Oberhausen. In der nächsten Woche, am Montag, nimmt der neue Rat in Oberhausen seine Arbeit auf. Doch wie wird eigentlich der Wille der Wähler umgesetzt?
„Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“, „die Politiker machen sich doch nur die Taschen voll“, „da kann man als Bürger ja nichts machen“ – wie oft hört man an Stammtischen, im Bekannten- und Familienkreis solche Parolen. Doch sie entsprechen nicht der Realität – vor allem nicht in der Lokalpolitik. Wer sich selbst engagiert, kann mit Hilfe des Rates durchaus eine Menge erreichen.
Schließlich ist der Rat nach der NRW-Gemeindeordnung grundsätzlich für alle Angelegenheiten des Stadtlebens zuständig – und entscheidet als Gremium stellvertretend für alle Bewohner einer Stadt. Doch wie arbeitet so ein Rat, wie findet er seine Beschlüsse? Hier ein paar grundsätzliche Informationen, wie ein Stadtrat vorgeht – am Beispiel von Oberhausen.
Was ist eigentlich der Rat?
Wenn man Juristen fragt, dann betonen sie immer, dass der Rat eigentlich kein richtiges Parlament ist, weil er keine Gesetze beschließen kann wie Landtage oder der Bundestag. Der Stadtrat ist rechtlich ein Verwaltungsorgan. Gleichwohl gibt es Koalitionen, es gibt Koalitionsverträge mit den wichtigsten vereinbarten Zielen der nächsten fünf Jahre, es gibt eine Opposition.
Die vornehmsten Aufgaben des Stadtrates: Für alle Bürger Entscheidungen zu fällen und die Stadtverwaltung zu kontrollieren. In Oberhausen besteht der Stadtrat aus 58 Ratsmitgliedern – der Oberbürgermeister ist neben seiner Aufgabe als Chef der Stadtverwaltung qua Amt Vorsitzender des Rates und kann bei vielen Themen seine Stimme einsetzen, die bei Pattsituationen entscheidend sein kann.
Welche Aufgabe haben die Stadtverordneten?
Die 58 Ratspolitiker, offiziell Stadtverordnete genannt, haben keine einfachen Aufgaben: Schwierige Inhalte verstehen, Beschlüsse ausreichend vorbereiten, Entscheidungen mit einfacher Mehrheit (Stimmenenthaltungen und ungültige Stimmen zählen nicht mit) in der Regel per Handzeichen absegnen, wichtige Personalentscheidungen treffen (Wahl der Beigeordneten an der Rathaus-Spitze) – und die kritische Beobachtung der Arbeit von 2500 städtischen Beschäftigen in Oberhausen.
Ratspolitiker können Akteneinsicht einfordern
Jedem Ratsmitglied ist vom Oberbürgermeister nach Angaben der Stadt Oberhausen Akteneinsicht zu gewähren, sofern die Akten der Vorbereitung oder der Kontrolle von Beschlüssen des Rates oder des Ausschusses dienen. Die Akteneinsicht darf dem Ratsmitglied nur verweigert werden, soweit ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen.
Diese einschränkenden Voraussetzungen gelten dem Wortlaut der Gemeindeordnung nach nicht, wenn eine Fraktion oder ein Fünftel der Ratsmitglieder oder gar der Rat als Ganzes die Akteneinsicht begehrt. Darüber hinaus erhält der Rat im Ratsinformationssystem Allris Berichte des Rathauses über den Umsetzungsstand der Beschlüsse, die für eine Beschlussverfolgung vorgesehen sind. In Allris sind für alle Bürger auch Beschlussvorlagen, Protokolle und Entscheidungen einsehbar.
Vor allem aber müssen sie sich um die Probleme der Bürger in ihren jeweiligen Stadtvierteln kümmern. Die Ratspolitiker sind Vertreter der gesamten Bürgerschaft und nur verpflichtet, ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln. Sie sind deshalb nicht an Aufträge gebunden.
Wie viel verdienen Ratspolitiker?
Im Unterschied zu Abgeordneten arbeiten Ratsmitglieder ehrenamtlich. Sie erhalten allerdings eine Aufwandsentschädigung (412,30 Euro im Monat plus 21,20 Euro je Sitzung) . Die Fraktionschefs der großen Fraktionen bekommen zusätzlich rund 1500 Euro im Monat, die beiden Fraktionsvize je 750 Euro – weil sie noch mehr Aufgaben zu schultern haben als normale Stadtverordnete. Um deren Arbeit überhaupt möglich zu machen, spendiert die Stadt aus ihrem Haushalt den Fraktionen und Gruppen Geld für Personal- und Sachkosten. So hat die SPD-Fraktion im alten Stadtrat über 361.000 Euro für ihre Personal- und Sachkosten im vergangenen Jahr gehabt – und als geldwerte Leistungen knapp 38.000 Euro für Räume, Telefon und Nebenkosten. Bei der CDU-Fraktion waren es über 318.000 Euro und knapp 25.000 Euro. Gruppen (weniger als drei Ratsleute) bekommen immer noch recht viel Geld, damit sie ihre Aufgaben erledigen können: So erhielt die zweiköpfige FDP 2019 rund 127.000 Euro, der geldwerte Raumvorteil betrug 8700 Euro.
Wie setzt sich der Rat zusammen?
Wenn man sich mit den Spielregeln der Demokratie beschäftigt, kann man manchmal nur staunen, wie intelligent die Urväter die Basis für möglichst gute Entscheidungen gelegt haben. Denn einerseits muss ja der Rat in seiner Zusammensetzung die Meinung der gesamten Wählerschaft widerspiegeln, wie diese bei der Kommunalwahl ihre Stimmen auf die einzelnen Parteien und Wählergemeinschaften verteilt hat; andererseits will man Menschen im Rat haben, die sich im Stadtgebiet auskennen – und über die Probleme in jedem Stadtviertel Bescheid wissen.
Deshalb ist das Wahlsystem ein zweistufiges Mischsystem – aus Mehrheitswahl und Verhältniswahl. Oberhausen ist in 29 Wahlbezirke unterteilt, in denen viele verschiedene Kandidaten mit Wohnort Oberhausen antreten. Es gewinnt derjenige Kandidat einen Ratssitz, der die Mehrheit der Stimmen in seinem Wahlbezirk auf sich vereint. So ist garantiert, dass jedes Stadtviertel im Rat durch eine Person mit all seinem praktischen Wissen vor Ort repräsentiert wird. 29 weitere Sitze des Stadtrates werden durch die Kandidatenlisten der Parteien und Wählergemeinschaften („Reservelisten“) besetzt.
Wie haben die Bürger bei der Kommunalwahl vom 13. September 2020 entschieden?
Nach dem amtlichen Wahlergebnis kam die CDU auf 32,8 Prozent (19 Sitze), die SPD auf 31,7 Prozent (19 Sitze), Die Grünen auf 14,4 Prozent (8 Sitze), die AfD auf 7,6 Prozent (4 Sitze), Die Linke auf 5,1 Prozent (3 Sitze), die FDP auf 3,0 Prozent (2 Sitze), die BOB auf 2,9 Prozent (2 Sitze) und die OfB auf 1,8 Prozent (1 Sitz) der Stimmen. Alle übrigen Parteien erzielten zu geringe Stimmenanteile für einen Sitz im Rat.
Was sind Fraktionen und Gruppen im Rat?
Innerhalb des Rates können sich die Ratsmitglieder zu Fraktionen (ab drei Stadtverordneten) und Gruppen zusammenschließen. Es handelt sich um freiwillige Vereinigungen, die auf der Grundlage politischer Übereinstimmung zu möglichst gleich gerichtetem Wirken gebildet werden. Auf diese Art und Weise erhöht man die Durchsetzbarkeit bestimmter Themen, wenn man keine absolute Mehrheit (über 50 Prozent der Mandate) hat. Es ist aber auch möglich, nur mit wechselnden Mehrheiten je nach Inhalt zu arbeiten – der Arbeitsaufwand für die Stadtverordneten erhöht sich allerdings durch die dann notwendigen einzelnen Abstimmungsgespräche enorm.
Wie werden Entscheidungen getroffen?
Der Rat ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse werden in Fachausschüssen des Rates vorbereitet – zusammen mit der Stadtverwaltung. Der neue Oberhausener Stadtrat will am Montag zwölf Fachausschüsse bilden mit jeweils 21 Mitgliedern (meist aus der Mitte des Rates). Sogenannte Vorlagen zu Beschlüssen des Rates, oft sehr umfangreich, erarbeitet die Rathaus-Spitze – häufig aus eigenem Antrieb, aber auch nach Auftrag des Rates. Der Fachausschussvorsitzende bespricht mit der Stadtverwaltung, welche Maßnahmen verwaltungseigenes Handeln ohne echte Ratsbeteiligung bleiben dürfen und bei welchen Aktionen der Rat aus politischen Gründen mitbestimmen und entscheiden muss. Grundsätzlich kann der Rat alle Themen an sich ziehen, Berichte der Stadtspitze und von Stadttöchtern einfordern, ja, sogar Akteneinsicht verlangen. Die Fraktionen und Gruppen stellen Anträge zu den Beschlussvorlagen, wenn sie an dem Inhalt Änderungen wünschen.
Wie können einfache Bürger den Rat bewegen, bestimmte Themen anzupacken?
Sieht man Probleme im Stadtleben, die auf politischer oder verwaltungstechnischer Ebene angepackt werden sollten, kann man sich an „seinen“ Stadtverordneten im Wahlbezirk wenden, an die Fraktionen und Gruppen oder direkt an den Oberbürgermeister. Jeder hat sogar das Recht, sich schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat zu wenden (§ 24 Gemeindeordnung) – und diese müssen vom Rat oder einem zuständigen Ausschuss behandelt werden.
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