Oberhausen. „Keloğlan Eulenspiegel“ verbindet staunenswerte Artistik mit Brachialhumor, doch aus närrischen Episoden wird kein Familienstück, das berührt.

„Als das Erzählen noch half“, so heißt es im schönsten Märchenton im Programmblatt zu „Keloğlan Eulenspiegel“. Ja, wenn’s denn eine echte Bühnenerzählung wäre, mit Anfang, Ende und einer ihr Publikum mitnehmenden Folge von anrührenden und komischen Episoden. Stattdessen bleiben es nur Episoden, in denen Ania Michaelis als Autorin und Regisseurin dieser Uraufführung erstmals die beiden anarchischen Clowns aus alter türkischer und deutscher Tradition zusammenführt.

„Du bist Nele, auf die ich zähle“: Till und Nele (Burak Hoffmann und Ronja Oppelt) auf dem Dach des Musikpavillons.
„Du bist Nele, auf die ich zähle“: Till und Nele (Burak Hoffmann und Ronja Oppelt) auf dem Dach des Musikpavillons. © Theater Oberhausen | Katrin Ribbe

Der Duft von Zuckerwatte im Foyer, das Relikt eines prächtigen Bühnenprospekts mit dem abgerissenen Schriftzug „arussell“: es sind Versprechen einer zirzensischen Welt. Und unter diesem Aspekt ist „Keloğlan Eulenspiegel“ in der Tat großartig. Zumal Burak Hoffmann und Ronja Oppelt zeigen hier geradezu artistische Pas de deux – denn wie im Roman von Daniel Kehlmann gibt auch hier eine Nele dem große Töne spuckenden Till (oder „Tyll“) kräftig Contra. Weitere staunenswert choreographierte Szenen zeigen die Handschrift von Alexey Krivega, der aus Rennen, Tanzen oder Knuffen wild verknäuelte Körper-Knoten zu kneten weiß.

Leider wenig Zutrauen in den Zauber der Worte

„Worte sind unsichtbar“, deklamiert der schlaksige Till mit ausgebreiteten Armen von der kleinen Rampe, die zur ersten Zuschauerreihe führt, „Worte sind wunderbar“. Doch leider hat diese Inszenierung gerade in den Zauber der Worte wenig Zutrauen. Da gibt es einzelne Sätze, die sich einen Spaß machen mit umeinander purzelnder Logik. Aber man kann ihnen nicht nachschmecken wie dem Zuckerwattearoma – denn allzu vieles geht unter in lärmendem Durcheinandertönen.

60 Aufführungen und doppelte Besetzung

Die nächsten Wochenendtermine von „Keloğlan Eulenspiegel“ folgen erst im Dezember – und zwar am Sonntag, 1., Samstag, 7., und Sonntag, 8., jeweils um 15 Uhr im Großen Haus. Insgesamt sind 60 Aufführungen angesetzt – und deshalb sind auch fast alle Rollen doppelt besetzt.

Karten für „die wundersamen und märchenhaften Abenteuer zweier Narren“, so der Untertitel, kosten jeweils 8 Euro, ermäßigt 5,50 Euro, 0208 - 8578 184, online theater-oberhausen.de

Schöne und spannende Momente vergibt diese Truppe aus hingebungsvollen Schauspielern und Musikern an ein Getöse chronischer Aufgeregtheit. Sicher ist’s wahr, dass die historischen Texte sowohl von Keloğlan, dem kahlköpfigen Kind, als auch von Till Eulenspiegel kaum mehr zu bieten haben als Brachialhumor – aus heutiger Sicht jedenfalls. Immerhin mildert die Inszenierung diese Szenen des Drohens und Dreschens, des Zankens und Zeterns. Die jüngsten Zuschauer müssen sich hier nicht ängstigen.

Großen Kulissenzauber gibt’s nicht bei diesen Eulenspiegeleien – aber das machen einige zirzensische Schaustücke wett.
Großen Kulissenzauber gibt’s nicht bei diesen Eulenspiegeleien – aber das machen einige zirzensische Schaustücke wett. © Theater Oberhausen | Katrin Ribbe

Doch es wäre – zumal mit diesem vielseitigen Ensemble – soviel mehr möglich gewesen: Ronja Oppelt gibt fahnenschwenkend eine feine Kostprobe als herbe Diseuse. Angela Noack, Clemens Dönicke und Torsten Bauer danken Juchzer im Saal für eine fein-ironische Rhönrad-Nummer. Und dem großen Plüschesel aus der Schießbude wären zum Schluss auch ein paar Verbeugungen und Ovationen zu gönnen gewesen. Wie Keloğlan und die vier schurkischen Pferdehändler, maskiert wie die Panzerknacker aus Entenhausen, ihm mitspielen – und wie sie mit ihm spielen – das war die am anrührendsten ausgespielte Episode dieses halben Dutzends mittelalterlicher Streiche.

Wieder vereint vor dem zerfledderten Musikpavillon

Zum Schluss ruft Angela Noack die überaufgeregte Truppe zur Ordnung: „Spielt mal was total Ordentliches und in Ruhe!“ Barsch befiehlt Clemens Dönicke „runter von meiner schönen Bühne“ – und steht plötzlich allein im Dunkel vor dem Eisernen Vorhang. Kein guter Schluss. Und darum sind am etwas zerfledderten Musikpavillon vor dem blauen Bühnenhimmel doch wieder alle Neune vereint. Ihrem zahlreiche „Juhus“ spendenden Publikum geben sie noch ein Tänzchen als Zugabe.