Oberhausen. Der Oberhausener Theater-Intendant Florian Fiedler legt seine Halbzeit-Bilanz vor – und findet trotz schwacher Besucherzahlen viel Lobenswertes.
Die Tagesordnung des Kulturausschusses hatte nur einen „mündlichen Bericht des Intendanten“ angekündigt. Doch Florian Fiedler verteilte im Rathaus drei randvoll beschriebene Seiten an die Politiker – den Halbzeitbericht seiner fünfjährigen Vertragszeit am Theater Oberhausen. Es war eine mit etlichen Zahlen, Auszeichnungen und lobenden Erwähnungen gespickte Leistungsbilanz – die allerdings um ein Eingeständnis nicht herumkam: „Niemand spielt gerne vor leeren Rängen.“
Denn seit Beginn der Amtszeit des 42-jährigen Intendanten lässt die Auslastung des Theaters zu wünschen übrig: Sie sank im zweiten Halbjahr 2019 auf 53 Prozent. Zum Vergleich: In der Spielzeit 2015/2016 unter Intendant Peter Carp lag die Quote im zweiten Halbjahr 2015 bei 73 Prozent. Schauten im ersten Halbjahr 2019 nur noch 17.750 Besucher im Theater vorbei, so waren es im ersten Halbjahr 2015 noch 25.381. Im Herbst 2019 stellte Theater-Verwaltungsdirektor Jürgen Hennemann zudem fest, dass die Zahl der Abos in dieser Spielzeit um 20 Prozent auf 758 im Vergleich zum Vorjahr gesunken war. Der Zuschuss für das Theater der Stadt betrug 2015/16 rund 8,3 Millionen Euro – und liegt in dieser Spielzeit bei 9,1 Millionen Euro.
Die Erklärung von Florian Fielder für die mageren Besucherzahlen lautet so: „Wir haben dieser Stadt und diesem Theater sehr viele Neuerungen und Veränderungen zugemutet.“ Er benannte auch den deutlichsten Einbruch: Von der jährlichen Weihnachtsproduktion hängt sehr viel für das Theater ab – und „Keloğlan Eulenspiegel“ bewertete Fiedler als „die am schlechtesten besuchte Kindertheater-Inszenierung seit Jahren“. Als Ursache dafür hat Fiedler erstaunlicherweise die Premierenkritik dieser Redaktion ausgemacht, „die auch der schönste Bericht im WDR Fernsehen nicht auffangen kann“.
Jüngste Inszenierungen verheißen „langsames Ankommen“
„Ein Theater ohne Publikum ist irrelevant“, erkannte Fiedler – und sieht dank der letzten Inszenierungen jedoch ein „langsames Ankommen“. So ist „Peer Gynt“, gestaltet als aufwendige Musical-Revue, die seit langem bestbesuchte Premiere. Stolz verwies Fiedler auf die kommende Inszenierung seines früheren Chefs in Hannover: Nach dem hervorragend besprochenen „Das siebte Kreuz“ führt Lars Ole Walburg nun Regie bei „Der Funke Leben“ nach Erich-Maria Remarque.
Die bundesweite mediale Resonanz und die rund anderthalb Millionen Euro eingeworbenen Fördergelder waren ein großes Thema seiner detailreichen Rede – die Fiedler immer schneller sprach, als würde gleich ein Gong seine Redezeit begrenzen: „Und der Preisregen hört nicht auf.“ Er selbst sei dank der Innovationen seines Teams ein gefragter Gesprächspartner auf Fachpodien.
Sanierungsarbeiten gefährdeten Jubiläumsfest
Fiedler schloss mit einem Ausblick auf das Jubiläumsfest zum 100-jährigen Bestehen des Theaters – dessen Termin durch „einiges an Sanierungsarbeiten“ gefährdet schien. Im nichtöffentlichen Teil des Kulturausschusses sollte dann Verwaltungsdirektor Jürgen Hennemann darüber berichten. Das Fest zum 100. steigt nun am 26. September rund um eine große Gala. Mit seinem Vorgänger Peter Carp und mit Regie-Revolutionär Herbert Fritsch habe er bereits gesprochen, so der Intendant. „Wir stöbern in der Geschichte, die dieses Haus in sich trägt.“
Manfred Flore als theatererfahrener SPD-Ratsherr antwortete mit Goethe: „Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Es sei für alle Theater schwer, neues Publikum zu gewinnen – und sich ihm zu widmen, sei „kein Populismus“. Flore fordert: „Wir müssen die Menschen wieder an unser Haus binden.“ Im Jubiläum sieht er eine Chance zur Identitätsstiftung: „Eine Stadt, die nie auf Rosen gebettet war, leistet sich seit hundert Jahren ein Theater.“
„Agentinnen“ fanden schwierige Startbedingungen
Volker Köster von den Linken fragte nach den neuen „Integrationsbeauftragten“ des Theaters – umschiffte aber gerade noch Anklänge an die unsägliche Rassismus-Debatte. Florian Fiedler war in seiner Antwort direkter: „So scheiße wie letztes Jahr wird es nicht wieder laufen.“ Die beiden „Agentinnen“, wie der Intendant sie nannte, haben sich allen Abteilungen des Theaters vorgestellt. „Sie sollen das Haus öffnen – und nicht zuerst Rassismus bekämpfen“, betonte Fiedler. Durch den Vorjahres-Skandal seien es für beide „schwere Startbedingungen“ gewesen. Doch unter den Mitarbeitern seien „Bedenken und Ängste“ inzwischen ausgeräumt.