Mülheim. .
Kinderlos, ungebunden und mit gesunden Angehörigen. So sehen zurzeit die optimalen Anforderungen für eine Stelle in der Pflegebranche aus. So dürften sie aber nicht aussehen. Darüber sind sich die Mülheimer Sozialholding und die Arbeiterwohlfahrt einig.
Schließlich sind die meisten Pfleger der Sozialholding gerade nicht kinderlos und haben selbst pflegebedürftige Angehörige. „96 Prozent unserer Mitarbeiter sind Frauen. 15 Prozent von denen, die ihren Job aufgeben, machen das, weil sie sich selbst um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen“, erklärt Sozialholding-Geschäftsführer Heinz Rinas.
Wechselnde Schichtdienste machen es vor allem jungen Müttern schwer, nach der Schwangerschaft in der Pflege weiterzuarbeiten. „Ein typischer Verlauf einer Mitarbeiterin sieht so aus: Nach der Ausbildung bleiben viele noch zwei, drei oder vier Jahre. Dann folgt die Schwangerschaft und natürlich einige Jahre Zeit für die Kinder. Ein Wiedereinstieg nach der Babypause fällt oft schwer“, berichtet Rinas. Die Folge: Die drei Mülheimer Senioreneinrichtungen suchen 15 examinierte Pflegefachkräfte. In ganz Deutschland fehlen sogar mehr als 50.000 Fachkräfte in der Branche.
Private Betreuung ist sehr teuer
Das soll sich ändern. Das Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Mülheimer Sozialeinrichtungen mit einem Förderpreis ausgezeichnet und stellt ihnen 200.000 Euro für ein zweijähriges Projekt zur Verfügung. Das nächste halbe Jahr sollen Angebote entwickelt werden, wie der Pflegeberuf mit der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen verbunden werden kann. „Es kann nicht sein, dass Mitarbeiter bei der Arbeit andere pflegen, zu Hause aber das kleine Kind alleine sitzt“, meint Adelheid Zwilling, die Geschäftsführerin der Awo. „Dadurch entsteht auch zusätzlicher Stress. Wer während der Schicht mit den Gedanken bei seinem Kind ist, kann sich nicht mehr so gut auf die eigene Arbeit konzentrieren“, fügt sie hinzu. Private Betreuung ist sehr teuer. Eine Tagesmutter kostet um die 10 Euro in der Stunde. Bei einem Stundenlohn von 13,80 Euro in der Pflegebranche lohnt sich die Einstellung kaum. „Da verzichten viele Mütter verständlicherweise auf eine Anstellung, bleiben zu Hause und kümmern sich selbst um ihr Kind“, meint die Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt.
Durch die Fördergelder bekommen die Mülheimer Sozialeinrichtungen die Chance, betriebliche Betreuungskonzepte für die eigenen Pflegekräfte zu erarbeiten. Zwilling denkt dabei an Kinderbetreuung durch Tagesmütter, Plätze in Kindertagesstätten und ambulante Altenpflege. Auch Betriebskindergärten seien eine Möglichkeit. „Wir werden jetzt ein halbes Jahr untersuchen, wie es genau in Mülheim aussieht. Danach entwickeln wir konkrete Ideen“, sagt Zwilling. Ab dem Frühjahr 2012 werden die Ideen umgesetzt. Nach zwei Jahren läuft die Finanzierung durch das Land aus. Heinz Rinas betont: „Die Umsetzung muss deshalb auch wirtschaftlich sein.“