Mülheim. Feiern und Spaß haben wie andere Jugendliche auch - das wünscht sich Aimée Heimbach. Gibt es wirklich kein Angebot für das gehbehinderte Mädchen?
Muriel Heimbach sucht seit mindestens zwei Jahren ein Freizeitangebot für ihre Tochter Aimée, „die ein ganz normales Mädchen ist, aber eben gehbehindert“, wie sie sagt. Was so einfach klingt, führte Mutter und Tochter auf eine Odyssee und zu der Erkenntnis: „Es gibt keine Angebote für körperbehinderte Jugendliche in Mülheim – das kann doch eigentlich nicht sein.“
Das dachte sich unsere Redaktion auch und machte sich ebenfalls auf die Suche nach einem Freizeitangebot für körperlich behinderte Jugendliche wie die 15 Jahre alte Aimée. Die sagt ganz selbstbewusst: „Ich bin nicht auf den Mund gefallen. Wenn ich Hilfe brauche, kann ich danach fragen.“
Nur ein Jugendzentrum bietet inklusive Gruppen
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Eine „ganz normale Jugendliche“ mit Rollstuhl oder Rollator - könnte sie nicht einfach in ein „ganz normales“ Jugendzentrum gehen? „Das wäre schön, aber unser Gebäude ist aus den Fünfzigerjahren. Zum Eingang führen Stufen und auch die Toiletten sind nicht rollstuhlgerecht“, sagt ein Mitarbeiter des Jugendzentrums Stadtmitte und verweist auf den Jugendtreff an der Landsberger Straße der Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt. Dieser ist das einzige Jugendzentrum mit mehreren inklusiven Gruppen. „Wir haben sogar einen Fahrdienst, der Jugendliche von zu Hause abholt und wieder zurückbringt“, sagt Sozialarbeiter Carsten Lewrick. Allerdings stellt er klar: „Die Besucher der Gruppen haben überwiegend kognitive Einschränkungen, häufig handelt es sich um Schülerinnen und Schüler der Rembergschule“, erklärt er.
Körperliche und geistige Behinderungen – das sind sehr unterschiedliche Bedürfnisse, weiß Aimée. „Mich nervt es, wenn Leute von körperlicher auf geistige Behinderung schließen und mit mir sprechen, als wäre ich ein kleines Kind.“ Am schlimmsten ist es für sie, wenn sich jemand hinkniet, um „auf Augenhöhe“ zu sprechen. „Das ist genau das Gegenteil davon“, sagt sie. Das Argument mit der fehlenden Behindertentoilette lässt sie auch nicht gelten. „Ich werde doch mal in der Lage sein, zwei Stunden nicht aufs Klo zu müssen.“
Ein echtes Miteinander entsteht selten
Eigentlich suchen Aimée und ihre Mutter gar kein super spezielles Angebot. Ein Jugendtreff, an dem auch ein Mädchen im Rollstuhl teilnehmen kann, würde ihnen schon reichen. Oder zumindest ein echtes Miteinander, bei dem sich wirklich alles mischt. „Nur weil ich körperlich behindert bin, heißt das doch nicht, dass ich nur mit anderen Körperbehinderten zusammen sein will“, sagt Aimée.
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Ein echtes Miteinander von Behinderten und nicht Behinderten – dafür steht der inklusive Sportverein VBGS. „Die Corona-Zeit hat unser Angebot stark minimiert. Dauerbrenner sind aber unsere Schwimmkurse“, sagt Alfred Beyer, Urgestein des VBGS. Das Credo des Vereins laut Beyer: „Wir bieten Sport ohne Leistungsdruck für Jedermann.“
Aimée möchte am liebsten Hip Hop oder Breakdance machen
Am liebsten möchte Aimée tanzen. „Hip Hop oder Breakdance wären toll.“ Eine Zeit lang hat sie ein Angebot in Düsseldorf genutzt, aber 40 Minuten für eine Fahrt wurden auf Dauer zu lang. Ein einmaliges Angebot, das weit über Mülheims Stadtgrenzen hinaus bekannt war, war die integrative Disco Grenzenlos, die zuerst vom VBGS veranstaltet worden ist und später von Stephan Bevermeier im Ringlokschuppen fortgeführt wurde. Seit dem frühen Tod des Organisators gibt es dieses besondere Angebot nicht mehr. Der Verein Rolli Rockers Sprösslinge hat lange Zeit eine Rolli-Sport-Gruppe angeboten. „Wir brauchen spezielle Übungsleiter, die für den Rehasport ausgebildet sind. Wenn wir da jemanden finden, nehmen wir die Gruppe wieder auf“, sagt Bernd Nierhaus vom Verein.
Muriel Heimbach mag die Suche noch nicht aufgeben. Sie hat die Hoffnung, dass ihre Tochter, die aktuell unter der Woche ein spezielles Förderschul-Internat in Köln besucht, wieder ganz zurück nach Mülheim ziehen und hier eine Schule besuchen kann. „Aber dann wäre es natürlich schön, wenn sie hier schon Jugendliche kennt. Und auch sonst: Sie ist 15. Da will man doch an den Wochenenden nicht ständig mit den Eltern abhängen.“