Mülheim. Wie digital sind Mülheims Schulen schon? Ein neues Ampelsystem gibt Auskunft darüber. Noch ist unklar, wo die vielen Tablets herkommen sollen.
Wann können wir in Mülheims Schulen endlich richtig digital arbeiten? Diese Frage stellen genervte Schüler und Schülerinnen oft. Auch Eltern und Lehrkräfte fordern Antworten. In der Vergangenheit wurde einiges versäumt, das hat die Pandemie deutlich gemacht. Mittlerweile aber arbeitet man bei Stadt und Medl unter Hochdruck daran, die Schuldigitalisierung voranzutreiben. Ein Ampelsystem der Verwaltung sorgt jetzt für Übersicht und Struktur. Für jede einzelne Schule ist festgeschrieben, was auf dem Weg zur perfekten Ausstattung noch zu erledigen ist. Knalliges Rotlicht gibt es zum Glück eher selten.
Das Team von Juliane Neubner, Leiterin des Amtes für Digitalisierung und IT, hat Steckbriefe für jeden Standort verfasst, an die Schulleitungen verschickt. Daten wie Schülerzahlen tauchen dort auf, vor allem aber Infos über den jeweiligen Stand der Technik. Und am Ende findet sich besagte Ampel. Aufgeteilt in vier Blöcke, die je nach Fortschritt mit einem roten, gelben oder grünen Licht versehen sind, wird schnell klar, wo es noch Handlungsbedarf gibt: a) beim generellen Internetanschluss, b) bei der Verkabelung des Gebäudes, c) beim Wlan in den einzelnen Räumen und/oder d) bei der Ausstattung mit Endgeräten.
Die Digital-Ampel des Gymnasiums in Mülheim-Heißen hat aktuell vier gelbe Lichter
Das Gymnasium Heißen hat aktuell vier gelbe Lichter. Heißt: Es ist schon einiges passiert. Heißt aber auch: Es muss noch deutlich mehr geschehen, damit die über 1000 Schüler und Schülerinnen endlich digital durchstarten können. So zählt man beispielsweise erst 150 Endgeräte. Immerhin steht der Anschluss ans Glasfasernetz im Herbst 2024 an – und nicht, wie anfänglich befürchtet, vielleicht erst Mitte 2025.
Eine Schule digital auf Vordermann zu bringen, ist eine komplexe Angelegenheit. Das wird im Gespräch mit Digitalisierungsdezernentin Anja Franke, mit Juliane Neunber und mit Stefan Wilp, Abteilungsleiter Schul-IT, klar. Es sind einige schweißtreibende Etappen zurückzulegen, bis jedem Schüler, jeder Schülerin eines Tages ausreichend schnelles Internet zur Verfügung steht. Angedacht sind 2 Mbit/s pro Kopf.
Die Medl baut das Glasfasernetz sukzessive aus – an vielen Stellen ist Geduld gefragt
Zunächst muss es überhaupt mal Zugang zum Internet geben: Netzbetreiber Medl baut das Glasfasernetz sukzessive aus, doch mancher Haushalt wird noch lang aufs Kabel warten müssen. Übergangslösungen wie LTE-Antennen sind daher an den Schulen durchaus willkommen, berichtet das Trio.
Die größte Herausforderung ist die Verkabelung jedes einzelnen Standortes – dort stehen manche Schulampeln auf Knallrot. „Wir reden da über 46 Gebäude und knapp 1200 Klassenzimmer“, macht Neubner deutlich. Zwar sei eine externe Firma damit beauftragt, jeden einzelnen Raum unter die Lupe zu nehmen, doch immer in enger Absprache mit dem Amt. Welche Kabel gibt es schon? Welche werden noch benötigt? Wo können sie gefahrlos verlegt werden? Fragen wie diese sind zu klären.
Schadstoffe in manchen Schulgebäuden bereiten den Planern Sorgen
In manchen alten Schulgemäuern stecken Schadstoffe wie Asbest oder PCB. Das ist ein Problem. Zum Teil müsse man jedes angedachte Bohrloch extra beproben, sagt Wilp. Und die Kabel gegebenenfalls auf anderem Weg in die Klassenzimmer führen. „Eine aufwendige Sache“, finanziell und zeitlich. „Die Bautätigkeit in den Schulen ist der Zeitfresser“, bestätigt Franke. Immerhin liege mittlerweile eine erste Entwurfsplanung für alle 1200 Klassenzimmer vor, wurde jeder Raum oberflächlich begutachtet.
Digitalisierung der Mülheimer Schulen – Lesen Sie auch:
- Digitalisierung: Warum sich einige Schulen abgehängt fühlen
- Tablets & Co.: Benachteiligte das Land Mülheims Schulen?
- Digitale Schule: Mülheim erhält Fördermittel für neue Tafeln
- Digitalpakt Schule: Acht Millionen Euro fließen nach Mülheim
- Zwei Mio. Euro für Tablets: 13 Mülheimer Schulen profitieren
Um letztlich jede Ecke eines Klassenzimmers mit Wlan zu versorgen, auch dem Schüler in der hinterletzten Bank das Arbeiten mit dem Tablet zu ermöglichen, müssen vor Ort auch noch „professionelle aktive Netzwerkkomponenten“ angebracht werden, so Wilp, zum Beispiel so genannte „Access Points“.
Flächendeckende Ausstattung mit Tablets und Co. dürfte ein Problem werden
„Die ersten drei Schritte“, da ist die Beigeordnete Franke sicher, „werden wir spätestens Ende 2025 in allen Schulen abgeschlossen haben.“ Problematisch aber bleibt wohl die letzte Ampel, also die umfassende Ausstattung mit Tablets, Laptops und interaktiven Screens, die klassische Tafeln ersetzen sollen. Bis dato hat das IT-Amt knapp 10.000 Tablets und 1500 Laptops an die rund 22.000 Schüler und Schülerinnen der Stadt verteilt. Wie die Finanzierung der weiteren Geräten gelingen kann, ist unklar.
24 Millionen Euro haben Bund und Land für den Glasfaseranschluss in der Stadt bereitgestellt. Und aus dem „Digitalpakt“ sind weitere 12,5 Millionen Euro nach Mülheim geflossen – für die digitale Aufrüstung der Schulgebäude sowie für Tablets und Co. „Das Geld reicht für die Infrastruktur“, weiß die Dezernentin, „doch nicht für die 1:1-Ausstattung aller Schüler und Schülerinnen mit Endgeräten.“ Wegen der prekären Haushaltssituation werde die Stadt nicht einspringen können. Man müsse also auf neue Fördermittel hoffen, aber durchaus auch über Elternbeiträge nachdenken.
Mülheimer Schultablets sind für TikTok, Netflix und Instagram gesperrt
Allein drei Kollegen sind in Neubners Amt für den Support der Rechner zuständig und ein weiterer Mitarbeiter kümmert sich ums Aufspielen der Schulsoftware mit Jugendschutzfiltern und anderem. Die Geräte werden zentral gesteuert. TikTok, Netflix, Instagram: Für solche Privatvergnügungen stehen sie nicht zur Verfügung. „Sondern nur für das, was zum digitalen Lernen nötig ist“, so Wilp.
Um Unterricht mit Laptops zu ermöglichen, müssen auch die Schulen tätig werden, sagt Franke. „Sie müssen sich möglichst bald für Lernsoftware entscheiden und sich abstimmen.“ Einen Flickenteppich unterschiedlicher Software werde man im Support der Stadt „nicht gestemmt bekommen“.