Düsseldorf. SPD, CDU und Grüne einigen sich auf ein gemeinsames Konzept zur Rettung kleiner Grundschulen: Einzügigkeit ist künftig möglich, die Klassen werden kleiner und die Rektoren entlastet.
Es sind mitunter alarmierende Zahlen, die sich hinter dem glatten Begriff „demografischer Wandel“ verbergen. Seit 2001 schrumpfte die Zahl der Grundschüler in NRW um 140 000 auf 656 000. Knapp jede zehnte Grundschule, vor allem auf dem Land, musste bereits geschlossen werden, weil kaum noch i-Dötze angemeldet wurden. Weitere sind bedroht. Um das Schulsterben zu stoppen, haben SPD, CDU und Grüne ein gemeinsames Konzept vereinbart. Wenn man so will: eine Große Koalition für die Kleinen.
Noch gebe es in jeder der 396 NRW-Kommunen mindestens eine Grundschule, sagte Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) im Landtag. Doch schwindende Nachfrage und der Druck, die letzte Schule vor Ort retten zu wollen, hätten „nicht akzeptable Ungerechtigkeiten“ produziert. „Bislang geht der Erhalt besonders kleiner Klassen und Grundschulen zu Lasten größerer Einheiten auf der anderen Seite“, so Löhrmann. Sie würden bei der Klassenstärke und Lehrerversorgung häufig benachteiligt.
Selbst FDP und Linke übten nur leise Kritik an dem Konzept, das ab dem Schuljahr 2013/14 umgesetzt werden soll. Löhrmann will kleinere Schulen, kleinere Klassen. Außerdem sollen Mini-Schulableger im Nachbarort gegründet werden können, um das seit Jahrzehnten geltende Prinzip „Kurze Beine – kurze Wege“ zu wahren. „Wir wollen die Schule im Dorf lassen“, sagte CDU-Bildungsexperte Thomas Sternberg.
Künftig gilt für Grundschulen nur noch eine Mindestgröße von 92 Kindern. Sie können einzügig, also nur mit einer Klasse pro Jahrgang, geführt werden, während bisher Zweizügigkeit mit mindestens 144 Schülern vorgeschrieben ist. Wenn eine Grundschule die letzte in ihrer Kommune ist, kann sie sogar eigenständig bleiben, wenn sie mindestens 46 Schüler in zwei jahrgangsübergreifenden Klassen unterrichtet.
Außerdem wird die durchschnittliche Klassengröße bis 2015/16 von 24 auf 22,5 Schüler gesenkt. Klassen mit weniger als 15 und mehr als 29 Schülern sollen nicht mehr erlaubt sein. Allerdings hat die Kommune freie Hand, wenn sie etwa im sozialen Brennpunkt die Aufnahmekapazität und damit die Klassenstärke begrenzen will. Neben diesem Sozialindex schlägt die CDU vor, einen Flächenindex für dünn besiedelte Regionen einzubauen. Damit das rot-schwarz-grüne Modell nicht zu Lasten der Qualität geht, braucht NRW 1700 zusätzliche Lehrerstellen. Dabei kann Löhrmann aus dem System schöpfen und auf bestehende Stellen zurückgreifen, die wegen des Schülerrückgangs eigentlich wegfallen müssten. Darüber werden Rektoren an Grundschulen mit mehr „Leitungszeit“ entlastet, um sich besser organisatorischen Aufgaben widmen zu können. Denn derzeit sind an den 3200 Grundschulen in NRW 318 Rektoren-Stellen und 528 Vize-Leitungen unbesetzt.
Der Lehrerverband VBE sieht trotz aller Verbesserungen noch „Luft nach oben“. Der Anteil von Nachhilfeschülern aus der Grundschule, monierte Vorsitzender Udo Beckmann, habe sich in NRW binnen eines Jahres von sechs auf elf Prozent fast verdoppelt.