Mülheim. Für akut kranke Kinder gibt es nun doch wieder eine Notfallpraxis in Mülheim. Nur nicht für die Kleinsten. Das müssen Eltern im Ernstfall wissen.

Über den kinderärztlichen Notdienst in Mülheim wurde lange vehement diskutiert. Seit knapp vier Jahren findet er nicht mehr in Mülheim statt, sondern ausschließlich am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO), wo auch die Mülheimer Kinderärztinnen und -ärzte im Wechsel Notdienst haben. Nun öffnet sich plötzlich eine neue Tür: Kinder werden auch in der allgemeinen KV-Notdienstpraxis am Mülheimer St. Marien-Hospital behandelt.

Das haben die Stadt und die örtliche Kreisstelle der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein jetzt gemeinsam verkündet. In der Mitteilung heißt es aber auch, dass die Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern in der allgemeinen Notfallpraxis abgelehnt werden kann, „mangels hinreichender Fachkunde“. Viele Eltern dürften sich jetzt fragen: Was gilt denn nun für mein Kind? Wo liegt die Altersgrenze? Wohin fahren wir im Ernstfall, wenn die vertraute Kinderarztpraxis geschlossen ist? Nach Oberhausen oder zum katholischen Krankenhaus an der Kaiserstraße?

KV-Notdienstpraxis in Mülheim behandelt auch Schulkinder

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Es gebe keine feste Altersgrenze, erklärt Dr. Olaf Kaiser, Obmann der Mülheimer Kinderärzte im Berufsverband BVKJ. Vielmehr entscheide der zuständige Arzt oder die Ärztin in der Notfallpraxis in jedem Einzelfall, ob ein Kind behandelt werden kann oder nicht. Nach seiner Einschätzung müsste dies ab dem Schulkindalter möglich sein. „Bei jüngeren Kinder wird sich der Arzt oder die Ärztin gegebenenfalls ein Bild machen und unter Umständen an die kinderärztliche Versorgung am EKO verweisen“, so Kaiser.

Er ergänzt: Die Öffnung der allgemeinen Notdienstpraxis für Kinder werde auch von den Mülheimer Kinderärzten befürwortet, um den Notdienst am EKO zu entlasten und eine Notfallsprechstunde vor Ort zu haben. „Selbstverständlich sind wir der Meinung, dass Kinder schwerpunktmäßig durch Kinderärzte versorgt werden sollten. Wir denken aber, dass viele infektbedingte Fragestellungen im Notdienst auch durch die Kollegen in der Erwachsenen-Medizin gut beantwortet werden können.“

„Bei Jugendlichen ist es gar kein Problem mehr“

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Genau so sieht es Dr. Stephan von Lackum, Vorsitzender der KV-Kreisstelle Mülheim. Er sagt, Eltern sollten mit Babys und Kleinkindern lieber nicht zum allgemeinen Notdienst kommen. Ab dem Schulalter sei es möglich, nach dem Grundsatz: „Je älter die Kinder sind, desto besser. Und bei Jugendlichen ist es gar kein Problem mehr.“ Grundlage der Neuregelung ist eine Klarstellung der KV Nordrhein, die vor dem Hintergrund zahlreicher RS-Virusinfektionen im vergangenen Winter formuliert wurde: Ärztinnen und Ärzte im Notdienst können auch Kinder versorgen.

Die Notfallpraxis im Mülheim St. Marien-Hospital steht grundsätzlich auch Schulkindern und Jugendlichen offen. Die Familien müssen nicht zwingend zur Kindernotfallpraxis in Oberhausen fahren.
Die Notfallpraxis im Mülheim St. Marien-Hospital steht grundsätzlich auch Schulkindern und Jugendlichen offen. Die Familien müssen nicht zwingend zur Kindernotfallpraxis in Oberhausen fahren. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

In einer Stellungnahme der KV heißt es, grundsätzlich seien auch die im Notdienst tätigen „Erwachsenenärztinnen und -ärzte“ angesichts ihrer Weiterbildung verpflichtet, Kinder- und Jugendliche zu behandeln - mit Ausnahme von Säuglingen und Kleinkindern, deren Behandlung mangels Fachkunde abgelehnt werden kann.

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Dass nun auch die Notdienstpraxis am Marien-Hospital offiziell für Kinder bereit steht, schreiben sich Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz und Gesundheitsdezernentin Dr. Daniela Grobe zu. Die Stadtspitze habe wiederholt Klagen von Eltern bekommen, die eine Kinderambulanz in Mülheim vermissen „und sich in schwierigen Situationen nicht ausreichend versorgt fühlen“, heißt es in der aktuellen Mitteilung. Daher hätten sich Buchholz und Grobe „mit Erfolg“ für Verbesserungen eingesetzt. Sie loben das „entschlossene und gemeinsame Vorgehen aller Akteure“, um die Kinderarztpraxen und den pädiatrischen Notdienst zu entlasten.

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Der OB weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die Versorgung bei wirklich schweren Kinder-Notfällen durch den Rettungsdienst oder Notfallambulanzen an Essener und Oberhausener Krankenhäusern ohnehin gesichert sei. Dr. Daniela Grobe appelliert „eindringlich“ an alle Eltern, die KV-Notdienstpraxis wirklich nur im Notfall aufzusuchen, „also bei einem akut behandlungsbedürftigen Zustand“. Eltern, die unsicher sind, ob ein Arztbesuch bis zur Praxisöffnung warten kann, könnten beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116117 ersten Rat einholen.

Sehr viele „Bagatellinfekte“ in der Kindernotfallpraxis

Zur Frage, ob die KV-Notdienstpraxis am Marien-Hospital den zusätzlichen Andrang von Eltern mit größeren Kindern verkraften kann, äußert sich Dr. Stephan von Lackum entspannt: „Wir haben genügend Platz, Warteraum und auch das Personal dafür. Wir sind bei Weitem nicht so belastet wie die Kinderärzte.“

Zu aktuellen Situation in der Kinder-Notfallpraxis am EKO sagt der Mülheimer Kinderarztsprecher Dr. Olaf Kaiser, die Notdienste würden „sehr zahlreich in Anspruch genommen, wir können diese Anfragen aber im Moment gut bewältigen“. Allerdings seien sehr viele „Bagatellinfekte“ darunter, die nicht zwingend am Wochenende oder abends versorgt werden müssten. Eltern sollten - auch mit Blick auf lange Wartezeiten in der Notdienstpraxis am Marien-Hospital - „sehr gut entscheiden, ob es sich wirklich um einen unaufschiebbaren Notfall handelt“.

Mülheimer Kinderärzte kritisieren spätes Handeln der Politik

Zur Öffnung der Notfallpraxis auch für Kinder ergänzt Kaiser: „Kritisch muss man anmerken, dass die Politik hier sehr spät tätig geworden ist. Unsere Forderungen und Beschwerden liegen ja bereits einige Jahre zurück.“ Die Mülheimer Kinderärzte hatten sich heftig gegen die Entscheidung der KV gewehrt, den zentralen Kindernotdienst nach Oberhausen zu verlegen. Sie waren sogar juristisch dagegen vorgegangen, letztlich ohne Erfolg. Eine private Online-Petition zum Fortbestand des Kindernotdienstes in Mülheim hatten 2019 mehr als 5000 Personen unterzeichnet.

Der kinderärztliche Notdienst wird auch künftig am EKO bleiben. Hintergrund ist das gesundheitspolitische Ziel für ganz NRW, Notdienste zu bündeln und Portalpraxen zu schaffen. So befinden sich seit 2020 auch die zentralen augenärztlichen und HNO-Notdienste für Mülheimer Patienten in Essen. Dort ist das Krupp-Krankenhaus Anlaufstelle für die akute HNO-Versorgung, während sich die augenärztliche Notdienstpraxis der KV im Universitätsklinikum Essen befindet. Doch auch in der Augenklinik im Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM) ist rund um die Uhr eine Augenärztin oder ein Augenarzt verfügbar. Dringende Notfälle können sich hier melden, wenn die KV-Notdienstpraxis in Essen geschlossen ist.