Mülheim.

Laut Befragung in 2000 Mülheimer Haushalten nutzen nur 16,9 % der Speldorfer Bus und Bahn, um ihre täglichen Wege zurückzulegen. Das ist der geringste Wert im Stadtgebiet. Ob dies der Grund war, warum am Donnerstagabend nur gut 50 Bürger zur Schule an der Frühlingstraße kamen, um ihre Anregungen und Kritik loszuwerden?

Eine Teilnehmerin der älteren Generation nannte da andere Gründe. Die Stadt hätte sich mal im Vorfeld überlegen müssen, wie die Bürger nach Veranstaltungsende wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause kommen sollen. Die Frau gab an, selbst zur Saarner Straße zu müssen. Und tatsächlich: Bürger, die etwa nahe der Schule am Saarnberg wohnen und sich für die Pläne zum möglichen Bau einer Straßenbahnstrecke an der Saarner Straße interessieren, hätten es schwer gehabt, nach der Bürgerversammlung nach Hause zu kommen. Laut Fahrplanauskunft hätten sie acht Minuten zu Fuß zum Speldorfer Depot gehen müssen, um dort in die 901 einzusteigen. Am Schloß Broich 22 Minuten Wartezeit auf den Bus 131 zur Schleswiger Straße und noch mal sechs Minuten zu Fuß. Fahrt- und Gehzeit für diesen umständlichen Umweg: 52 Minuten!

" Die Leute, die was zu sagen hätten, sind gar nicht hier!"

Schlussfolgerung der Dame in Richtung Organisation: „Dies hier ist eine Veranstaltung, zu der Leute nur mit dem Auto hinkommen können. Die Leute, die was zu sagen hätten, sind gar nicht hier!“

Tatsächlich waren im Publikum wieder viele „Bekannte“, die schon bei den Bürgerversammlungen zuvor in Stadtmitte und Winkhausen zugegen gewesen waren. Bezirksbürgermeister Gerhard Allzeit (CDU) konnte nur relativ wenige Bürger aus Speldorf, ­Broich, Saarn, Selbeck und Mintard begrüßen.

Viel diskutiertes Thema: der Vorschlag der Verwaltung, die Verlängerung der Straßenbahn 102 über die Saarner Straße nach Saarn-Mitte zu prüfen. Kommt die Straßenbahn überhaupt die Saarner Straße hoch? „Unsere Techniker haben versichert: Die Bahnen fahren da hoch“, antwortete MVG-Vertreter Michael Schaa. Wenn schon Ausbau, dann doch bitte bis zur Saarner Kuppe! Nein, verteidigt Verkehrsplaner Roland Jansen das städtische Konzept, die Quellenstraße sei zu eng. Und warum nicht die Bahn am Kassenberg entlangführen? Weil auf der Strecke weniger Fahrgäste zusteigen würden als auf der Route über Broich, so Jansen. Was würde eine Bahn nach Saarn-Mitte eigentlich kosten? 19 Mio Euro seien noch für die Strecke bis hoch zur Kuppe in der alten Landesplanung veranschlagt, so Schaa, „knapp die Hälfte“ davon also. Große Skepsis im Publikum, nicht nur, weil die 19 Mio eine alte Zahl sind.

Bessere Takte und einfachere Fahrpläne sind notwendig

Ute Möhlig vom Speldorfer Bürgerverein mahnt eine bessere Einbindung der Südspeldorfer Neubaugebiete an, bessere Takte, einfache Fahrpläne, die es nicht notwendig machten, stets ein Exemplar bei sich zu führen, um zu schauen, ob etwa der 124er gerade verkehre oder man eine Stunde warten müsse. Unregelmäßigkeit und Unsicherheit wirke abschreckend auf potenzielle Nutzer. Die stiegen dann lieber ins Auto. Und wer Auto fahre, komme nicht so schnell auf die Idee, in die eigene City zu fahren. Er steuere kostenlose Parkplätze der Einkaufscenter ringsum an . . .

Deutlich wurde, dass etliche Bürger dem Versuch der Stadt, über Einschnitte im Angebot den Zuschussbedarf von zuletzt knapp 27 Mio Euro bei der MVG runterzufahren, gedanklich nicht folgen mögen. Ein Berufstätiger gab seine persönliche Erfahrung zu bedenken: Bis vor zwei Jahren sei er mit dem ÖPNV zur Arbeit gefahren. Doch ständig seien Fahrzeuge ausgefallen, die Zeit bis zur nächsten möglichen Fahrt sei zu lang gewesen. „Da habe ich beschlossen, mein Ticket abzugeben.“ An Stadtverwaltung und MVG gerichtet, bezweifelte er den Sinn der Bürgerversammlung: „Sie sollten lieber fragen, wie Menschen die Dienstleistung empfinden.“ Dies freilich wollten die Veranstalter ausdrücklich nicht wissen. Es gehe schließlich darum, eine politische Vorgabe zu erfüllen. Sie lautet: Sparen! Möglichst ohne Qualitätsminderung.

„Erhöhen Sie den Takt, senken Sie die Preise! Und Sie sehen, warum heute so wenige den ÖPNV nutzen“, erwiderte der Bürger. Dies blieb unkommentiert. Die Mitarbeiter von Verwaltung und MVG fuhren später mit protokolliertem Sammelsurium an Anregungen nach Hause. Mit dem Auto.