Mülheim.

Höllenlärm, bestialischer Krach, Erschütterungen bis in die Beine, unerträgliches Leben – wir befinden uns nicht in einem jener schrecklichen Kriegsgebiete. Es sind die Schilderungen aus dem Gebiet am Mülheimer Hafen, wo fast vor der Haustür der Anwohner gewaltige Mengen von Schrott aus aller Welt täglich angefahren und zertrümmert werden. „Welchen Spielraum haben die Behörden, im Rahmen der Gesetze und Bestimmungen die Belastungen für die Menschen endlich zu beenden? fragt Hubert Niehoff (Grüne) die Bezirksregierung.

Hier die Menschen von der Hofacker- und der Eltener Straße, dort die Behörde. Sie hat die Anlagen seit Jahren im Auge, führt seit Jahren Schadstoffmessungen durch, registriert, dass sich mancher Wert seit zehn Jahren ständig erhöht hat. Doch unterm Strich, so Dezernent Jan Horstmeier aus Düsseldorf, gebe es keine schädlichen Bodenveränderungen und auch bei den Feinstäuben in der Luft kommt er in der Bewertung zu dem Urteil: keine Gesundheitsgefahr für die Anwohner. Die können es kaum glauben.

Massive Störung der Stadtentwicklung

Roland Schäfer wohnt in dem Viertel. Die jüngsten Werte des Jahres 2011 hat er aufgeschrieben: Blei, Cadmium, Arsen, Nickel, Chrom – alles erhöht, vielfach sogar. „Die Lebensbedingungen in Speldorf haben sich permanent verschlechtert“, sagt er und meint nicht nur die Schwermetalle in den Feinstäuben, sondern berichtet von eben jenem ungeheuren Lärm, den Erschütterungen, den Schäden an den Gebäuden.

Politiker reagieren betroffen: „Ich frage mich, wie halten Menschen so etwas über so lange Zeit überhaupt aus“, sagt Bürgermeisterin Renate aus der Beek (SPD). Wie halten sie es aus, nur wenige Meter von dem Geschehen entfernt, wo auch noch die Stadt vor ein paar Jahren einen Spielplatz errichten ließ. Lothar Reinhard von den Mülheimer Bürgerinitiativen sieht zudem eine „massive Störung der Stadtentwicklung“ in Speldorf durch die Schrottverarbeitung. Er zweifelt an der Legalität der riesigen Schrottscheren, berichtet von Hinweisen, dass diese mit falschen Typenschildern manipuliert worden sein sollen, was der Vertreter der Bezirksregierung verneint.

Gesellschaftlich akzeptables Risiko

Die Verlagerung der Schrottverarbeitung an der Weseler Straße bleibt das große Ziel. Doch das besteht schon seit den 90er Jahren, als der Rat sich einstimmig für einen neuen Standort ausgesprochen hatte. Auch das Unternehmen würde wohl umziehen, doch ein adäquater Standort wurde bis heute nicht gefunden. Die Nähe zur Wohnbebauung, wie in Speldorf, ist heute nicht mehr statthaft. An der Weseler Straße gilt Besitzstand.

Bleibt alles, wie es ist? So darf es nicht bleiben, sagt der Amtsarzt Dr. Dieter Weber: Er sieht durchaus gesundheitliche Risiken für die Menschen im direkten Umfeld, zwar nicht durch Belastungen des Bodens oder durch die Nahrungsaufnahme von angebautem Gemüse, wohl aber durch die Feinstäube in der Luft. Er verweist auf Studien an ähnlichen Standorten, die die Risiken belegen, auch wenn sie als gering eingestuft werden. Mancher erhöhte Wert mit der Gefahr von Krebs wird sogar in gewisser Größenordnung als „gesellschaftliche akzeptables Risiko“ eingestuft.