Mülheim. .
Eine Pflegerin erhebt schwere Vorwürfe gegen das Mülheimer Pflegezentrum Bonifatius. Sie spricht von viel zu wenig Personal, Unterversorgung der Bewohner und unzureichender hygienischen Pflege. Der Geschäftsführung sei das alles längst bekannt.
Das Ehepaar Overrath spricht von einer Notaktion. „Wir konnten nicht länger mit ansehen, wie unsere Mutter vernachlässigt wurde. Wir haben sie vor wenigen Tagen aus dem Bonifatius-Haus herausgeholt.“
Ein privater Pflegedienst soll jetzt die 80-jährige Frau wieder aufpäppeln. „Tabletten sind liegengeblieben, um 11 Uhr war sie an manchen Tagen noch nicht gewaschen, zehn Kilo hat sie abgenommen.“ Michaela Overrath erhebt schwere Vorwürfe, macht jedoch nicht die wenigen Pflegekräfte verantwortlich: „Ein einziger Pfleger war auf dem Wohnbereich und sagte uns, er sei für 37 Bewohner zuständig.“ Der Betriebsrat habe mit seiner Kritik völlig recht, betont sie.
Akuter Personalmangel
Der hatte quasi als Hilferuf auf akuten Personalmangel hingewiesen, sich an die Heimaufsicht und den Landesverband der Pflegekassen gewandt, aber auch an das Amt für Arbeitsschutz. Seine Warnung: Die Pflege ist nicht mehr ausreichend, es bestehe gar eine Gefahr für Bewohner. Die Geschäftsführung wie die Heimleitung hatten dies mit Nachdruck als unwahr zurückgewiesen, die Heimaufsicht der Stadt hatte bei einer umgehenden Kontrolle keine Anhaltspunkte für derartige Risiken gefunden.
Die WAZ erreichten nach der Berichterstattung dagegen ganz unterschiedliche Schilderungen aus dem Haus am Hingberg, in dem rund 250 Senioren leben. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, berichtet eine Bewohnerin. „Jeder Wunsch wird mir von Seiten des Personals erfüllt.“ In keinem anderen Haus in Mülheim, sagt Irina Bunn, gebe es ein so großes Freizeitangebot für Senioren. Kompetent und engagiert sei die Führung des Hauses, das Umfeld sei freundlich. Und auch Kritik am Betriebsrat wird geäußert: Geltungsbedürftig sei der nur, vernachlässigt werde keiner.
Defizite in der Pflege
Sibylla Klingenburg hat ganz andere Erfahrungen gemacht, schreckliche, wie sie sagt. Abends habe sie ihre Bekannte, über 80 Jahre alt, mit dem Kopf auf dem Tisch schlafend vorgefunden. „Die Essensreste des Tages lagen auf der Hose verstreut, die Frau war völlig durchnässt. Die saß seit dem Morgen dort.“ Jeden Abend sei sie dann ins Heim gefahren und habe die Bekannte selbst gewaschen, gekämmt, ins Bett gebracht. „Ich habe sogar Windeln mitgebracht.“ Mit dem Personal habe sie Mitleid. „Ein hartes Brot.“ Aber die Defizite in der Pflege hält sie zumindest für äußerst bedenklich.
Mehrfach tauchte die Frage auf, warum die Heimaufsicht nicht auf die Mängel stoße, und eine Angehörige schlägt gar verdeckte Ermittlungen vor.
Körperpflege mangelhaft
Der WAZ liegen detaillierte Berichte von einem Schichtdienst über mehrere Tage vor, in dem eine langjährige Pflegekraft ausführlich die Probleme, Belastungen und Sorgen darlegt. Ihre Schilderungen bestätigen wiederum den Betriebsrat, und sie betont: „Der extreme Personalmangel herrscht schon seit Jahren.“ Im Gespräch erzählt sie, dass sie im Spätdienst bettlägerige Bewohner in einem total unterversorgten Zustand vorgefunden habe, dass an heißen Tagen die Versorgung mit Flüssigkeit sich als großes Problem dargestellt habe. Die Körperpflege sei vielfach mangelhaft: „Wie wollen sie, wenn sie allein sind, 20 Personen waschen?“ An manchen Tagen habe der Pflegedienst auch noch den Küchendienst übernehmen müssen, weil Mitarbeiter fehlten. Am schlimmsten sei die Situation auf den Wohnbereichen immer dann gewesen, wenn akute lebensbedrohliche Notfälle aufgetreten seien. „Ich schrie selbst um Hilfe, um helfen zu können.“ Angehörige seien dann durchs Haus gelaufen, um Mitarbeiter zu suchen.
Der Geschäftsführung und Pflegeleitung sei das alles längst bekannt. Kurzfristige Ausfälle, heißt es dort, träten überall auf. Man bemühe sich unvorhersehbare Engpässe zügig auszugleichen, versichert die Geschäftsführung von Maternus. Alles halb so schlimm? „Das Personal und die Leitung sind bemüht“, lässt uns Bewohner H. Hausrath ausrichten, „allen Bewohnern gerecht zu werden.“