Mülheim. Die NRZ hat wieder eine repräsentative Bürgerumfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse zur neuen Verkehrsführung sind eindeutig - negativ. Die Mülheimer kennen die Verkehrsführung. Wie aber ist es für Ortsfremde? Wir haben den Test gemacht: Mit einem aktuellen Navi zur „Ruhrpromenade 1“

Jeder zweite Mülheimer ist verärgert über die eigens an Ruhrbania angepasste Verkehrsführung. Nur jeder Fünfte zeigte sich zufrieden oder sehr zufrieden. Und die Mülheimer kennen ihre Straßen! Was aber ist mit denen, die sie nicht kennen? Wir wollten es wissen und haben uns auf den beschwerlichen Weg gemacht. Ausgerüstet mit Navigationsgerät und der Straßenkenntnis eines ortsfremden Autofahrers hat Redakteur Simon Rahm versucht, Ruhrbania zu finden.

Startpunkt: Die Tiefgaragenausfahrt an der Viktoriastraße. Als Ziel dient die allumworbene Adresse „Ruhrpromenade 1“. Eigentlich ein Katzensprung. „In 50 Metern links abbiegen“, weist das Navi schnurrend an. Gesagt getan, ich biege in den Löwenhof ein, der später in die Bahnstraße übergeht. Die Ruhrpromenade ist zum Greifen nah: 900 Meter und 3 Minuten Fahrtzeit verspricht das Navi. „Bitte in 200 Metern an der Kreuzung geradeaus weiterfahren.“

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Womit das Gerät die erste Schwachstelle der Verkehrsführung enttarnt: Momentan ist es nicht erlaubt, an der Kreuzung Bahnstraße/ Friedrich-Ebert-Straße geradeaus zu fahren. Aufgrund der Ruhrbania-Baumaßnahmen ist die Straße zur Einbahnstraße geworden, zwei blaue Richtungspfeile stellen den ortsfremden Autofahrer vor die Wahl. Rechts oder links – wie würde er wohl entscheiden? Das Bauchgefühl sagt links, also biege ich links ab. Und bekomme die Quittung.

„Wenn möglich, bitte wenden“

In Höhe des Rathauses fordert der elektronische Verkehrsführer: „Wenn möglich, bitte wenden.“ Wer schon einmal dort entlang gefahren ist, weiß: Dieser Bitte kann nicht Folge geleistet werden. Also geht es auf der Friedrich-Ebert-Straße weiter geradeaus, dann irgendwann rechts auf die Schollenstraße. Ortskundige Autofahrer wüssten, dass sie jetzt nur noch parken müssen, um an die Ruhrpromenade zu gelangen. Nicht so der ortsfremde Fahrer: Da die komplette Beschilderung fehlt und auch das Navigationsgerät nicht auf die Straße hinweist, fahre ich weiter und verlasse mich stur auf die Instruktionen aus dem Lautsprecher. „Bitte biegen sie links ab“, heißt es an der Ecke zur Schloßbrücke.

Gesagt, getan. Erst jetzt wird ersichtlich, was das Navigationsgerät vorhat: Es will mich über Leineweberstraße, Dickswall, Tourainer Ring, Parallelstraße und schließlich Eppinghofer Straße wieder auf den richtigen Weg bringen. Quasi wieder an meinem Ausgangspunkt vorbei. Fahrtzeit zu diesem Zeitpunkt: rund 20 Minuten.

Ohne Hilfe von Passanten geht es nicht 

Beim zweiten Versuch beschließe ich an der Kreuzung Bahnstraße/Friedrich-Ebert-Straße – noch immer will das Navi, dass ich dort geradeaus fahre – dem Bauchgefühl in die andere Richtung zu folgen und biege rechts ab. Auch hier ertönt nach wenigen Metern der Hinweis: „Wenn möglich, bitte wenden.“ Und auch hier ist das nicht möglich, also fahre ich links auf die Konrad-Adenauer-Brücke. Das Navigationsgerät berechnet die Route ein weiteres Mal neu. An der ersten Ausfahrt rechts ab, dann sofort wieder rechts, um die Brücke in die Gegenrichtung zu befahren und zumindest der Stadtmitte wieder etwas näher zu sein.

Wieder auf der Friedrich-Ebert-Straße angekommen, gibt es nun keine andere Möglichkeit mehr: Ich frage Passanten: „Die Ruhrpromenade ist gleich da vorne, parken Sie am Besten hier irgendwo“, antwortet ein Mann. „Irgendwo“ ist in diesem Fall die Schollenstraße, hinter dem alten Parkhaus am Kaufhof-Gebäude, weil dort zufällig gerade eine Parkbucht frei war. Fahrtzeit: 40 Minuten.

„Gut parken kann man hier nirgendwo“

Was noch immer verwundert, ist die fehlende Beschilderung. Ist jetzt hier schon Ruhrbania, sprich: die Promenade? Oder erst am Wasser? Viel ist ja hier noch nicht. Nur ein Straßenschild an einer Häuserfassade verrät: „Ruhrpromenade 1“. Ein Mann, der gerade seinen Hund ausführt, kommt vorbei und fragt: „Kann ich Ihnen helfen?“

Ich sage, was ja keineswegs unrealistisch wäre: „Ich komme aus Essen und wollte mir mal die Ruhrpromenade ansehen.“ Seine Verwunderung ist spürbar. „Ach, sie meinen die optische Verlängerung der Schloßstraße...“ Damit meint er das steinlastige Bild, dass sich Besuchern bietet, wenn sie an Ruhrbania ankommen. „Ich wohne mein Leben lang in Mülheim“, fährt er fort. „Früher standen hier so viele Bäume, die mussten alle weichen.“ Angeblich, so der Hundebesitzer, wegen Pilzbefalls. „Aber wer kann das schon nachprüfen. Es kommt ja niemand auf die Idee und erstellt ein eigenes Gutachten.“

Unter Protest

Für das Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania wurden am 13. Oktober in den Ostruhranlagen die ersten 18 Bäume gefällt. Darunter waren auch einige (ehemalige) Naturdenkmale. Der niederländische Baumfäller Albert de Kleine aus Arnheim sitzt mit seinem Sohn Maarten (8) auf dem Stamm eines kranken, gefällten Trompetenbaumes, der früher ein Naturdenkmal war. Bild: Timo Günther
Für das Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania wurden am 13. Oktober in den Ostruhranlagen die ersten 18 Bäume gefällt. Darunter waren auch einige (ehemalige) Naturdenkmale. Der niederländische Baumfäller Albert de Kleine aus Arnheim sitzt mit seinem Sohn Maarten (8) auf dem Stamm eines kranken, gefällten Trompetenbaumes, der früher ein Naturdenkmal war. Bild: Timo Günther © WAZ
Hier die Überreste eines gefällten Trompetenbaumes. Im Hintergrund der Rathausturm. Bild: Timo Günther
Hier die Überreste eines gefällten Trompetenbaumes. Im Hintergrund der Rathausturm. Bild: Timo Günther © WAZ
Ein Baumfäller ist mit seiner Kettensäge unterwegs. Bild: Timo Günther
Ein Baumfäller ist mit seiner Kettensäge unterwegs. Bild: Timo Günther © WAZ
Insgesamt bleiben nur 18 der bislang knapp 100 Bäume in den Ostruhranlagen erhalten. Bild: Timo Günther
Insgesamt bleiben nur 18 der bislang knapp 100 Bäume in den Ostruhranlagen erhalten. Bild: Timo Günther © WAZ
Voraussichtlich Mitte 2010 fallen weitere Bäume, wenn das zweite Ruhrbania-Baufeld baureif gemacht wird. Bild: Timo Günther
Voraussichtlich Mitte 2010 fallen weitere Bäume, wenn das zweite Ruhrbania-Baufeld baureif gemacht wird. Bild: Timo Günther © WAZ
Allerdings sollen dann am Ruhrufer im Baugebiet und auf angrenzenden Flächen 70 neue Bäume gepflanzt werden. Bild: Timo Günther
Allerdings sollen dann am Ruhrufer im Baugebiet und auf angrenzenden Flächen 70 neue Bäume gepflanzt werden. Bild: Timo Günther © WAZ
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Doch wir schweifen ab. „Wo kann man denn hier am besten parken“, frage ich ihn. „Gut parken kann man hier nirgendwo“, ist die ernüchternde Antwort. „Wenn Sie Glück haben, hier in der Schollenstraße, aber es ist überall kostenpflichtig. Lange spazieren gehen is’ da nich’.“ Des Rätsels Lösung: Der große Parkplatz an der Konrad-Adenauer-Brücke. Von dort aus heißt es zu Fuß weiter, denn die Ruhrstraße ist Vergangenheit.

„Die ganze Verkehrsführung hier ist Käse"

Ich gebe mich dem Spaziergänger zu erkennen und offenbare meine Mission. „Da haben Sie sich aber was vorgenommen“, lacht er und bestätigt den Eindruck, den die Ergebnisse des Bürgerbarometers nahelegen: „Die ganze Verkehrsführung hier ist Käse. Aber so war das ja schon immer in Mülheim.“

Eine Passantin, die das Gespräch zufällig mitgehört hat, kommt dazu. „Wenn Sie hier parken wollen, müssen Sie eine dieser teuren Wohnungen anmieten“, sagt sie ironisch, „sonst wird’s happig.“ Aber auch das, so die Frau, scheine ja nicht so zu laufen, wie die Verantwortlichen sich das gedacht haben. „Da steht noch viel leer.“ Sie sei heute zum ersten Mal an der Ruhrpromenade und ist erschüttert. „Das sieht aus wie eine Steinwüste. Und dafür wurde soviel Geld ausgegeben.“

15 Minuten Fußweg

Ich beschließe, meinen Plan zu ändern und versuche, vom Hauptbahnhof aus zu Fuß die Ruhrpromenade zu erreichen. Und tatsächlich: Das Unterfangen ist wesentlich einfacher. Einfach nur die Schloßstraße entlang (zumindest bei gutem Wetter gar kein so großes Ärgernis), am Kaufhof vorbei, schon ist man da.

Zwar muss man, sofern man sich nicht auskennt, auch hier noch ein oder zwei Mal nachfragen, aber der Unterschied im Ergebnis ist enorm. Fußweg: 15 Minuten. Ersparnis: Jede Menge Kraftstoff und noch mehr Nerven.