Mülheim. .

Nichts hat sich gebessert. Und so sind die Anwohner im Umfeld der Schrottverarbeitung an der Weseler Straße weiterhin unter Stress und in großer Sorge. Die Jahreswerte für 2011, die jetzt vorliegen, erhöhen den Druck auf Politik und Verwaltung in Mülheim wie in Düsseldorf. Die entscheidende Frage lautet: Wie lange will man die Bewohner an der Hofackerstraße noch diesen Gefahren aussetzen?

Bis um das Vierzigfache haben erneut die Werte von Nickel in den Staubniederschlägen den Richtwert von 15 Mikrogramm pro Quadratmeter überschritten. Erhöht sind bis zum Drei- und Vierfachen in manchen Monaten die Werte von Blei in den Feinstäuben. Cadmium ist zeitweise ebenfalls zu hoch, auch Arsen. Aber die größte Angst bereiten Horst Buchmüller und Winfried Wenzek, Sprecher der Bewohner, die Werte von Chrom.

„Vier Mal im Jahr wurde der Wert von 1000 Mikrogramm zum Teil deutlich überschritten“, verweist Buchmüller auf die Zahlen und den Richtwert von 17. Was sie so beunruhigt, ist, dass im Chrom auch Chrom VI enthalten ist. Der Stoff gilt als besonders gefährlich. „Wie lange sollen wir das noch ertragen“, fragen die Bewohner nicht erst seit gestern. Seit vielen Jahren kämpfen sie gegen die Belastungen, die von der Schrottverarbeitung der Firma Jost ausgehen.

Deutlich erhöhte Werte von Chrom und Nickel

Direkt vor deren Toren wurden die Staubniederschläge gemessen. Aber auch wenige Meter weiter, an den Grundstücken der Anwohner, liegen ebenfalls deutlich erhöhte Werte von Chrom und Nickel vor. Bei den Feinstäuben, so Wenzek, sehe es nicht viel besser aus. Die Gefahr lauert bei jedem Atemzug. Die Bewohner haben nicht das Gefühl und die Hoffnung, dass sich ihre Lage in absehbarer Zeit bessern könnte, das treibt sie um. Sie wissen, dass auch der städtische Amtsarzt, Dr. Dieter Weber, ihre Situation sehr kritisch sieht. Aus medizinischer Sicht müssten die Werte runter, wolle man die gesundheitlichen Risiken nicht weiter hinnehmen, meint der Mediziner.

Wie brisant die Situation für Menschen im Umfeld der Weseler Straße ist, macht Wenzek mit einem Vergleich deutlich: Er hat über die vergangenen zehn Jahre für alle 160 Messstationen des Landesumweltamtes die Nickel-Werte verglichen. In allen Jahren lag Mülheim, wenn nicht an der Spitze, so doch unter den ersten Sechs. „Wir hatten zum Teil höhere Belastungen als es sie direkt neben den klassischen Hütten-Standorten im Land gab.“

Schrott aus Osteuropa

Tagein, tagaus wird auf langen Schleppern vor allem aus Osteuropa Schrott an die Weseler Straße angeliefert. Ausgekippt, zerkleinert, weiterverarbeitet. Das Geschäft, rechtlich völlig legal, muss gut laufen. Die Anwohner machen gewaltige Mengen in diesen Tagen aus. Neben den Stäuben ist es der permanente Lärm, der sie massiv belastet. Ständige Erschütterungen kämen hinzu. Das alles in einem Wohngebiet. Heute würde so eine Anlage in der Nähe zu Wohnhäusern nicht mehr genehmigt, damals vor 50 Jahren schon.

In einem Vertrag hatten sich Bezirksregierung und Unternehmen im vergangenen Jahr auf Maßnahmen geeinigt, die die Belastungen für die Menschen verringern. „Wir merken nichts“, sagt Buchmüller und fürchtet, dass sogar demnächst die Kapazitäten noch ausgeweitet werden könnten.

Dabei hatte der Rat der Stadt 1992 schon einstimmig beschlossen, das Werk zu verlagern. Auch 20 Jahre danach wurde kein passendes Grundstück gefunden. „Die Umsetzung des Ratsbeschlusses ist unsere Hauptforderung“, sagt Buchmüller. Wenn nicht? Dann ab sofort permanente Lärmüberwachung, Einhausung von allen Dingen, die Krach machen und Stäube erzeugen, Stilllegung der Falltürme für immer.

Werte müssen spürbar gesenkt werden

Zu den Wenigen, die sich um die Sorgen der Anwohner kümmern, gehört der Vorsitzende des Mülheimer Umweltausschusses, Hubert Niehoff (Grüne). Er trifft sich heute mit der Gesundheitsministerin des Landes, Barbara Steffens, und der Regierungspräsidentin Anne Lütkes, beide Grüne. „Ich werde ihnen die für mich erschreckenden Werte vorlegen und noch mal auf die Brisanz verweisen“, sagt Niehoff und macht keinen Hehl daraus, dass er auch mit Blick auf Umweltminister Johannes Remmel, ebenfalls Mitglied der Grünen, eine Erwartungshaltung hegt. „Wir müssen alles tun, um die Menschen zu schützen.“ Soll heißen: Die Werte müssen in absehbarer Zeit spürbar gesenkt werden.

Ein Vertreter der Bezirksregierung soll am 14. Juni im Umweltausschuss Rede und Antwort stehen. Thema sind dabei die neuen Werte.