Mülheim. .
Die Stadt darf auch Jahrzehnte nach Fertigstellung einer Straße noch Erschließungsbeiträge von Bürgern verlangen. Diesen Standpunkt deutete das Düsseldorfer Verwaltungsgericht in einer Verhandlung sechs diesbezüglicher Klagen zu einem Teil der Albertstraße in Styrum an.
Ein Urteil dazu blieb aber aus. Gleichwohl gingen die Kläger nicht als Verlierer aus dem Verfahren raus: Weil die Stadt 1983 nicht so gebaut hat, wie es der Bebauungsplan vorsieht, bot diese einen Vergleich an: 20 % Rabatt auf die geforderten Erschließungsbeiträge plus Übernahme von Anwalts- und Gerichtskosten. Die zwei Anwälte der sechs klageführenden Anwohner nahmen „auf Widerruf“ an.
Im aktuellen Verfahren ging es um ein kleines Teilstück der Albertstraße, zwischen Schwerin- und Kaiser-Wilhelm-Straße gelegen. 1983 schon wurde hier eine Spielstraße angelegt, Beitragsbescheide gingen aber erst Ende 2010 bei den Grundeigentümern ein. Dass die Stadt erst satte 27 Jahre später Geld für ihre Vorleistung geltend machte, hatte seinen Grund: Laut Ortssatzung durfte sie bis Ende 2006 keine Erschließungsbeiträge für Straßen geltend machen, die nicht über zwei befestigte Gehwege verfügten – und eine Spielstraße hat dieses Merkmal nun mal nicht.
Noch Klagen anhängig
Im aktuellen Verfahren ging es um Beiträge in Höhe von maximal rund 1700 Euro. Andernorts liegen sie höher. Am 15. März verhandelt das Gericht zur Barbarastraße in Dümpten. Der Vergleich von gestern dürfte als Fingerzeig gelten: Erschließungsbeiträge wären zu zahlen, wenn sonst alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Jahrzehnte versäumte es die Stadt, die Satzung zu ändern, um ihre berechtigte Forderung geltend zu machen. Erst mit Gültigkeit zum 1. Januar 2007 trat eine neue, von der Politik verabschiedete Satzung in Kraft, mit der das Ausschlusskriterium getilgt wurde. Noch kurz vor Ablauf der üblichen vierjährigen Verjährungsfrist gingen die Bescheide für die Albert-, auch für die Barbara- (Dümpten) und Dessauer Straße (Heißen) raus.
Zweistündige Verhandlung
Kann die Stadt, nachdem sie Jahrzehnte kein Ortsrecht zum Kassieren jener Beiträge hatte, sich nachträglich mir nichts, dir nichts das Recht schaffen? Nein, vertraten Rechtsanwälte und der Steuerzahlerbund die Meinung, die Ansprüche der Stadt seien verjährt und/oder die Stadt habe ihr Recht verwirkt, weil sie die Eigentümer schließlich Jahrzehnte im Glauben gelassen habe, kein Geld zu verlangen.
In mehr als zweistündiger Verhandlung wurde gestern deutlich, dass das Verwaltungsgericht eine Verjährung oder Verwirkung der Ansprüche nicht in Betracht zieht, weil die Änderung lediglich eines Herstellungsmerkmals einer abrechnungsfähigen Straße in der Satzung nicht als treu- und sittenwidrig zu werten sei. Die Bescheide seien aus anderem Grund rechtswidrig: weil die Spielstraße größer und in einem anderen Verlauf als im Bebauungsplan festgelegt gebaut worden sei.
Weil die Stadt diesen Mangel hätte mit einer Änderung des Bebauungsplans auch jetzt noch hätten beseitigen können, ließen sich die Vertreter der Kläger auf besagten Vergleich ein. Die sechs Bürger können bis zum 8. März Widerspruch dagegen einlegen.
Mülheimer Straßen