Mülheim. .
Die Stadt Mülheim stellt Anliegern der Albertstraße Erschließungsbeiträge in Rechnung obwohl der Ausbau schon 27 Jahre zurück liegt. Den Anwohnern sind die späten Forderungen schleierhaft und sie werden Klage einreichen.
Ein Handwerker würde wohl nie auf die Idee kommen, seine Leistung erst Jahrzehnte später in Rechnung zu stellen. Die Stadt schon. Sie handelt sich dabei aktuell Ärger mit Anwohnern der Albertstraße in Styrum ein. Dort verlangt die Stadt sage und schreibe 27 Jahre nach dem verkehrsberuhigten Ausbau der Straße von Anliegern Erschließungsbeiträge. Anwohner werden Klage dagegen einreichen.
Das kleine, rund 90 Meter lange Stück der Albertstraße zwischen Schwerin- und Kaiser-Wilhelm-Straße ist Anfang der 1980er Jahre ausgebaut worden. Ein Spielstraßen-Schild markiert seither den rot gepflasterten Verkehrsraum, der ohne Gehweg auskommt. Schon seit 27 Jahren.
„Völlig schleierhaft“
Jetzt flatterte den Bürgern, die dort Eigentum besitzen, unverhofft und dazu noch kurz vor Weihnachten, ein Brief der Stadt ins Haus, in dem Erschließungsbeiträge eben für diesen 27 Jahre alten Ausbau gefordert werden. Die Forderungen schwanken zwischen 200 Euro (für acht angrenzende Garagen) und 2000 Euro (für sieben Hausbesitzer). Die plötzliche Forderung sei ihr „völlig schleierhaft“ vorgekommen, wandte sich nun eine Anwohnerin, die dort erst in den 90er Jahren ihr Elternhaus übernommen hat, an die WAZ. Schließlich hatte sie seither keinen Straßenausbau vor der eigenen Haustür erlebt. Anwalt Winfried Förster bereitet ihre und die Klage eines Nachbarn vor. Er beklagt fehlende Rechtssicherheit für Bürger, wenn eine Stadt noch nach Jahrzehnten abkassieren wolle.
Die Stadt sieht sich im Recht. Klaus Schankat, für Erschließungs- und Ausbaubeiträge zuständiger Teamleiter in der Verwaltung, sagt: Die Pflicht der Anlieger, Erschließungsbeiträge zu leisten, verjährt nicht. Tatsächlich hatte die Stadt vor einigen Jahren gar einen Straßenbau anno 1909 abgerechnet (Blumenthalstraße). Anders verhalte es sich bei Ausbaubeiträgen nach dem Kommunalen Abgabengesetz, die fällig werden, wenn eine bereits vorher bestehende Straße erneuert wird, zuletzt etwa die Hingbergstraße. Da habe man nach Abnahme der Baustelle nur vier Jahre Zeit, die Beiträge einzufordern.
Nie den Kriterien entsprochen
Die Albertstraße sei ein anderer Fall. Da sie 1983 erstmalig eingerichtet worden sei, komme die Regelung zu Erschließungsbeiträgen im Baugesetzbuch zum Tragen. Dass die Stadt den Ausbau dort den Anliegern nicht schon zeitnah in Rechnung gestellt habe, liege in dem dortigen Passus begründet, dass eine Stadt „die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage“ per Satzung festzulegen hat. Die Krux: Bis 2007 hatte die Stadt in jener Satzung festgelegt, dass zum Merkmal der „endgültigen Herstellung“ beidseitig auch Gehwege zählen. An der Albertstraße aber gibt es diese nicht. „So hat der Ausbau der Albertstraße nie den Kriterien der Satzung entsprochen“, sagt Schankat. Folge: Bis 2007 durfte die Stadt die Ausbaukosten, wie an reichlich anderen Orten im Stadtgebiet, nicht umlegen.
Nun ist die Satzung geändert, das Bauprogramm herausgenommen. „Sukzessive“, so Schankat, würden nun noch Straßen abgerechnet. Zuletzt habe man bei einer entsprechenden Abrechnung für die Markgrafenstraße in Speldorf vor Gericht auch Recht bekommen. Er sieht die Rechtsprechung mittlerweile auch darin auf der Seite der Stadt, dass an der Albertstraße auch kassiert werden darf, obwohl der Ausbau nicht dem Bebauungsplan entspricht. Der nämlich sieht einen Knick zur Kaiser-Wilhelm-Straße vor, den aber: gibt es nicht.