Mülheim.

Olaf Frei muss erklären, was kaum jemandem in Mülheim mehr zu erklären ist. Wieder einmal sieht sich der Sprecher der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) mit Klagen von aufgebrachten Kunden konfrontiert, die eine Häufung von Verspätungen und Totalausfällen bei Bahnen und Bussen anzeigen. Während die MVG noch Antworten zusammensuchen will, brachte deren Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Michels das vermeintliche Problem gestern Abend in nur vier Worten auf den (betonten) Punkt: „Der Krankenstand ist ex-or-bi-tant!“

Der Aufsichtsratsvorsitzende hatte sich nach der jüngsten Berichterstattung über Verspätungen und Ausfälle im Nahverkehr im Hause MVG informiert, mochte öffentlich aber ebenso wenig Zahlen spezifizieren wie die MVG-Presse­stelle. Von dort ließ Sprecher Olaf Frei gestern immerhin verlauten, dass der Betrieb beim Krankenstand in der vergangenen Woche „eine vorübergehende Spitze im zweistelligen Bereich“ zu verschmerzen gehabt habe. Ob nun jeder zehnte Mitarbeiter aus dem Fahrdienst nicht einsatzfähig war oder schon jeder fünfte oder gar vierte, was in der Vergangenheit auch schon der Fall gewesen sein soll, ließ Frei mit seiner Antwort offen. Ein dauerhaftes Problem sei aber nicht festzustellen: „Der Krankenstand ist über den Jahresschnitt gesehen durchschnittlich für die Nahverkehrsbranche und liegt bei ca. 9 %.“

Aushilfen aus anderen Verkehrsverbünden?

125 Bus- und 73 Straßenbahnfahrer beschäftigt die MVG derzeit. Der Personalstamm, so Frei, sei zweifelsohne zu dünn. „Allerdings wirkt die MVG dem entgegen“, verwies er auf die im August gestartete zweimonatige Ausbildung von fünf zukünftigen Straßenbahnfahrern. Fünf weitere starteten Anfang November mit dem Lehrgang. Für Dieter Wiechering, für die SPD Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Mobilität, wäre es bei aktuellem Personalnotstand angebracht, sich auch im Via-Verbund der Städte Essen, Duisburg, Mülheim untereinander mit Personal auszuhelfen. „Da müssen Mittel und Wege gefunden werden, dass es nicht zu so vielen Ausfällen kommt“, sagt er. Warum sollten nicht Mitarbeiter von DVG oder Evag „für ein bis drei Tage einspringen“, wenn’s in Mülheim pressiert? Der Via-Verbund schließe doch auch eine personelle Kooperation ein. „Wir werden da genau hintergucken“, kündigt sein Parteigenosse Rolf Mühlenfeld an, der Mitglied im MVG-Aufsichtsrat ist.

Dessen Vorsitzender Wolfgang Michels will bereits wissen, dass im Via-Verbund auch Duisburg ein ähnlich hoher Krankenstand im DVG-Fahrdienst plagt. Essens Evag habe die Probleme in diesem Ausmaß so nicht. Laut Michels „steht auch die MVG vor einem Rätsel, warum der Krankenstand aktuell so hoch ist“. An der Witterung zuletzt könne es doch eigentlich nicht liegen.

Gesundheitliche Vorbeugung

Auch ein Gesundheitsmanagement gibt es seit Gründung des Via-Verbunds. Im September stehen laut Frei an allen Betriebshöfen Gesundheitstage auf dem Programm – mit gesundheitlicher Aufklärung und Beratung, mit medizinischen Untersuchungen, mit Schnupperangeboten zur Entspannung (etwa autogenes Training oder Yoga) oder zu Sport (Boxen gegen Stress). Man hoffe, damit nachhaltig auch etwas für die Gesundheit der immer älter werdenden Belegschaft zu tun.

Und wer tut aktuell etwas gegen den Ärger der Fahrgäste? MVG-Kunde Dirk Krämer aus Winkhausen berichtete der WAZ, dass er sich im Rahmen des MVG-Pünktlichkeitsversprechens alleine im August schon 15 Mal vom Verkehrsbetrieb den Fahrpreis erstatten lassen hat, weil deren Bahnen oder Busse entweder mindestens zehn Minuten zu spät oder gar nicht an der Haltestelle aufgetaucht sind. „Meine Arbeitskollegen und Bekannten haben ähnliche Erfahrungen in diesem Monat sammeln müssen“, sagt er und wird bestätigt von mehreren WAZ-Lesern, die sich im August entsprechend geärgert haben.

Die MVG will heute ausführlicher Stellung beziehen – und dann auch die Frage beantworten, ob neben dem hohen Krankenstand aktuell auch Probleme mit dem alten Fuhrpark bestehen.