Oberhausen. . Eltern der Bismarckschule befürchten Lerndefizite, weil ihre Kindern innerhalb von drei Jahren fünf Mal den Klassenlehrer gewechselt haben. Ihr Vorwurf gilt dem Schulministerium. Schulleiter fordert Plansicherheit.
Lara macht die Schule keinen Spaß mehr. Nun ist das bei einer Neunjährigen nichts Ungewöhnliches, Laras Grund aber schon: Seit drei Jahren geht sie zur Bismarckschule, in der Zeit hatte die Grundschülerin fünf verschiedene Klassenlehrer. Seit 2009 wird sie von Vertretungslehrern unterrichtet, ein erneuter Wechsel steht im Sommer an. Die Eltern der Klasse 3b befürchten Lerndefizite und fordern personelle Kontinuität. Schulleiter Helmut Wülfing: „Wir haben eine Lösung gefunden.“
An Grundschulen betreuen Klassenlehrer ihre Schüler in der Regel für mindestens zwei, im Idealfall für vier Jahre. Fällt ein Lehrer aus, schreibt die Schule eine Vertretungsstelle aus, Gelder gibt es dafür aus Düsseldorf. „Die Vertretungsgründe halten oft länger an als die bewilligten Gelder ausreichen“, so Wülfing. Sprich: Die Vertretungslehrer wechseln an andere Schulen, weil ihre befristeten Verträge auslaufen; kommt der erkrankte Lehrer nicht zurück, muss eine neue Vertretung her. „Erschwert wird die Planbarkeit dadurch, dass Vertretungsstellen schlechter bezahlt werden, sich diese Lehrer verständlicherweise nach festen Positionen umsehen. Wir könnten sie mitten im Jahr verlieren.“
Für die Klasse 3b hat das zu allerlei Chaos geführt: Laras erste Klassenlehrerin ging 2009 schneller als erwartet in den Mutterschutz. Weil so kurzfristig keine Vertretung zu finden war - „Der Markt war leer“, so Wülfing - wurden die Erstklässler auf Parallelklassen aufgeteilt, erinnert sich Sofia (9). „Manchmal saßen wir in einer vierten Klasse. Da haben wir gemalt oder eigene Aufgaben bekommen.“
Brief ans Schulministerium
Im Frühjahr 2009 sprangen immer wieder andere Lehrer der Bismarckschule ein, die Personaldecke war oft aber so eng, dass mit weiteren Krankheitsfällen Stunden ausfielen. Zeitweise leitete ein Vertretungslehrer gleich zwei Klassen, darunter auch die 3b von Lara und Sofia. Folge des steten Wechsels: „Wir haben immer wieder von vorne angefangen. Die Lehrer kennen unsere Namen nicht, sie wissen nicht, was wir im Unterricht gemacht haben oder wie sie mit uns umgehen sollen“, sagt Drittklässlerin Cassandra. „Manchmal ist es so laut, dass wir eine Stunde lang gar nichts machen können.“
Stundenpläne würden häufig wechseln, klagen die Eltern der 3b, die Kinder manchmal gar nicht wissen, von wem sie gerade unterrichtet werden. „Zudem hinken sie im Unterrichtsstoff hinterher“, sagt Martina Wilbert-Oelze, Cassandras Mutter.
Im Mai ist den Eltern der Kragen geplatzt: Nach einem Jahr der Kontinuität ist der Vertrag einer weiteren Vertretungslehrerin nicht verlängert worden, die junge Frau sah sich deshalb nach einer festen Anstellung um und verließ die 3b. Die Eltern schrieben einen Brief ans Schulministerium. „Die Perspektiven für Vertretungslehrer sind so schlecht, das muss sich ändern“, sagt Ina Kribus, Laras Mutter. Antwort aus Düsseldorf gab es bisher nicht.
Helmut Wülfing, Leiter der Bismarckschule, kann den Ärger der Eltern verstehen. Seit Mai 2009 haben 23 Lehrkräfte an seiner Schule unterrichtet, zehn gehörten zum Stammkollegium. „Auch für uns ist die Situation nicht optimal.“ 13 Vertretungslehrer, das heißt auch 13 Einarbeitungsphasen. „Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass Vertretungslehrer auch an den Schulen bleiben. Wir brauchen bessere Bezahlungen und langfristigere Lösungen.“
Für die 3b hat Helmut Wülfing zumindest gute Neuigkeiten: Nach der Elternzeit kommt die Klassenlehrerin zurück, die die Klasse im ersten Schuljahr hatte. „Sie kennt die 3b und wird sie ab Sommer übernehmen.“
Mangel verwalten: GEW fordert Systemänderung
In NRW gibt es 2500 Grundschullehrer, die keine feste Anstellung haben. „Dabei ist der Bedarf da, die Städte bekommen aber oft weniger Planstellen zugeschrieben als sie brauchen“, sagt Norbert Müller, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Für 24 Kinder bekomme eine Kommune einen Grundschullehrer zugeschrieben, so Müller. „Haben nun mehrere Schulen weniger als 24 Schüler in ihren Klassen, bekommt die Kommune auch weniger fest angestellte Lehrer als sie braucht. Die Klassen gibt es aber trotzdem.“ Sie würden von sogenannten Springern übernommen, Lehrern, die zu einem festen Vertretungspool gehören und meist verbeamtet sind. „Die Vertreter füllen also notwendige Planstellen.“
Erkranke dann ein Lehrer, gebe es zusätzliche Mittel für weitere Vertreter. „Die werden weniger gut bezahlt und nur befristet angestellt. Das ist das Problem“ - auch an der Bismarckschule. Seine Lösung: „Wir brauchen mehr Planstellen, damit die Verwaltung des Mangels ein Ende hat.“