Mülheim. .
Die Stadt Mülheim forderte kürzlich von vielen Anwohnern Beiträge für den Ausbau von Straßen, der teils Jahrzehnte zurück liegt. Viele Betroffene setzen sich nun zur Wehr - und reichen Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ein.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sieht eine Klagewelle auf sich zuschwappen. Die Klagen von Mülheimern richten sich gegen Anliegerbeiträge. Die Stadt bittet für den Ausbau zur Kasse, der Jahrzehnte zurückliegt.
Die Verwaltung gerät dabei zunehmend in Erklärungsnot. Die Politik macht Druck. Das Verwaltungsgericht bestätigte auf WAZ-Anfrage, dass bei ihm 17 Klagen gegen Beitragsbescheide für den Straßenausbau und neun gegen Bescheide für die erstmalige Erschließung aufgelaufen sind. Zudem sei am 31. Dezember ein Eilverfahren beantragt worden.
Bürger laufen Sturm
Bürger, die kurz vor Ende der Verjährungsfrist am 31. Dezember zur Kasse gebeten worden sind, laufen Sturm gegen die Abrechnungspraxis der Stadt. Die hatte sich erst zum 1. Januar 2006 vom Rat eine Satzung abnicken lassen, die eine Abrechnung von Straßen ermöglicht, die nicht über zwei befestigte Bürgersteige verfügen. Jetzt hat sie kurz vor Fristablauf noch Bescheide für Straßen verschickt, die bereits vor Jahrzehnten fertiggestellt wurden (wir berichteten).
Die Politik kritisiert das Vorgehen aufs Schärfste, obwohl gerade sie die neue Satzung 2005 beschlossen hat. Die Recherche in den Ratsvorlagen indes zeigt, dass die Verwaltung die Notwendigkeit der Satzungsänderung seinerzeit keineswegs damit begründet hat, dass sie dann noch 120 Uraltstraßen abrechnen könne. Sie hatte der Politik die Satzungsänderung vielmehr dadurch schmackhaft gemacht, dass hierdurch weniger politischer Beratungsaufwand nötig sei. Dass sie diese längst fällige Änderung möglicherweise jahrzehntelang verschlafen hat, erwähnte die Verwaltung nicht.
Stadt könnte Forderungen zurücknehmen
„Schlichtweg eine Unverschämtheit“ nennt MBI-Ratsherr Friedel Lemke die jüngsten Beitragsbescheide. Er plädiert gar dafür, auf die Beiträge für Straßenbauten von vor 2006 komplett zu verzichten, um nicht eine Flut von Klagen zu provozieren. Auch Hubert Niehoff von den Grünen könnte sich vorstellen, dass die Stadt ihre Forderungen zurücknimmt, wenn der Straßenbau allzu lang zurückliegt.
Die Grünen fordern eine Stellungnahme der Verwaltung für den Planungsausschuss am 8. Februar. CDU und SPD stimmen ein. „Was da dranhängt“, sagt CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels mit Blick auf die Satzungsänderung von 2006, „ist damals nicht angesprochen worden.“ Nun müsse die Verwaltung Stellung beziehen, dann sei die „politische Dimension“ des Verwaltungshandelns zu bewerten.
Michels SPD-Pendant Dieter Wiechering beklagt wie alle Parteien die mangelnde Bürgerfreundlichkeit: „Es geht einfach nicht, Leute mit Anliegerbeiträgen für Dinge zu belasten, die 30 Jahre zurückliegen.“ Beiträge seien zeitnah einzutreiben, ansonsten sei die Frage nach der Verwirkung von Ansprüchen zu stellen. „Und es musste nicht sein“, so Wiechering mit Blick auf die Betriebsferien der Verwaltung, „dass man die Bescheide rausgibt und dann 14 Tage im Urlaub ist.“
Die Stadt wollte sich gestern noch nicht äußern.