Mülheim. Drei Stunden Wartezeit, lange Anfahrt: Im Kindernotdienst kann das passieren. Zugleich wird ein naheliegendes Angebot in Mülheim kaum genutzt.

Zwei kranke Enkelkinder, langes Warten in der Notdienstpraxis: Es war ein stressiger Sonntag für Michaela Schnieders. Die Jungs seien zweieinhalb und fünf Jahre alt, berichtet die Oma. Der Mülheimer Kinderarzt habe bereits Fiebersaft und Zäpfchen verschrieben, doch am Wochenende sei es schlimmer geworden: Fieber nahe der 40-Grad-Marke, Hals- und Kopfschmerzen. Am Sonntagmorgen hätten sie entschieden, den Notdienst aufzusuchen.

Reguläre Anlaufstelle für Mülheimer Familien ist seit Juli 2019 die Kindernotdienstpraxis im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO). Dort war am Sonntag zeitgleich eine befreundete Mutter mit ihrem Kind und meldete: drei Stunden Wartezeit. „Da standen sie im Treppenhaus bis zur ersten Etage. Die Praxis liegt in der dritten Etage“, berichtet die Oma. Also versuchten sie ihr Glück stattdessen in der Essener Notdienstpraxis. Zwei Stunden Warten. Dann habe ein Arzt die Jungs untersucht - nicht ohne den Hinweis, dass sie eigentlich nach Oberhausen hätten fahren müssen. „Ich finde, es sollte in Mülheim für Kinder wieder eine Praxis geben“, meint die Großmutter. „Hier wird an den Kindern gespart.“

Oma kritisiert fehlenden Kindernotdienst in Mülheim als „Zumutung“

Weitere Anfahrtswege waren seinerzeit zentrales Argument gegen die Verlegung des Kindernotdienstes. Auch Mülheimer Kinderärzte hatten dagegen gekämpft - vergeblich. Zuletzt gab es kaum noch öffentliche Beschwerden, doch für manche Mülheimer Familien bleibt es offenbar schwierig. Ihre Tochter habe kein Auto, berichtet Michaela Schnieders. „Sie hatte das Glück, dass ich sie fahren konnte. Es wäre nicht möglich gewesen, mit so kranken Kindern öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.“ Wenn es eine Notdienstpraxis in Mülheim gäbe, könnte man notfalls ein Taxi nehmen, meint die Großmutter. „So ist es eine Zumutung.“

Wegen dieser Zustände im kinderärztlichen Notdienst, chronischer Überfüllung, wurde in Mülheim längst eine alternative Anlaufstelle für Familien geschaffen: Auch die allgemeine KV-Notdienstpraxis im St. Marien-Hospital behandelt Kinder und Jugendliche - mit Ausnahme von Babys und Kleinkindern. Diese Möglichkeit haben Vertreter der örtlichen KV-Kreisstelle und der Stadt Mülheim im Frühjahr 2023 publik gemacht, ausdrücklich in der Absicht, die Notfallversorgung der Mülheimer Kinder zu verbessern.

Notdienstpraxis am St. Marien-Hospital: Sieben Prozent der Patienten unter 18 Jahre

Doch bisher nutzen nur wenige dieses Angebot. Das belegen Zahlen der Mülheimer KV-Kreisstelle: Wie deren Vorsitzender, Dr. Stephan von Lackum, auf Anfrage berichtet, betrug der Anteil der unter 18-Jährigen, die in der Notdienstpraxis am St. Marien-Hospital behandelt wurden, im Jahr 2023 gerade einmal sieben Prozent. „Das ist wenig“, meint von Lackum, „da ist noch Luft nach oben.“ Im Vergleich zu 2022 - mit sechs Prozent Kindern und Jugendlichen in der Mülheimer KV-Praxis - hat sich der Anteil auch kaum erhöht.

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Generell steigen die Patientenzahlen in der Notdienstpraxis am katholischen Krankenhaus: Im Vorjahr wurden dort laut KV-Statistik mehr als 4000 Personen ambulant behandelt. Dennoch plädiert von Lackum für eine verstärkte Nutzung dieser Anlaufstelle durch Familien mit älteren Kindern, er argumentiert: „Wünschenswert wäre eine bessere Verteilung der Patienten. Wenn größere Kinder oder Jugendliche in Oberhausen drei Stunden warten müssten, aber nur eine Stunde in der KV-Praxis, dann ist allen gedient. Den Patienten, aber auch dem Personal.“ Säuglinge und Kleinkinder würden allerdings in der Regel nicht behandelt.

Obmann der Mülheimer Kinderärzte sieht noch keine Entlastung durch KV-Praxis

Auch Dr. Olaf Kaiser, Obmann der Mülheimer Kinder- und Jugendärzte im Berufsverband BVKJ, erkennt noch keine Entlastung des Kindernotdienstes durch die allgemeine Notdienstpraxis. Er sagt: „Ich glaube, es ist noch nicht so ganz in den Köpfen der Eltern.“ Hinzu komme die Sorge, abgewiesen zu werden und letztendlich mit dem kranken Kind doch weiter fahren zu müssen, „weil nicht jeder Arzt Patienten in jedem Alter therapiert“.

Wartezeiten von drei Stunden beim Kinder-Notdienst in Oberhausen könnten zu Stoßzeiten tatsächlich vorkommen, so Dr. Kaiser. „Ich habe es auch schon erlebt, dass eine große Menschentraube im Flur stand. Wir versuchen dann, die Patienten nach Infekten zu sortieren, so dass etwa kleinere Kinder mit Atemnot nicht warten müssen.“

Mülheimer Kinderarzt: Hauptproblem sind Bagatellfälle im Notdienst

Das Hauptproblem sei aus seiner Sicht jedoch ein anderes, ebenfalls oft beschriebenes: „Viele Vorstellungen sind Bagatellvorstellungen, die Kapazitäten binden: leichte Infekte oder Ausschläge - und nicht schwerwiegende, lang anhaltende Infekte, die keinen Tag länger Zeit hätten“, so der erfahrene Mülheimer Kinderarzt. Wenn Eltern die regulären Sprechstunden abwarten und aufsuchen würden, dann würden sich diese Fälle auf mehrere Praxen verteilen.

Er kann nur immer wieder raten, sich genau anzuschauen, wie es dem Kind geht. „Wenn es noch spielt, trinkt und stabil wirkt, muss man auch mit 40 Fieber nicht sofort zum Arzt. Nackensteife aber oder neu auftretender Ausschlag, der sich verbreitet, das sind echte Warnsignale.“

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