Oberhausen. Oberhausener Ratspolitiker haben offenbar den Eindruck, dass die Stadtoberen nicht energisch Projekte vorantreiben – und verlangen Antworten.
Nach drei Jahren Pandemie ziehen die gewählten Oberhausener Lokalpolitiker im Stadtrat die Samthandschuhe aus – und nehmen die Arbeit der Stadtverwaltung ins Visier. Sie fragen intensiv nach, was aus früheren Entscheidungen des Rates geworden ist – und verlangen Rede und Antwort zu Themen, die die Bürger bewegen.
So legt die 19-köpfige CDU-Ratsfraktion die Finger in die Wunde, wenn sie Anfang Februar kritisiert, dass die Stadtspitze seit Januar 2018, also seit fünf Jahren, an dem Plan herumbastelt, die städtische Musikschule aus dem wenig attraktiven Gewerbegebiet Lipperfeld ins alte Sterkrader Rathaus umziehen zu lassen. Bisher ohne erkennbaren Erfolg. CDU-Fraktionschefin Simone-Tatjana Stehr macht Druck – auch wenn der oberste Chef des Rathauses, Daniel Schranz, der gleichen Partei angehört: „Wir erwarten nun endlich detaillierte Planungen und eine zügige Umsetzung.“ Und prompt passiert was: Im Laufe der Woche will Kulturdezernent Apostolos Tsalastras (SPD) konkrete Pläne vorlegen.
Das Management der Stadt, Fördermittel von Land und Bund hereinzuholen, greift die Vorsitzende der 19-köpfigen Ratsfraktion der SPD, Sonja Bongers, an: „Andere Kommunen sind da besser aufgestellt als wir. Eine Stadt, die so auf Fördergelder angewiesen ist wie Oberhausen, darf sich solche Summen einfach nicht entgehen lassen.“ Kurz zuvor war durch einen Bericht dieser Redaktion bekanntgeworden, dass die Stadt über 700.000 Euro aus dem „NRW-Sofortprogramm Innenstädte“ liegengelassen hat.
Ist das Rathaus-Motto „Gelesen, gelacht, gelocht und abgeheftet“?
Schon bei den mangelnden Fortschritten des Programms „Brückenschlag“, das die Verbindung zwischen Industriemuseum, Bero-Zentrum und Oberhausener Innenstadt verbessern soll, ließ die SPD nicht locker. sprach sogar von „Verwaltungsversagen“. Und auch die vom Rat gewünschte Prüfung, das Europahaus in der City durch die Stadt kaufen zu lassen, wurde vom Rathaus geflissentlich übersehen – offenbar nach dem Motto „Gelesen, gelacht, gelocht und abgeheftet“. Jedenfalls ließ die Stadtspitze die Frist verstreichen, in der sie ihr Vorkaufsrecht ausüben konnte.
SPD-Planungspolitiker Ulrich Real wirft den obersten Stadtstrategen indirekt vor, zu wenige Konzepte vorbereitet zu haben – und belegt die Stadtbediensteten: „Eine wichtige Basis für das gezielte Abrufen von Fördergeldern ist auch das Vorhandensein von Konzepten.“
Dass die Stadtverwaltung Beschlüsse des obersten Gremiums aller Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen aussitzt, ignoriert oder diese sehr langsam bearbeitet, beobachten nicht nur die Grünen mit wachsendem Ärger. Sechs Jahre lang wurden die Grünen von der Stadtspitze und anderen Ratspolitikern bei Vorstößen zu umweltfreundlicherem Verkehr im Stadtgebiet hingehalten – man müsse auf das Mobilitätskonzept warten, hieß es. Doch dann verkündete der neue Planungsdezernent Thomas Palotz überraschend, auf das ganze Konzept verzichten zu können: „Wir wissen ja, was zu tun ist.“
Im nächsten Umweltausschuss fragt die achtköpfige Fraktion der Grünen nach den Ergebnissen der im September 2018 vom Rat beschlossenen „Entsiegelungsoffensive“. Die Politik wünschte, dass die Fachleute der Stadtverwaltung prüfen lassen, „wo im Stadtgebiet versiegelte Flächen vorhanden sind, die nach ihrer heutigen Verwendung keiner Versiegelung mehr bedürfen“. Der Sinn liegt auf der Hand. Man könnte nämlich diese Flächen entsiegeln und wieder der Natur zuführen – in der zweitdicht besiedelten Stadt des Ruhrgebiets eine durchaus sinnvolle Maßnahme. Bloß: Seit diesem Beschluss hat man von der Offensive nichts mehr gehört.
Den aufmerksamen Vertretern der SPD-Fraktion ist auch noch aufgefallen, dass man seit 2015 immer wieder mal davon redet, ein flächendeckendes und kostenloses WLAN-Netz in den Oberhausener Innenstädten zu etablieren – doch „geschehen ist seitdem herzlich wenig“ (SPD-Ratsherr Maximilian Janetzki). Seitdem sind die Nachbarstädte bei diesem Service für Einwohner und Besucher an Oberhausen vorbeigezogen. Und auch auf die praktische Umsetzung des Beschlusses, dass Autofahrer ihr Parkticket mit ihrem Handy bezahlen können, warten die Oberhausener vergeblich: Bereits im März 2018 hatte der Rat entschieden, das Handybezahl-System einzuführen – ohne Wirkung im Alltag.
Und auch die FDP setzt die Rathaus-Verwaltung unter Druck. Der starke Stellenaufbau der vergangenen Jahre, von 2240 Beschäftigten im Jahre 2011 auf knapp 3000 Ende des vergangenen Jahres, ist den Liberalen schon seit langem ein Dorn im Auge. Erst recht aber die Leistungen der Oberhausener Stadtbediensteten: lange Wartezeiten für Reisepässe, dreckige Straßen, mangelnde Pflege öffentlichen Eigentums. Die FDP hat eine „unfassbare Ineffizienz“ ausgemacht – und forderte im Sommer 2022, dass die Stadtverwaltung auf mehr Digitalisierung setzen muss. Schon seit längerem schlagen die Liberalen hier ein „One-Stop-Shop“-System vor – ohne Erfolg.
An diesen Beispielen kann man eine politische Trendwende in Oberhausen erkennen: Die gemütliche Zeit, als in Oberhausen über Jahrzehnte die Mehrheit der Ratspolitiker und die Stadtverwaltung vor allem bestrebt waren, nach außen viel Harmonie scheinen zu lassen, und die Dinge lieber intern abklärten, ist Geschichte. Die ehrenamtlich tätigen Politiker lassen es sich nicht mehr gefallen, wenn Stadtbedienstete ihre Beschlüsse freundlich entgegennehmen, aber diese nur abheften. Jetzt wird nachgehakt – so stark wie nie zuvor.