Oberhausen. Ein düsterer Jahrhundertroman ist bühnenreif: In Oberhausen inszeniert Lars-Ole Warburg Anna Seghers’ „Das siebte Kreuz“. Freitag war Premiere.

Von einer lebensgefährlichen Flucht aus dem KZ, vom Terror der Nazis und vom Mut zur eigenen Meinung erzählte die Anna Seghers in „Das siebte Kreuz“ 1942. Das 400-Seiten-Werk fürs Theater flott zu machen, daran haben sich bislang nicht viele getraut. Lars-Ole Walburg, Chef am Schauspiel Hannover, bringt die dramatische Menschenjagd in Oberhausen auf die Bühne. Er findet starke Bilder für eine zeitlos starke Geschichte, auch wenn nicht alle Ideen zünden.

Das Bühnenbild, erdacht von Maria-Alice Bahra, ist ein Statement: Ein riesiges, gold schimmerndes Hakenkreuz packt den kompletten Raum wie ein Krake. Seine Planken, die am Ende des knapp zweistündigen Spiels mit Dreck, Blut und Tränen beschmiert sind, nutzen die fünf Schauspieler geschickt als Spielfläche. Musiker Martin Engelbach liefert den kommentierenden Soundtrack: von der Gewehrsalve bis zur Kirchenorgel.

Auf, unter und zwischen dem Kreuz erzählt Walburg das Schicksal des Häftlings Georg Heisler, der 1937 mit sechs Mitgefangenen aus dem KZ Westhofen türmt. Verfolgt von der Gestapo und vom tobenden Kommandanten Fahrenberg kämpft sich Heisler Richtung Grenze durch.

Lars-Ole Warburg inszeniert in Oberhausen Anna Seghers’ „Das siebte Kreuz“

Der Regisseur fächert die Story auf wie ein Bilderbuch und bedient sich dabei eines inszenatorischen Tricks, dem er schon bei der Adaption von „Hool“ vertraute. Statt auf eine klare Rollenverteilung zu setzen, teilt sich das Ensemble in permanentem Wechsel alle Figuren. Mal chorisch, mal solo, mal auch nur als Erzähler: Die Szenen werden schnell und mit minimalem, aber effektivem Einsatz von Requisiten erzählt.

Wer gerade der arme Georg ist, lässt sich dabei meist nur erahnen. Eine dauernd getauschte beige Jacke hilft dem Zuschauer bei der Orientierung und lässt ihn leider auch etwas unbeteiligt zurück. Denn wie soll das Schicksal eines Einzelnen zu Herzen gehen, wenn ständig jemand anderes ihn spielt? Vor allem den beiden Frauen im Ensemble (Emilia Reichenbach, Lise Wolle) gelingt es, aus Georgs Blitzauftritten besondere Tiefe zu schälen.

Hinzu kommt eine Idee, die erst lustig, später nur noch langweilig wirkt. Denn ein gewisser Marcel Reich-Ranicki, einst Bewunderer von Seghers’ Roman, kommentiert die Szenen als Kasperl vom Dienst mit rollendem R und dem typischen Zeigefinger. Warum auch immer. Daniel Rothaug trägt schwer daran, die MRR-Parodie halbwegs stilsicher über die Rampe zu bringen.

Termine: 0208 / 8578184