Mülheim. Rund 100 Interessierte kamen zum Start der ersten Solidarischen Landwirtschaft in Mülheim. Warum sie von der Idee überzeugt sind.

Der diesjährige Probeanbau der ersten Mülheimer Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in Mintard ist ein voller Erfolg. Doch bevor der richtige Solawi-Betrieb in Dümpten auf dem Eumannshof starten kann, bedarf es noch einiger finanzieller Mittel. Deshalb lud der Solawi-Verein am Sonntag zur Auftaktveranstaltung seiner sechswöchigen Crowdfunding-Aktion ins vegan-vegetarische Restaurant Ronja ein. Warum die Idee der Solidarität und Nachhaltigkeit etliche Menschen überzeugt hat.

Ruhig und sachlich informierte der Agrarwissenschaftler und Soziologe Johannes Dabringhausen das aufmerksame, rund 100 Personen starke Auditorium, über die derzeitige konventionelle und gewinnorientierte Landwirtschaft, die in erheblichem Maße für den Klimawandel mitverantwortlich, aber gleichzeitig auch extrem abhängig vom Klima sei. Auch wegen der Anonymität zwischen Erzeuger und Kunde kam er zu dem Schluss: „Wir müssen was ändern.“

Mülheimerin über konventionelle Landwirtschaft: „Wir können so nicht weitermachen“

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Doch Dabringhausen machte auch klar, dass eine Solawi mit ihren Kernpunkten Solidarität, Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Artenvielfalt nicht die Lösung, sondern vielmehr ein Teil davon sei. „Wir können so nicht weitermachen“, sagte später auch die Mülheimerin Birgit (64).

Ebenfalls eingängig war Alena Schürens Erfahrungsbericht aus dem Anbauteam des derzeitigen Probeackers, wenn sie etwa von der Schädlingsbekämpfung mit den Händen erzählte: „Ich habe ne Menge Schädlinge persönlich kennengelernt.“ Einprägsam ihre Erkenntnis durch das Studium ‘Angewandte Nachhaltigkeit‘: „Pflänzchen hochzuziehen ist eine total befriedigende Tätigkeit!“.

Sie stehen hinter der Idee, v.l.: Maren Wolff, Susanne Wiegel, Michael Bonke und Johannes Dabringhausen stellen im Ronja das Crowdfunding für die solidarische Landwirtschaft vor.
Sie stehen hinter der Idee, v.l.: Maren Wolff, Susanne Wiegel, Michael Bonke und Johannes Dabringhausen stellen im Ronja das Crowdfunding für die solidarische Landwirtschaft vor. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Lust-Faktor Land - eine echte Psycho-Hygiene

Im Podiumsgespräch – unter anderem mit Susanne Wiegel von der Essener Initiative Transition Town und Michael Bonke, Leiter der Solawi-Workshops zu Kompostierung und Fermentierung, aber auch mit der jungen Mutter Maren Wolff, derzeitige Anteilnehmerin der Solawi – wurde der Lust-Faktor beleuchtet. „Weil’s Spaß macht, sich zu engagieren“, sagte Michael etwa und sprach von „Psycho-Hygiene“. Die einfache, umso eindringlichere Aussage von Maren sowie dem Moderator Hans Kühnl: „Tut gut“, das Gemüse von der Solawi zu beziehen, prägten sich ein.

So sagte anschließend Michèle (52): „Absolut überzeugend. Die Idee ist großartig. Ich will auf jeden Fall Mitglied werden.“ Ihre Freundin Serhan (42) ist auch von den Mitmach-Aktionen des Vereins, wie gemeinschaftliches Unkrautjäten am Wochenende, angetan, erhofft sich von der praktischen Anleitung viele Anregungen für den eigenen Garten.

Zahlreiche Interessierte verfolgen am Sonntag, 04.09.2022, im Restaurant Ronja in Mülheim an der Ruhr die Auftaktveranstaltung zum Crowdfunding für die solidarische Landwirtschaft. Foto: Martin Möller /Funke Foto Services
Zahlreiche Interessierte verfolgen am Sonntag, 04.09.2022, im Restaurant Ronja in Mülheim an der Ruhr die Auftaktveranstaltung zum Crowdfunding für die solidarische Landwirtschaft. Foto: Martin Möller /Funke Foto Services © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Solidarität mit Landwirt und einkommensschwachen Haushalten

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Sie und ihr Mann Marc (44) haben wie Michèle ihren Aufnahmeantrag vor sich. Marc ist „begeistert, dass solch junge Menschen das so professionell aufgegriffen haben. Sehr gut!“ Insbesondere mit ihrem Crowdfunding-Video, das am Sonntag erstmals gezeigt wurde und auf der Homepage www.solawi-mh.de zur Verfügung steht, konnte der Verein das Publikum für sich gewinnen.

Der zweifache Solidaritätsgedanke, den Alena im anschaulichen Video ausführt, wirkte auf das Publikum sehr sympathisch: Solidarität mit dem Landwirt, der fair entlohnt werde, aber auch Solidarität unter den Mitgliedern, indem „einkommensstärkere Haushalte den einkommensschwächeren Haushalten eben auch eine Mitgliedschaft ermöglichen“. Gründungsmitglied Oskar Liebisch bringt den Kern der Solawi im Video auf den Punkt: „Wir nehmen so dem Gemüse seinen Preis, und geben ihm seinen wirklichen Wert zurück.“

Viele Anteilnehmer in Saarn und Essen

Viele Anteilnehmer der solidarischen Landwirtschaft wohnen in Saarn oder Essen, während der zukünftige Solawi-Standort in Dümpten liegt.

Über die Schwarmfinanzierung (Crowdfunding) will der Verein Solawi Mülheim Folientunnel und Vlies erwerben, auch ein Lastenrad oder auch einen -anhänger. Damit ließe sich das Gemüse leicht in die City zu einem Verteilerort bringen, sodass die Umwelt geschont wird.

Von der Website des Vereins www.solawi-mh.de gelangt man über einen Link zur Plattform Ecocrowd, der nachhaltigen Crowdfunding Plattform für nachhaltige Projekte. Dort sind die geplanten Anschaffungen, aber auch die Dankeschöns aufgelistet. Etwa das Anlegen und Pflegen über 3 Jahre von Blühstreifen, ein Gemüse-Kochbuch der Solawi oder ein eintägiges Gartencoaching mit Alena Schüren.