Mülheim. Aufgeweicht vom Regen sind die Felder, auf denen Mülheimer Landwirte Getreide anbauen. Die Weizenernte macht den Bauern besonders große Sorgen.
Der unablässige Regen der vergangenen Wochen hat Feldern in der Region stark zugesetzt. Bevor die Landwirte die Ernte komplett einholen konnten, setzte das nasse Wetter ein. Nun bangen die Mülheimer Bauern, die Getreide anbauen, ob zumindest noch ein Teil des Weizens zu retten ist. Klar scheint schon jetzt: Brot kann daraus nicht gebacken werden – mit Glück taugt das Korn noch als Viehfutter.
Schon wieder ballen sich dunkelgraue Wolken am Himmel über den Raadter Höhen. Auch der Blick von Frederik Schulten-Baumer richtet sich nach oben. Seit Wochen hat der Landwirt das Wetter noch genauer im Blick als ohnehin schon. Blickt er nach unten, sieht der 39-Jährige ebenso wenig Erfreuliches: Der Weizen steht immer noch auf dem Feld an der Neckelstraße, ist komplett nass geregnet, das Korn beginnt längst, in der Ähre zu keimen – und verliert dadurch immens an Qualität und Wert.
Mülheimer Landwirt mit Blick aufs Weizenfeld: „Die Einbußen werden groß sein“
„Die Einbußen werden groß sein, vielleicht sogar ein Totalausfall“, schätzt Frederik Schulten-Baumer den Verlust für seinen Betrieb ein, der unter anderem auf 30 Hektar spätreife Sorten Weizen anbaut. Das Problem in diesem Jahr: Als der Weizen reif war, kam der Regen und wollte nicht mehr enden. „Jetzt ist das Korn so aufgeweicht, dass es lange braucht, um wieder zu trocknen.“
Erst dann könne abschließend entschieden werden, welche Qualität der Weizen noch bringt. Als Brotweizen aber diene das bereits gekeimte Getreide mit ziemlicher Sicherheit nicht, ordnet Schulten-Baumer ein. Vielleicht könne es noch als Tierfutter verkauft werden, die letzte Chance, um noch einen Verdienst aus der Weizenernte zu erwirtschaften, wäre es, sie in eine Biogasanlage zu geben.
Weizenfelder haben grünlichen Schimmer – das ist ein schlechtes Zeichen
„Was für den Laien wie ein goldgelbes Feld aussieht, zeigt sich uns als Feld mit Grünschimmer“, sagt der Landwirt über das keimende Korn. Nun bräuchte es trockenes Wetter und am besten noch Wind über einen längeren Zeitraum, damit das Getreide trocknen kann. Doch auch dann wird die Ernte nicht einfach: „Die Böden sind zu nass, der Mähdrescher sinkt zu tief ein.“
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Die Ackerbohnen, die Schulten-Baumer ebenfalls anbaut, warten auch noch auf dem Feld. Der Landwirt schätzt: „Da sieht es von der Qualität her wahrscheinlich ähnlich aus wie beim Weizen.“ Immerhin sei die Gerstenernte gut gewesen und auch der Raps konnte vor dem einsetzenden Dauerregen vom Feld geholt werden, erzählt der 39-Jährige. Wie aber wohl seine Kartoffeln aussehen? Der Landwirt zuckt mit den Schultern.
Landwirt in Mülheim: Nicht erlebt, dass der Weizen so massiv auf dem Halm wächst
Schon ein paar der Erdäpfel hat Landwirt Hermann Terjung ausgegraben: „Die mussten ohne Wasser groß werden und als sie fast fertig waren, kam der Regen“, berichtet der Vorsitzende der Ortsbauernschaft. Auf manchen Kartoffeln habe sich eine Art Schorf auf der Schale gebildet durch das trockene Frühjahr, das sei zwar unansehnlich, beeinträchtige die Qualität jedoch nicht. Noch seien sie im Wachstum – „die späteren Sorten müssten den Regen noch verwerten können“.
Zur restlichen Ernte sagt Terjung: „Eine Katastrophe: So schlimm wie jetzt, dass der Weizen so massiv auf dem Halm wächst, daran kann ich mich nicht erinnern. Bislang haben wir es immer geschafft, mit der Ernte vor dem Regen fertig zu sein.“ Nicht nur der Weizen macht dem Landwirt Sorgen, auch das Stroh, das er als Nebenprodukt etwa an Pferdehalter verkauft, sei vom Regen angegriffen: „Das ist viel zu dunkel, Pferde sind empfindlich, vertragen das oft von der Lunge her nicht, wenn das Stroh wegen der Nässe nicht eine bestimmte Qualität hat.“
Ohnehin nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt ist der Weizen, den Terjung anbaut – in diesem Jahr beinahe ein Glück, weil die zu erwartende Qualität keine Backfähigkeit haben wird, schätzt der Landwirt und erklärt: „Das Brotgetreide wird mit höheren Kosten produziert, bringt dieses Jahr aber höchstens den Preis für Futtergetreide ein. Davon aber gibt’s schon genug, dann geht der Preis noch mal mehr in den Keller.“ Mit um die 20 Prozent an Verlusten rechnet Terjung aktuell. Für ihn steht fest: „Wir werden in Deutschland Brotgetreide importieren müssen.“
Berater bei der Landwirtschaftskammer: „Wir müssen Brotgetreide importieren“
Davon ist auch der Mülheimer Ortslandwirt Martin Siekerkotte überzeugt: „Bislang hatten wir in Deutschland eigentlich immer genug Getreide, um uns selbst versorgen zu können.“ Aus Ländern wie Kanada und Australien werde der Weizen importiert werden müssen, sagt der Landwirt, der als Berater bei der Landwirtschaftskammer NRW tätig ist. Gerade saß er mit 30 Kollegen zusammen – Thema war auch, dass Backgetreide eingekauft werden müsse. „Das ist landesweit eine katastrophale Lage.“
Siekerkotte selbst produziert auf seinen Feldern an der Grenze zu Kettwig unter anderem Saatgut – auch das wird in diesem Jahr nicht wie gewünscht ausfallen, fürchtet er – die Keimfähigkeit sei durch die nasse Witterung in Mitleidenschaft gezogen.
Immerhin, versucht Siekerkotte dem vielen Regen etwas Positives abzugewinnen: „Der Mais entwickelt sich prächtig und die Zuckerrüben auch.“
Der Weizen landet wohl in Mülheimer Biogasanlage
Betroffen ist auch Einhart Im Brahm, der im Ruhrtal Landwirtschaft betreibt und ebenfalls Weizen anbaut. „Wir ernten keine Qualität mehr, so viel ist klar.“ Auch er kann noch nicht abschätzen, ob sein Weizen noch als Futtergetreide dient oder in die eigene Biogasanlage wandern wird. „Wir wissen, dass es schlecht ist“, sagt der 56-Jährige, „aber wir wissen noch nicht, wie schlecht es wirklich ist.“
Für seinen Betrieb ordnet Im Brahm ein: „Die Lage ist schwierig, aber nicht katastrophal.“ Drei Viertel des Weizens hatte er vor dem Regenwetter bereits eingefahren – „dafür haben wir aber auch jede trockene Stunde genutzt, auch nachts.“ Der feuchte Rest komme in die eigene Trocknung. Das durchnässte Getreide trocknen zu lassen, verursacht bei Landwirten, die diese Dienstleistung einkaufen müssen, zusätzliche Kosten.
Was die Landwirte jetzt unbedingt brauchen? Klar, trockene Witterung mit viel Sonne. Ortslandwirt Siekerkotte schickt ein Stoßgebet zum Himmel: „Wir brauchen nicht einfach schönes Wetter, sondern richtig, richtig tolles.“
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