Mülheim. Wenn Klaus Peter Wandelenus, Chef der Mülheimer Verkehrsgesellschaft, in seiner Freizeit mit Bus und Bahn unterwegs ist, sammelt er immer auch Eindrücke für den Beruf. Im Interview spricht er über die Qualität des Nahverkehrs, notwendige Investitionen und den Versuch, mehr Fahrgäste zu gewinnen.

Ein Gespräch mit dem Chef der Mülheimer Verkehrsgesellschaft, Klaus Peter Wandelenus, über Kontrollen, Sanierungen und den Versuch, mehr Fahrgäste zu gewinnen.

Fahren Sie nur Dienstwagen oder auch Bus und Bahn?

Klaus Peter Wandelenus: Ich fahre regelmäßig mit Bus und Bahn, auch in meiner Freizeit, gerade am Wochenende, wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin. Dabei sammle ich meine Eindrücke.

Die Sie notieren und weiterreichen?

Wandelenus: In jedem Fall, und ich sehe und höre eine Menge. Wie sehen die Haltestellen aus? Sind Durchsagen in der Bahn zu verstehen oder gibt es nur ein Gekrächze? Funktionieren die Fahrkarten-Automaten? Ich lege Wert darauf, unser Angebot aus Sicht des Fahrgastes zu erleben. Am Ende sollte Qualität stehen.

Kontrollieren Sie auch, was aus Ihren Eingaben geworden ist?

Wandelenus: Auch das, und wenn ich sehe, dass die kleine Birke an der Haltestelle, die ich vor Wochen angemahnt hatte, immer noch weiter wächst, rappelt es.

Was ist für Sie das wichtigste Qualitätskriterium im öffentlichen Nahverkehr?

Wandelenus: Die Zuverlässigkeit. Wenn ich 20 Minuten warte, und die Bahn kommt dann nicht, und ich muss womöglich weitere 20 Minuten warten, kann ich laufen, dann ist für mich der ÖPNV wertlos. Aber Zuverlässigkeit hängt von vielen Dingen ab, nicht nur davon, ob die Technik funktioniert. Auch ein guter Winterdienst der Städte ist entscheidend für die Zuverlässigkeit.

Haben wir in Mülheim einen zuverlässigen Winterdienst?

Wandelenus: Ich sehe, dass in Essen und Duisburg beim Winterdienst der ÖPNV einen größeren Stellenwert eingeräumt bekommt.

In Mülheim rappelt es oft, wenn Bürger über den ÖPNV, über die MVG sprechen. Defizite bei der Pünktlichkeit, bei der Sauberkeit, mangelnder Service, veraltete Bahnen, stehende Rolltreppen – die Liste ist lang.

Wandelenus: Ich weiß das, und trotzdem sage ich, dass wir auf einem guten Weg sind und Schritt für Schritt die MVG besser machen. Das dauert. Als ich vor fünf Jahren hier anfing, gab es jede Menge aufzuholen. Die Infrastruktur brauchte dringend eine Überholung, wir brauchen weiterhin moderne Bahnen. Es gab jede Menge Löcher zu stopfen.

Die haben Sie doch immer noch.

Wandelenus: Aber wir haben einiges schon verbessern können. Vor fünf Jahren hatten wir 33 Millionen Miese jedes Jahr, heute liegen wir bei 26 Millionen – trotz der Tariferhöhungen, trotz der Preissteigerung, trotz unkalkulierbarer Entwicklungen im VRR, trotz der jährlichen Investitionen in Mülheim von bis zu 20 Millionen. Wir schaffen jetzt fünf neue Bahnen an und ich hoffe, dass ich noch in diesem Jahr das Signal für weitere 15 Bahnen von der Stadt bekomme. Dann hätten wir in etwa vier Jahren einen spürbaren Qualitätssprung im Fahrzeugpark.

Wie viele Arbeitsplätze haben Sie dafür abgebaut?

Wandelenus: Im Fahrdienst keine. Wir haben durch die Neugründung der Via Verkehrsgesellschaft die ursprünglichen Organisationsbereiche der Essener, Mülheimer und Duisburger Verkehrsgesellschaften gebündelt und uns auf Kerngeschäfte konzentriert. Abteilungen in der Verwaltung haben wir dabei verkleinert oder manche ganz aufgegeben, ausgelagert. Das hat bereits viel bewirkt.

Wie viel müssten Sie eigentlich investieren, um die MVG auf einen sanierten und zeitgemäßen Standard zu bringen?

Wandelenus: Wir benötigen jährlich Investitionen von etwa 15 bis 20 Millionen. Darüber hinaus benötigen wir Ersatzinvestitionen bis zum Jahr 2030 von rund 150 Millionen Euro. Denken Sie nur an die U-Bahn.

Glauben Sie, dass der Anteil der ÖPNV-Nutzer in Mülheim spürbar gesteigert werden kann?

Wandelenus: Ich glaube nicht, dass dies zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen möglich ist. In Mülheim liegt der Anteil der ÖPNV-Fahrten am Gesamtverkehr bei 17,1 Prozent. In Spitzenstädten, deutschlandweit gesehen, erreicht diese Quote vielleicht 21 Prozent. Um dahin zu kommen, müsste ich enorm investieren, um neue Kunden zu gewinnen. Das wäre gar nicht bezahlbar. Sicher wäre es schön, wenn es auf manchen Strecken einen Fünf-Minuten-Takt gäbe. Aber es muss auch wirtschaftlich sein. Das ist ja auch die Frage bei der Anbindung zum Flughafen. Dort fahren wir 200 Leute am Tag!

Ist es nicht ein großer Fehler in der Vergangenheit gewesen, quer durch das Ruhrgebiet kein einheitliches Netz zu errichten – so wie in den großen Metropolen, wo alle paar Minuten eine Bahn kommt, Umsteigen kein Problem ist, und auch alle Außenbezirke angeschlossen sind?

Wandelenus: Es gab solche Ideen und Überlegungen Richtung mehr Einheitlichkeit, mehr Gemeinsamkeit. Es scheiterte, auch weil die Städte dann doch nur ihre Grenzen in den Blick nahmen, weil es auch politischen Einfluss auf die Verkehrsgesellschaften in den jeweiligen Städten gab. Das ist genauso ein Fehler, wie wenn ich bei der Stadtentwicklung neuer Gebiete nicht stets auch das ÖPNV-Angebot neu bewerte. Das gehört dazu.