – Eltern diese wichtige Weichenstellung für ihre Kinder schon nach Klasse 4 abzuverlangen, findet von Tettau grundsätzlich überdenkenswert: „Das erschlägt viele Eltern. Ich würde mir gemeinsames Lernen bis Klasse 9 wünschen. Dann sieht man die Entwicklung der Interessen und Talente schon sehr viel klarer.“