Essen. . Schulen dürfen nun auf Noten bis zum Ende der dritten Klasse verzichten. Die Elternschaft ist über die neue Regelung ist gespalten. Viele Zweitklässler werden allerdings bereits im Sommer mit einem Zeugnis ohne Noten nach Hause kommen, glaubt die GEW.

Mit Lob und Zufriedenheit reagieren Verbände, Experten und Gewerkschaften auf die Liberalisierung der Notenvergabe an nordrhein-westfälischen Grundschulen. Bei der Elternschaft zeichnet sich eine gespaltene Haltung zur Neurregelung ab, nach der Schulen künftig per Schulkonferenz selbst entscheiden, ob sie in den ersten drei Schuljahren Noten erteilen oder ob ein Berichtszeugnis ausreicht.

Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Nordrhein-Westfalen, freut sich über die Stärkung der Eigenverantwortung an den Schulen. „Noten können keine Auskunft über Lernfortschritte geben“, sagt der Chef der Lehrergewerkschaft. Auch eine Zwei auf dem Zeugnis sei kein Garant dafür, dass alles glatte laufe: „Warum die Leistung gut, aber nicht sehr gut ist, wird nicht erklärt“.

Individueller Unterricht braucht eine individuelle Beurteilung

Rixa Borns, Grundschulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hat sehnsüchtig auf die Neuregelung gewartet. „Als 2006 die verbindliche Notengebung ab Klasse 2 eingeführt wurde, war das Unverständnis der Lehrerschaft groß“, sagt die Leiterin einer Grundschule in Münster. „Die Lehrerinnen befürchteten, dass der Druck auf die Kinde noch früher einsetzt“.

Mit Recht, resümiert sie heute. „Die Eltern fragen mitunter schon in der ersten Klasse, welche Note ich denn dem Kind geben würde“. In den vergangenen Jahren sei in so gut wie jeder Personalversammlung im Grundschulbereich beantragt worden, die Notengebung abzuschaffen.

Es kommt auch auf die Elterngespräche an

Freiarbeit, individuelle Förderung, jahrgangsübergreifende Projekte: Seit 2006 wird immer öfter der klassische Frontalunterricht von neuen Unterrichtsmethoden abgelöst. Darauf weist Udo Beckmann vom VBE hin. „Der Unterricht wird immer individueller“, sagt er, deshalb bräuchten Lehrer mehr Möglichkeiten als Notenzeugnisse, um Eltern eine qualifizierte Rückmeldung zu geben“. Vor allem aber müssten Eltern mit ins Boot genommen werden, das gehöre zu einem guten, motivierenden Zeugnis dazu.

Beckmann räumt allerdings an, dass der Bruch zur vierten Klasse, in der dann Ziffernnoten endgüligt zur Pflicht werden, hart werden kann – wenn die ersten Noten mit der Empfehlung für die weiterführunden Schule einher geht. Im Prinzip hält er es daher für sinnvoll, in den Grundschulen generell auf ausformulierte Beurteilungen und Elterngespräche zu setzen.

Lehrer müssen motiviert für ausformulierte Zeugenisse sein

Dass Berichtszeugnisse bei der individuellen Beurteilung besser sind, bestätigt der Dortmunder Schulforscher Wilfried Bos und verweist auf mehrere Untersuchungen. „Gut ausformulierte Zeugnisse können genauer individuelle Lernfortschritte dokumentieren“, sagt der Professor und Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund.

Entscheidend für die Qualität der formulierten Zeugnisse sei die Motivation der Lehrer und ihr Konzept der Berurteilung. Gut sei, dass die Schulkonferenz über die Art der Zeugnisseentscheiden könne .

Nur gute Schüler wollen Noten

Die Schulen würden nun schnell reagieren, glaubt Rixa Borns von der GEW. Sie ist sich sicher, dass bereits in diesem Sommer viele Zweitklässler mit einem Zeugnis ohne Noten nach Hause kommen. Die Elternschaft gibt sich durchaus skeptischer. „Die Eltern sind gespalten“, sagt Monika Landgraf, Sprecherin der Dortmunder Grundschuleltern. „Die Hälfte möchte auf jeden Fall Noten, um die Leistung beziffern zu können, die andere Hälfte ist der Meinung, dass eine Note nichts aussagt“.

Diese Haltung der Eltern kennt Rixa Borns und sie kann sie auch nachvollziehen. Ähnlich gehe im übrigen auch den Kindern. „Das hängt ganz davon ab, ob die Noten gut oder schlecht seien.