Oberhausen. Das Kreditdebakel der Stadtparkasse Oberhausen um die Geschäfte mit Sport-Concept dürfte nicht nur interne Auswirkungen haben. Davon zeigte sich Prof. Dr. Stephan Paul, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzierung und Kreditwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum, im Interview überzeugt.

Was bedeutet ein 22-Millionen-Euro-Ausfall für eine Sparkasse von der Größe Oberhausens?

Prof. Dr. Stephan Paul: In bilanzieller Hinsicht kann der Verlust ausgeglichen werden durch die so genannte Sicherheitsrücklage, die in Oberhausen mit gut 100 Millionen Euro dotiert ist. Entscheidender ist aber, dass die Kreditvergabe am Umfang des Eigenkapitals hängt. Und es dürfte sehr, sehr schwer werden, neues Eigenkapital zu beschaffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kommune in der Lage ist, etwas einzulegen. Und auch Gewinne sind in den vergangenen Jahren kaum gemacht worden. Insofern bleibt nur das Zurückfahren des Kreditgeschäfts.

Das bekommen dann die Unternehmen vor Ort zu spüren.

Prof. Dr. Paul: Ja, denn die Sparkasse kann nicht mehr so viel Neugeschäft machen wie ursprünglich geplant. Das betrifft jeden Gewerbetreibenden, jeden Privathaushalt im Einflussbereich der Stadtsparkasse Oberhausen.

Was ist abseits des Kreditgeschäfts mit dem Otto-Normal-Kunden – wird auch er etwas merken?

Prof. Dr. Paul: Der Sparkassenkunde ist ja in der Regel auch Bürger der Kommune. Was die Verteilung von Gewinnen für soziale oder kulturelle Projekte in der Stadt angeht, so wird das natürlich weniger werden nach einem solchen Debakel. Das bekommt man dann mit im Sportverein oder beim Museum. Außerdem kann die Sparkasse noch weniger — wenn überhaupt etwas – an die Kommune abführen. Darunter leiden viele Dinge, der Bürger erlebt das direkt vor seiner Haustür.

Dabei soll die Sparkasse ja eigentlich die „Bürgerbank“ sein. Ist ihre Nähe zum Kunden vielleicht genau das Problem, weil man besonders anfällig ist für Kungeleien?

Prof. Dr. Paul: Dass man vor Ort ist, lokale Informationsvorteile hat, bedeutet immer Chance und Risiko zugleich. Nähe ist gut, kann aber auch schädlich sein. Vielleicht ist man dann zu nachgiebig gegenüber bestimmten Kunden, weil sie Großkunden in der Kommune sind. In manchen Fällen kommt auch politischer Einfluss hinzu.

Gibt es strukturelle Auswege?

Prof. Dr. Paul: So ganz käme man da nur über eine Privatisierung heraus, aber das wäre tödlich für das Geschäftsmodell. Es gibt keinen wirklichen Ausweg, außer dass man versuchen sollte, im Verwaltungsrat mehr Fachwissen und Unabhängigkeit zu installieren.

In der Tat stellt sich auch in Oberhausen mancher die Frage, ob der Verwaltungsrat nicht früher hätte intervenieren müssen. Sind „Hobby-Aufsichtsräte“ mit dieser Aufgabe vielleicht überfordert?

Prof. Dr. Paul: Die Frage ist berechtigt. Bei unseren Schulungen für Verwaltungsräte im genossenschaftlichen Bereich stellen wir immer wieder fest, wie schwierig es für die Mitglieder ist, dieser komplexen Themen Herr zu werden. Wie soll jemand, der einen kleinen Handwerksbetrieb hat, irgendwelche Derivate-Strategien durchdringen? Die wichtige Frage ist auch: Traut man sich in so einer Sitzung, immer wieder nachzufragen? Da gibt man sich ja vielleicht auch eine gewisse Blöße.

Sie plädieren für einen verpflichtenden Anteil von Fachleuten im Verwaltungsrat?

Prof. Dr. Paul: Ja. Zumindest zwei Leute sollten ökonomische Profis sein, die bei Kreditentscheidungen auch mal den Finger heben und die Dinge stärker hinterfragen – also zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Steuerberater.

Sehen Sie weitere Möglichkeiten, die Kontrolle zu verbessern?

Prof. Dr. Paul: Kaum. Wir haben eine sehr stark ausgebaute Bankenaufsicht in Deutschland, auch die hat offenbar von diesen Fällen nichts mitbekommen. Wenn Dinge geschönt werden, kann man das mit noch so vielen Kontrollstrukturen kaum durchdringen. Ich mache mir wenig Hoffnungen, dass man solche Fälle gänzlich vermeiden kann, aber zum Glück passieren davon auch nur wenige – zumindest werden wenige bekannt. Im Großen und Ganzen sind die Ausfallquoten bei den Sparkassen gering.

Leidet unter solchen Fällen das Image der Sparkassen?

Prof. Dr. Paul: Nein, denn eigentlich sind die Sparkassen ja Gewinner der Finanzmarktkrise, weil bei ihnen im Schnitt relativ wenig angebrannt ist. Ich glaube nicht, dass das Image der Sparkasse als Institution leidet.

Das Interview führte Helen Sibum