Mülheim. . Schrott aus aller Welt wird im Fallwerk in Mülheim-Speldorf verarbeitet. Die Anwohner klagen über bedrohliche Schwermetallwerte im Umfeld, über Lärm, Erschütterungen - und das seit 40 Jahren. Der Bezirksregierung sind die Probleme bekannt. Doch es mangelt an Möglichkeiten, einzugreifen.

Die jüngsten Messergebnisse der Staubniederschläge im Umfeld der schrottverarbeitenden Betriebe im Hafen lesen sich bedrohlich, wie gehabt. Die Menschen warten auf Besserung, seit 40 Jahren. Beispiel Blei: 176 Mikrogramm pro Quadratmeter und Tag wurden registriert, erlaubt sind nach der TA Luft 100. Oder Nickel: 306,8 Mikrogramm statt erlaubte 15. Noch drastischer fallen die Werte bei Chrom aus: 741,5 statt erlaubte 17.

„Aus gesundheitlichen Schutzvorkehrungen heraus wären betriebliche Einschränkungen längst notwendig“, wendet sich der Vorsitzende des Umweltausschusses, Hubert Niehoff, an die zuständige Regierungspräsidentin Anne Lütkes. Nicht nur die Politiker vor Ort fühlen sich der anhaltenden Bedrohung ohnmächtig ausgesetzt, erst recht die Anwohner treibt die Angst um. Sie kämpfen für ein Ende der Luftbelastungen, für ein Ende des ungeheuren Lärms durch die Schrottverarbeitung, für ein Ende der Erschütterungen. Als „katastrophal“ stuft Horst Buchmüller die jüngsten Messwerte ein. Er ist der Sprecher der Bürgerinitiative vor Ort, die sich dafür einsetzt, dass das Fallwerk an der Weseler Straße an einen Ort verlagert wird, an dem Menschen nicht mehr gefährdet werden. Ein Grundstückstausch scheiterte bislang daran, weil man sich nicht über Grundstückspreise einigen konnte.

Es mangelt an Alternativen

Der Bezirksregierung sind die Probleme seit vielen Jahren bekannt. Es mangelt nicht an bedrohlichen Werten, es mangelt nicht an Einsicht in die Not der Anwohner, es mangelt an Alternativen: Wohin können die schrottverarbeitenden Unternehmen verlagert werden, wer kommt für Kosten auf, was gilt als zumutbar, als juristisch durchsetzbar? In einem ausgehandelten Vertrag zwischen den Unternehmen und der Bezirksregierung wurden Maßnahmen wie die Bewässerung der Stäube vereinbart, um zu besseren Werten zu kommen. Es gibt aber auch, und davor haben die Bürger Angst, die Chance, dass der Betrieb an der Weseler Straße seine Schrottverarbeitung ausweiten könnte. Auf Anfragen dieser Zeitung reagierte das Unternehmen Jost abweisend. Man bezieht sich auf den Standpunkt, ein genehmigter Betrieb zu sein, der die Auflagen erfülle.

Die Regierungspräsidentin ließ in einem Gespräch mit den Mülheimer Grünen durchblicken, dass die bisher gemessenen Jahresmittelwerte nicht ausreichten, um betriebliche Einschränkungen vorzunehmen. Gerade die hält Niehoff mit Blick auf die jüngsten Daten für überfällig. „Ich erwarte, dass eine Frist gesetzt und bei Nichteinhaltung der Werte endlich gehandelt wird“, so der Vorsitzende des Umweltausschusses. Er verweist auch darauf, dass die Bürger von den gewählten Politikern erwarten, dass aufgezeigt werde, welche Schutzmaßnahmen getroffen werden. „Dies können wir zurzeit nicht.“

Beschönigungs-Verdacht

Mehrfach haben die Bürger darauf verwiesen, dass nach einem ministeriellen Abstandserlass von 1998 zwischen einem Hammer- oder Fallwerk 500 Meter Distanz liegen müssten. In Speldorf sind es an manchen Stellen nur sechs oder 60 Meter. Ältere Verträge sichern das Unternehmen.

Die Anwohnerinitiative denkt über weitere Schritte nach, auch daran, sich an den Umweltminister zu wenden nach dem Motto: Einer müsse schließlich mal auf die Gefahr und Belastung reagieren. Das Problem wird die Bezirksregierung nicht los. Auch nicht die Skepsis der Bürger nach 40 Jahren im Schatten der Umweltlast. „Warum, so fragt sich Buchmüller, „liegen für das Jahr 2011 noch nicht alle Messwerte vor?“ Der Verdacht der Beschönigung macht die Runde.

Gespannt warten Anwohner auch auf die Messwerte des Kohls, den sie angepflanzt hatten, um mal zu testen, wie sich die Niederschläge auf die Pflanzen auswirken – die sie essen könnten. Theoretisch.