Oberhausen. . Ein Hauch Science-Fiction, ein wenig Antarktis und endlose Wegstrecken über Bänder: Ein exklusiver Blick ins Edeka-Zentrallager in Oberhausen.

Im September 2021 hat Edeka Rhein-Ruhr das gewaltige Zentrallager an der Waldteichstraße in Oberhausen nach knapp zwei Jahren Bauzeit eröffnet - aber streng genommen ist die Anlage mit 86.200 Quadratmetern Lagerfläche erst jetzt komplett angekommen.

Nach dem Umzug von Moers in den Norden der Stadt hat das Supermarkt-Unternehmen beim schrittweisen Aufbau mit Tiefkühlhalle, Frischebereich und Trockenwaren seit diesem November die volle Leistungsfähigkeit erreicht. Alle technischen Anlagen sind hochgefahren. Kurz: Der Regelbetrieb hat begonnen.

Für viele Bürger ist das Logistikzentrum mit den häufig ein- und ausfahrenden Lkw hinter hohen Mauern wenig greifbar. Doch was passiert im Inneren, damit Kaffeepulver, Milchtüte oder die Flasche Rotkäppchen-Sekt in den Supermarkt um die Ecke gelangen? Wir durften im Edeka-Zentrallager bei der Arbeit zuschauen.

Edeka: Im Großlager in Oberhausen stecken 16.000 verschiedene Artikel

Mit Andy Bertmann begleitet uns der Logistikleiter durch die Stauräume mit 16.000 verschiedenen Artikeln, die beim ersten Betreten nicht enden wollen. Mit Warnweste und schweren Schutzkappen für die Schuhe geht es auf eine mehrstündige Visite.

Und wer nun glaubt, so ein Zentrallager ist hauptsächlich ein verschlafener Ort, wo der Staub ansetzet, der täuscht sich: Gefühlt rattern überall Rollbänder, die Chipstüten, Seifen-Packungen und Waschmittel-Kartons transportieren. Und davon sieht man auf der Größe von fast 13 Bundesliga-Spielfeldern wahrlich reichlich.

Andy Bertmann räumt mit einem weit verbreiteten Irrglauben auf. „Wir liefern die Produkte nicht palettenweise, sondern in der Anzahl, die der jeweilige Edeka-Markt benötigt und bestellt.“ Soll heißen, was der Artikel-Hersteller in Großeinheiten anliefert, wird erst einmal auseinandergenommen und erfasst, um dem Händler passgenaue Bestellungen zusammenzustellen.

„Die Verpackungseinheit heißt hier Kolli“, sagt Bertmann und deutet aufs Rollband. Diese Kleineinheit kann ein Kartontablett mit Joghurt sein. Oder eine Kistenreihe mit Weinflaschen. Vorteil: Der Markt vor Ort muss nicht über dem geplanten Bedarf bestellen. Knapp 35 Millionen dieser Kolli lieferte das Zentrallager in Oberhausen im halben Startjahr 2021 schon aus. Knapp 113 Millionen sollen es in einem kompletten Kalenderjahr werden.

Edeka: Sensoren übermitteln Befehle für Pack-Reihenfolge

Da natürlich nicht jede im Zentrallager eintreffende Menge sofort wieder auf die Reise geht, gibt es Hochregallager. Und steht man davor, erinnert die voluminöse Halle doch sehr an futuristische Science-Fiction-Streifen.

Die Regale türmen sich bis unter das Dach. Mechanische Transportlifte fahren bis in die höchsten Ebenen und holen programmiert die Waren aufs Rollband. „Das sind immerhin 32 Meter Höhe“, konkretisiert Andy Bertmann mit dem Blick auf den höchsten Punkt der Regalhalle. Also ein Viertel Gasometer.

Die Rollbänder wirken wie Autobahnen. Auf denen Waren abbiegen. Schleusen durchlaufen. Automatisch gedreht und gewendet werden. Woher weiß die Maschine, was sie gerade machen muss? Dafür sorgen Sensoren, die an den Rändern der Rollbahnstrecken verbaut sind.

Warum das Ganze? Bestellt ein Markt zum Beispiel Dosenerbsen und Haarshampoo, kann es sein, dass die Haarpflege zuerst in der übereinander gestapelten Transport-Box zum Supermarkt verpackt wird.

Das hat nicht nur etwas mit der Stabilität der Artikel zu tun: „Wir verschicken die Waren in der Reihenfolge, in der sie im Markt später einsortiert werden.“ Wenn der Markthändler seinen Rollwagen mit Waren in die Regale räumt, soll er nicht ständig zwischen den Gängen wechseln müssen. Klingt logisch!

Edeka: Zentrallager kostete 200 Millionen Euro - 90 Millionen für Technik

200 Millionen Euro hat Edeka Rhein-Ruhr in Oberhausen investiert, davon 90 Millionen in die Technik. Die „Order Picking Machinery“ kann mit ihrer vollautomatischen Kommissionierung pro Tag rund 186.000 Kolli zusammenstellen. Das Verfahren „Cimcorp“ ordnet bei Obst und Gemüse fast 42.000 Kisten pro Tag.

Und bei der manuellen Zusammenstellung der Händlerbestellungen „Pick by Voice“ werden die Aufträge der Edeka-Kaufleute in Sprachbefehle umgewandelt, die der Kommissionierer mit seinem Kopfhörer-Headset bearbeitet. Hier soll es keine Sprachbarrieren geben. Die Befehle sind individuell anpassbar.

Gerade beim Transport der schweren Artikel läuft vieles automatisch. Doch im Großlager sind momentan 850 Mitarbeiter beschäftigt. Die Zahl möchte das Unternehmen auf 1000 steigern. Vier Berufe, wie Fachkraft für Lagerlogistik, werden derzeit ausgebildet.

Das Zentrallager ist 16 Stunden pro Tag in zwei Schichten im Einsatz. Hier arbeiten Menschen in 33 Berufsfeldern - von Facharbeitern, die automatisierte Prozesse überwachen, bis zu Staplerfahrern, die Lieferungen an die Rampen bringen. An 205 Andocktoren werden Lkw beladen, die wiederum die Produkte zu den Edeka-Händlern transportieren. Das wirkt wie eine Koffer-Parade vor einem Reisebus.

Der Wagen mit den Bestellungen wird vor der Fahrt zum Händler mit Folie umwickelt, damit die Artikel nicht beschädigt werden und unterwegs nicht herunterfallen. Auch das geschieht per Roboter, erinnert an eigene Küchenhandgriffe und sieht in der Dimension erstaunlich aus.

Edeka: Tiefkühlhalle mit Minus 23 Grad - Photovoltaikanlage geplant

Tatsächlich ist es der kniffligste Moment der gesamten Abfertigung. Eine verrutschte Ware kann hier eine ziemliche Sauerei verursachen, wenn etwa Safttüten aus dem automatisch angehobenen Wagen fallen würden. Das, so versichern die Betreiber, komme aber sehr selten vor.

Gut verpackt müssen nicht nur die Waren sein, sondern auch die Mitarbeiter, die im Tiefkühllager arbeiten. Wir wagen uns hinein: Die 8000 Quadratmeter große Halle ist auf Minus 23 Grad heruntergekühlt. Hier lagern Tiefkühlpizza, gefrorene Sahnetorten und Speiseeis.

Und ja. Es hat schon etwas von der Klein-Antarktis in Oberhausen: Die Mitarbeiter fahren mit Spezialkleidung und dicken Jacken, Gesichtswärmern und Handschuhen auf den Staplern zu eisigen Regalen - sind aber offensichtlich bester Laune. Die Arbeitsweise unterscheidet sich vom normalen Betrieb. So sind alle 90 Minuten Pausen vorgeschrieben. Wo spürt man die Minus 23 Grad selbst bei einem Kurzbesuch? In der Nase, die sich sofort schockgefrostet anfühlt.

Zum Heizen und Kühlen betreibt Edeka wiederum ein eigenes Blockheizkraftwerk, das zu großen Teilen die Wärme nutzt, die in den Hallen entsteht. Edeka möchte den Standort weiterentwickeln: „Eine Photovoltaikanlage ist in Planung.“

>>> Edeka Rhein-Ruhr beliefert 500 Kaufleute in der Region

Edeka Rhein-Ruhr beliefert 500 selbstständige Kaufleute und dadurch 700 Märkte. Dies geschieht von sechs Logistik-Standorten aus. Einer davon befindet sich Oberhausen, andere in Hamm oder Meckenheim. Auch der zum Edeka-Konzern gehörende Getränkehändler Trinkgut wird von ausgesuchten Hallen aus beliefert.

Das Zentrallager in Moers ist nach Oberhausen umgezogen - und wurde am unteren Niederrhein im Juli 2022 geschlossen. Das Unternehmen möchte nach eigenen Angaben durch die neue Lager-Marktzuordnung pro Jahr rund drei Millionen Lkw-Kilometer einsparen.