Oberhausen. Über 100 Millionen Euro fehlen Oberhausen für 2024 – Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) spricht allen Bürgern eine dringende Warnung aus.
Es ist nur eine abstrakte Zahl, dass die Zeiten sich für Oberhausen aber verdüstert haben, wenn es darum geht, das städtische Leben zu gestalten, kann man auf der Zuschauertribüne des teuer sanierten Ratssaals erleben. 104 Millionen Euro fehlen im Haushalt des nächsten Jahres – das sind immerhin zehn Prozent aller für nächstes Jahr geplanten Ausgaben von 1,1 Milliarden Euro, die nicht durch Einnahmen gedeckt sind.
In dieser Lage ist die Realisierung besonderer Wünsche nicht mehr drin. So hat das Hans-Böckler-Berufskolleg noch 2019 einen naturwissenschaftlichen Fachraum für 250.000 Euro erhalten – und 2017 für zwei Millionen Euro einen Evakuierungs-Aufzug für behinderte Schüler. Doch den neuen Wunsch der Schulleitung, einen Raum für 650.000 Euro zu einem echten Fitnessraum mit Fitnessgeräten zu sanieren, lehnt der Rat ab. Schüler und Lehrer sollten lieber vorhandene freie Zeiten in Turnhallen der Umgebung nutzen.
Keine neue Rathaus-Stelle für Veranstaltungs-Koordination
Und auch wenn die Mehrheit der Ratspolitiker im Gegensatz zur CDU und AfD glaubt, man müsse Kulturveranstaltungen im Stadtgebiet im Rathaus irgendwie besser koordinieren, damit sich diese nicht an einigen Wochenenden extrem ballen und an anderen kein Konzert zu finden ist, dann beteuern sogar die Befürworter, man wolle dafür keine neue Stelle schaffen.
Schließlich beschäftigt die Stadt inklusive Feuerwehrleuten und Erzieherinnen bereits über 3000 Menschen – ein Kostenblock von jährlich knapp 230 Millionen Euro, ein Anstieg von über 40 Prozent innerhalb von sechs Jahren. Als bei diesem Thema die SPD von einer „derzeitigen finanziellen Bredouille“ spricht, schüttelt CDU-Ratsfraktionschefin Simone-Tatjana Stehr nur mit dem Kopf – und findet das angesichts eines 100-Millionen-Euro-Finanzlochs äußerst verharmlosend.
Nein, in nur einer kleinen Verlegenheit oder Bedrängnis, so die genaue Übersetzung des Begriffs, steckt Oberhausen nicht. Die Rede von Kämmerer Apostolos Tsalastras (SPD) zur Einbringung seines Haushaltsplans für 2024 im Rat, über den die Politiker nun wochenlang beraten, ist durchsetzt von Begriffen wie „problematisch“, „dramatisch“, „katastrophal“.
Mit dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ des Landes NRW, eine Mischung aus höheren Zuschüssen und Sparanstrengungen armer Städte, mühte sich Tsalastras seit über einer Dekade ab – mit dem Erfolg mehrerer Jahre ordentlicher Haushalte, bei denen sich Einnahmen und Ausgaben in der Waage hielten, und sogar Schulden abgebaut werden konnten. Doch nun haben die Mehrfach-Krisen und die nach seiner Meinung zu geringe Unterstützung von Bund und Land alles zunichtegemacht: „Wir sind wieder da angekommen, wo wir vor dem Stärkungspakt schon einmal waren.“
Oberbürgermeister Daniel Schranz: Neue Belastungen, aber zu geringe finanzielle Entlastung
Also alles vergeblich? Oberbürgermeister Daniel Schranz (sein Leitspruch „Optimismus ist Pflicht“ von Karl Popper) stimmt zwar die Öffentlichkeit in seiner Haushaltsrede auf „finanziell schwierigere Zeiten“ ein und zeigt sich von der Kommunalpolitik des Landes und des Bundes angesichts der Stapelkrisen, für die die Städte nichts können, enttäuscht: „Wir brauchen eine grundlegende strukturelle Verbesserung der kommunalen Finanzsituation. Wir werden immer wieder mit neuen Belastungen konfrontiert, ohne eine ausreichende finanzielle Entlastung zu erhalten – das ist weder sachgerecht noch fair.“
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Doch Zuversicht dominiert die Rede des Christdemokraten, er zählt eine Reihe von Erfolgen auf, die die Stadt Oberhausen nach seiner Ansicht in den vergangenen Jahren erreicht hat. Denn er befürchtet angesichts notwendiger neuer Sparpakete eine tiefe Depression der Bürger: „Wir dürfen auf gar keinen Fall in alte Reflexe zurückfallen. Nicht nur ich habe sie in Erinnerung – diese Zustände von Lethargie und Lähmung, die es in Oberhausen früher gab. Die dürfen und die wollen wir nicht wieder zulassen. Und das müssen wir auch nicht, denn wir schaffen ja trotz finanzieller Einschränkungen noch vieles!“
Tatsächlich verschwinden die 1000 Millionen Euro, davon über 100 Millionen an Investitionen, die Oberhausen allein in diesem Jahr ausgibt, nicht in irgendein Erdloch, sondern mit dem Geld wird so einiges geschaffen. Worauf ist also der Oberbürgermeister stolz?
Erstens Arbeitsplätze: „In den vergangenen sechs Jahren ist es gelungen, mehr als 6200 neue Jobs in Oberhausen anzusiedeln. Im vergangenen Jahr haben wir zum ersten Mal seit den 1980er Jahren in Oberhausen wieder die Schallmauer von mehr als 70.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen durchbrochen.“
Zweitens Neuansiedlungen: „Bei den Ansiedlungen der vergangenen Jahre rund um Edeka und Segro dürfen wir zurecht von wertschöpfender Logistik sprechen, denn hier kommen auf einen entwickelten Hektar Fläche überdurchschnittliche 60 Arbeitsplätze, zusammen sind das bis zu 3000.“ Der Online-Supermarkt Picnic investiere über 150 Millionen Euro – und suche für das Lager 1000 neue Beschäftigte.
Drittens Bildung: Den Sanierungsstau an Oberhausener Schulen und die zu geringe Zahl an Kitas behebt Oberhausen seit einigen Jahren. „Der größte Teil unserer Investitionen fließt in Oberhausens Bildungslandschaft. 2020, 2021 und 2022 investierten wir insgesamt 107 Millionen Euro in Schulen und Kindertageseinrichtungen.“ 36 Millionen sind es 2023, 46 Millionen Euro sind für 2024 geplant. „Die Ausstattung unserer Schulen mit mehr als 300 digitalen Tafeln und mehreren Hundert Beamern bedeutet, dass jetzt alle Klassenräume über digitale Anzeigen verfügen.“
Viertens Sicherheit: Damit im medizinischen Notfall die Rettungswagen der Oberhausener Feuerwehr innerhalb von acht Minuten schneller beim Patienten sind, baute und baut die Stadt für drei Millionen Euro die Rettungswachen Nord und Süd.
Fünftens Sport: Für kostenlose Freiluft-Sportanlagen mit Trimmgeräten wurden allein in diesem Jahr fünf Millionen Euro spendiert – die Kletterinsel Lindnerstraße, die Sportanlage Schmachtendorf, der Emscher-Bewegungspark Holten, die beiden Outdoor-Fitness-Anlagen in Sterkrade und in Lirich, die Bewegungsinsel in Osterfeld am Volksgartenweg, die fünf Kilometer beleuchtete Laufstrecke am Rhein-Herne-Kanal.
Sechstens Stadtteilzentren:20 Millionen für das größte städtische Bauprojekt – Jugendzentrum, Bibliothek und Veranstaltungssaal an der Gesamtschule Osterfeld; 5,5 Millionen Euro für die Sanierung des Revierparks Vonderort; 2,3 Millionen Euro für den Kleinen Markt in Sterkrade, über 7 Millionen Euro geplant für den Umbau der Marktstraße und Altmarkt.
Und so zieht Oberbürgermeister Daniel Schranz das Fazit: „Der Wind kommt von vorne und er wird stärker. Um so wichtiger ist, dass wir den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken. Wir managen Krisen gut, wir haben gemeinsam vieles bereits erreicht und wir können gemeinsam noch mehr erreichen.“