Mülheim. Obwohl junge Menschen aus Mülheim den öffentlichen Nahverkehr in ihrer Stadt am häufigsten nutzen, sind sie dagegen, dass er mit Hilfe von Steuermitteln verbessert wird. Anders sieht es die ältere Generation: Die verlässt sich lieber aufs Auto, befürwortet aber dafür den Einsatz von Steuergeldern.

Manche Ergebnisse des Bürgerbarometers stellen ein Paradoxon dar: Zum Beispiel die Antworten auf die Frage „Soll die Stadt mehr Steuermittel ausgeben, um das Angebot bei Bus und Bahn zu verbessern?“ Hier verneinte insbesondere die jüngste Gruppe im Alter zwischen 14 und 19 Jahren und auch die Befragten zwischen 20 und 29 Jahren zeigten sich sehr skeptisch. Das ist deshalb paradox, weil gerade diese Gruppen den öffentlichen Nahverkehr stark nutzen. Genau anders herum verhält es sich bei jenen ab 60 Jahren. Ältere Menschen scheinen mit der Nutzung von Steuergeldern für einen besseren Nahverkehr völlig einverstanden - jedoch nutzen sie zur Fortbewegung lieber den eigenen Pkw oder gehen zu Fuß.

Dies wiederum geht aus dem Mülheimer Nahverkehrsplan hervor. Dem liegt eine Erhebung zugrunde, die 2013 zeigte, dass 38 Prozent der Befragten bis 18 Jahre und 34 Prozent der unter 30-Jährigen den Großteil ihrer Wege mit Bus und Bahn zurücklegen. Dagegen sind lediglich 13 Prozent der Befragten im Alter zwischen 50 und 65), bzw. 10 Prozent (65 bis 75 Jahre) regelmäßig dort anzutreffen. Erst bei den über 75-Jährigen steigt die Zahl wieder leicht an, auf 22 Prozent.

MVG-Sprecher sieht "ein außergewöhnliches Ergebnis"

Warum aber gerade die, die den Nahverkehr am häufigsten nutzen, dagegen sind, dass die Stadt das Angebot mit Steuergeld weiter ausbaut, geht aus dem Nahverkehrsplan nicht hervor. Sind die Jungen mit dem Angebot zufrieden? Wird eventuell zu wenig für ältere Menschen getan?

Nils Hoffmann, Sprecher der MVG, versucht, die Ergebnisse einzuordnen: „Das ist ein außergewöhnliches Ergebnis“, sagt er zum Bürgerbarometer. Und gleich danach: „Eine ähnliche Befragung in Essen ergäbe eine völlig anderes Ergebnis.“ Also, was nicht sein darf, das nicht sein kann?

Lieber Smartphone als Auto

Hoffmann erkennt Unterschiede zwischen Mülheim und Essen. Das habe damit zu tun, dass die besonders in Unistädten lebendige Jugendkultur neue Arten der Fortbewegung mit sich bringt. Hoffmann: „Da gibt es zum Beispiel Car-Sharing und Bike-Sharing.“ Mehrere Personen teilen sich ein Auto oder Fahrrad, die öffentlichen Fortbewegungsmittel verlören an Bedeutung. Hoffmans Folgerung: „Vielleicht das geringe Interesse der jungen Mülheimer am Ausbau des Nahverkehrsnetzes auch daran, dass wir noch kein großer Hochschulstandort sind.“

Der Pressesprecher ist sich sicher, dass das Ergebnis der Umfrage sich schlagartig ändert, wenn die Hochschule Ruhr-West erst einmal richtig Fahrt aufnimmt. „Dann wird ein sehr hoher Nachfragedruck entstehen“, vermutet Hoffmann. Denn nur wenige junge Menschen besäßen heute noch ein eigenes Auto. „Das Lebensgefühl der jungen Generation ist ein anderes – da wird das Geld lieber in Technologie wie Smartphones investiert. Ein Auto zu besitzen ist zwar schön, aber nicht zwingend notwendig.“

Und, natürlich, dass die ältere Generation den Einsatz von Steuermitteln zur Verbesserung des ÖPNV befürwortet, sieht Nils Hoffmann nicht als Indiz für Unzufriedenheit: Nach den Zahlen der MVG liege Mülheim bei älteren Bürgern in puncto Zufriedenheit über dem Bundesdurchschnitt. Wer diese Zahlen erhoben hat? Die MVG.