Mülheim.
Jeden Tag das gleiche traurige Erlebnis. Jeden Morgen stehen Lastwagen vollgepackt mit Metall vor den Toren der Schrottverarbeitung am Hafen. Zehn, zwölf, manchmal noch mehr Schlepper sind es. Die Anwohner rund um die Weseler Straße wissen dann: Es wird wieder ein lauter Tag, es wird wieder stundenlange Erschütterungen geben. Ein Ende der Belastung jenes Wohngebietes Hofackerstraße ist nicht in Sicht.
Die Regierungspräsidentin in Düsseldorf, Anne Lütkes, teilt den Anwohnern in einem Schreiben mit, dass die gesetzlichen Grundlagen zum jetzigen Zeitpunkt der Bezirksregierung „keine Handlungsmöglichkeiten“ geben. Zum Lärm verweist sie auf „eine Vielzahl von Messungen“, die belegten, dass die Belastungen sich im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegten. „Damit gibt es auch keine rechtliche Grundlage, ein Lärmgutachten von den Anlagenbetreibern einzufordern“. Und was die Luft angehe, so Lütkes, halte sie lediglich aus Gründen des vorsorgendes Bodenschutzes eine deutliche Reduzierung der Luftbelastungen mit Schwermetallen für erforderlich.
Für die Bürger ist das hart. Wie berichtet, liegen die Werte für Nickel, für Chrom und andere Schwermetalle zum Teil deutlich über den „Prüfwerten“. Von Grenzwerten spricht die Behörde nicht mehr, was in den Augen der Bürger einer weiteren Verharmlosung gleich kommt.
Erboste Bürger
Empört reagieren Horst Buchmüller und Winfried Wenzek beim Lärm: Sie werfen der Regierungspräsidentin Trickserei vor: „Sie verweisen auf die zahlreichen Messungen. Die letzte Messung liegt 14 Jahre zurück.“ Uraltmessungen stammten gar aus dem Jahr 1968. Für die Bürger ist das unlauter, damit heute noch zu agieren. Die Bezirksregierung indes erklärt: „Die letzte überschlägige Lärmmessung im Rahmen der Überwachung fand im Jahr 2011 statt.“
Eine „illegal betriebene Hochleistungsschrottschere“, die erst 2007 installiert wurde, hat aus Sicht der Anwohner für deutlich mehr Lärm gesorgt. Buchmüller: „Wir haben die Aufsichtsbehörden mehrfach darauf hingewiesen, dass die alten Lärmmessungen nicht der Realität entsprechen.“ Außerdem sei die Auswertung der Messungen „in massiver Weise zu Ungunsten der Anwohner“ erfolgt.
Diesen Kampf führen die Anwohner seit Jahrzehnten. Nie sei es gelungen, dass sich eine der Behörden hinter die Menschen vor Ort stellte, bedauert die Initiative, die in Mülheim vor allen von den Grünen, den Mülheimer Bürgerinitiativen und der Bürgermeisterin Renate aus der Beek (SPD) Rückendeckung erhält. Sie wundere sich, so die Bürgermeisterin kürzlich, wie lange Menschen solche Belastungen aushalten können.
Vorrang hat die menschliche Gesundheit
In ihrer Not haben sich die Anwohner nun auch an den Bundesumweltminister gewandt und auf die hohen Immissionsbelastungen in Speldorf hingewiesen. Der antwortete kurzfristig und weist zur Genehmigung von Schrott verarbeitenden Betrieben auf die Gesetzeslage hin: „Danach dürfen keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden.“ Dazu gehörten Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen. Vorrang habe die menschliche Gesundheit. In Speldorf erleben die Menschen anderes.
Sie fühlen sich massiv gefährdet und sehen sich bei all den Prüf- oder Grenzwerten hinten angestellt. Müssen sie weiter warten und hoffen? Der WAZ liegt ein Schreiben der Anwohner vor, in dem sie die Lärm- und Rauchbelästigungen als unerträglich und gesundheitsschädlich kritisierten. Das Schreiben ging an den Oberstadtdirektor von Mülheim. Es stammt vom 22. September 1971.
Das sagt die Bezirksregierung:
Die letzte kontinuierliche Lärmmessung mit entsprechenden Messstationen an den Wohnorten der Beschwerdeführer fand Ende 2004 statt. 2011 wurde den Beschwerdeführern das Angebot gemacht, eine aufzeichnende Schallmessstation aufzustellen. Das wurde abgelehnt.
Die Anwohner bezweiflen das und kritisieren alte Berechnungen u.a. weil: „Wir wurden stets als Mischgebiet und nicht als Wohngebiet berechnet.“