Mülheim. Im Sommer gibt es reichlich Obst und Gemüse, aber nicht genügend Nachfrage. Wie Mülheimer Landwirte und Hofläden dieses Problem lösen.

Bei vielen Hofläden und Landwirten herrscht aktuell ein Überschuss an Obst und Gemüse, aber es gibt nicht genügend Abnehmer. Wie gehen die einzelnen Landwirte, Hofläden und Start-ups mit der Schwierigkeit um?

Der neue Familienbetrieb „Wilma und Willi“ von Jasmin Niebling liefert seit Anfang 2022 seine Produkte vom Hofladen mit einem Elektro-Fahrzeug nach Hause zu seinen Kunden. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Essen, beliefert aber seit einem Jahr auch Mülheim. „Jedoch werden im Sommer nicht genügend Waren verkauft, obwohl gerade das Sortiment an nachhaltig und regional angebauten Lebensmitteln am größten ist“, berichtet die Unternehmerin. Zurzeit müssen viel weniger Lebensmittel importiert werden als im Winter. Beispielsweise seien Gurken im Sommer sogar durchschnittlich 30 Prozent günstiger als importierte im Winter.

Aktion „Frischefestival“ startet auch in Mülheim

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Doch das Start-Up „Wilma und Willi“ hat eine Idee. Im Rahmen der Aktion „Frischefestival“ können Interessierte regionale Obst- und Gemüsekisten in ihrem Online-Hofladen kaufen. Der Hofladen hat viele Produkte zu bieten. Das reguläre, heimische Angebot umfasst neben Obst und Gemüse noch Milch, Joghurt, Käse, Säfte, Marmeladen, Öle, Honig, Müsli oder auch Bio-Wiesenblumensträuße.

Die Inhalte der Festivalkisten könne man sich nicht aussuchen, anders als bei den herkömmlichen Kisten. Die Kosten beginnen bei 40 Euro. „Dafür sind die Festivalkisten verhältnismäßig günstiger, werden ohne Liefergebühr versandt und Rezepte legen wir auch noch dazu“, sagt Niebling. Die Gründerin von „Wilma und Willi“ erzählt: „Wir merken, dass die Leute Lust auf gute Produkte haben.“

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Oberschuirshof und Lieferservice arbeiten Hand in Hand

Diese Aktion findet drei Wochen lang statt. Das Frischefestival diene dazu, dass Interessierte schauen können, ob regionales Obst und Gemüse in ihr eigenes Leben passt. Die Produkte stammen von der Imkerei Berghane in Gelsenkirchen, vom Mittelhammshof aus Essen, vom Wünnerhof und Gut Marienhof im Felderbachtal, der Ruhrmühle aus Bottrop und vom Oberschuirshof an der Stadtgrenze von Essen und Mülheim.

Das Familienunternehmen ist obendrein auf den Oberschuirshof gezogen, um noch mehr mit regionalen Landwirten zu kooperieren. Während der Online-Hofladen seine Lebensmittel in Bio-Qualität verkauft, sei wichtig zu erwähnen, dass der Oberschuirshof kein Bio-Hof ist. „Der Hofladen läuft zwar gut, aber wir spüren die fehlende Nachfrage im Sommer“, gesteht Niebling. Die Kindergärten und Schulen, die sonst mit „Wilma und Willi“-Produkten versorgt werden, fallen in den Sommerferien weg und erschweren dem jungen Start-Up das Geschäft.

Handel in Mülheim – weitere Themen:

Kaufverhalten Mülheimer Kunden hat sich geändert

Landwirt Nikolas Weber vom Oberschuirshof in Essen.
Landwirt Nikolas Weber vom Oberschuirshof in Essen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auch Bauer Nikolas Weber vom Oberschuirshof klagt: „Wenn wir Ende April mit dem Gemüsebau anfangen, können wir erst in den Sommerferien ernten, doch unser Klientel ist in diesem Zeitfenster nicht da.“ Überwiegend Familien machen die Kundschaft aus und diese seien in den Sommerferien größtenteils weg. Daher bleibe vieles der Produktion auf der Strecke. „Ich mag das Wort ,Überproduktion’ nicht, wir versuchen marktgerecht zu produzieren, aber mit der Natur zu arbeiten, ist nicht einfach“, meint Weber.

Außerdem werden dieses Jahr teurere Produkte wie Spargel, Erdbeeren oder Kirschen verhaltener gekauft. Die importierten Lebensmittel seien generell viel günstiger und nur das interessiere die meisten Kunden. Die einheimische Produktion lohne sich kaum.

Mülheimer Hofladen-Schultenhof hat immer einen Plan B

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Der „Hofladen-Schultenhof“ in Menden-Holthausen spüre ebenfalls den Nachlass im Kaufverhalten. „Hofläden sind höherpreisig unterwegs, weswegen Obst und Gemüse nur spärlich gekauft werden“, sagt Stefan Löckenhoff vom Hofladen. Seine Schwiegereltern sorgen sich um den Hauptteil des Hofes und er leitet zusammen mit seiner Frau den Hofladen. Zu Coronazeiten lief der Hofladen laut Löckenhoff noch gut, doch seit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise geht der Umsatz zurück.

Der Schultenhof in Mülheim hat einen Hofladen.
Der Schultenhof in Mülheim hat einen Hofladen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Wir leben von unserer Stammkundschaft, deswegen passen wir uns unserer Kundschaft an“, erklärt der Ladeninhaber. Zur Sommerzeit seien viele ihrer Kunden im Urlaub und daher produzieren sie dementsprechend auch weniger Lebensmittel. Um dem geringen Bedarf entgegenzuwirken, kooperiert er mit anderen Hofläden, verkauft Gemüse vom Vortag zu reduzierten Preisen oder vermietet eigene Ländereien. „Wir bleiben auch dadurch flexibel, dass wir verschiedene Geschäftsfelder abgeben und übernehmen“, erklärt Löckenhoff.

„Solidarische Landwirtschaft“ rettet Lebensmittel in Mülheim

Das Mülheimer Netzwerk „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi) mit 120 Mitgliedern spürt die Folgen der Abnahme der Nachfrage nach Gemüse und Obst nicht allzu stark. „Eine Gruppe von Menschen finanziert den Gemüseanbau in Mintard und Dümpten vor und diese erhalten dafür einen Anteil der Ernte“, erklärt Alena Schüren, Mitglied des Anbauteams der Solawi. „Wenn die Leute aber ihre Ware nicht abholen, werden die Lebensmittel an das Foodsharing oder die Mülheimer Tafel weitergegeben“, stellt Schüren klar.

Weitere Informationen: www.wilmaundwilli.de,www.oberschuirhof.de,www.schultenhof.de,www.solawi-mh.de