Mülheim. Der Verein Rolli Rocker will Mülheims ersten inklusiven Spielplatz bauen. Was das für den Dreijährigen Mika und seine Familie bedeuten würde.
„Für mich steht das Ding schon.“ Bernd Nierhaus, besser bekannt als Rolli Rocker, ist wie immer die Zuversicht in Person. Und zwar ganz egal, ob es um einen Begleithund für ein behindertes Kind geht oder eine Urlaubsreise für eine krebskranke Mutter und ihre Kinder. Doch dieses Mal hat sich der Mülheimer besonders viel vorgenommen: Er will einen kompletten Spielplatz umbauen. Die Anlage an der Aktienstraße mit mehr als 500 Quadratmetern Spielfläche soll zum ersten inklusiven Spielplatz der Stadt werden, beispielsweise mit einer Schaukel für Rollstühle, einem ebenerdigen Karussell oder einer inklusiven Kletterwand. Kostenpunkt nach seiner Einschätzung: um die 300.000 Euro.
„Ich habe schon mit dem Oberbürgermeister und dem Bauaufsichtsamt gesprochen. Aber das Projekt steht noch ganz am Anfang“, sagt Bernd Nierhaus, dessen Verein Rolli Rockers Sprösslinge dafür bekannt ist, unbürokratisch Hilfe für Menschen in Not zu mobilisieren. „Aber ich merke schon, um die Bürokratie kommen wir diesmal nicht drum herum. Das wird eine große Aufgabe.“
„Wir wollen keine separaten Spielflächen für Behinderte“
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Bernd Nierhaus könnte in dieser Angelegenheit zum Pionier in der Region werden. Inklusive Spielplätze, die auch auf die Bedürfnisse von geistig und körperlich Behinderten eingehen, gibt es kaum in Deutschland. In der Landeshauptstadt Düsseldorf gibt es aktuell ein inklusives Spielgerät, ein Rollstuhlfahrerkarussell im Nordpark. Doch ein barrierefreies Gerät macht noch keinen inklusiven Spielplatz. Das ist unter anderem in der UN-Behindertenrechtskonvention geregelt, die seit 2009 ein Recht auf Teilhabe verankert hat - auch in der Freizeitgestaltung. „Inklusion bedeutet ja, ein Miteinander zu ermöglichen. Wir wollen keine separaten Spielflächen für Behinderte, sondern einen Spielplatz, auf dem jeder nach seinen Fähigkeiten spielen kann“, sagt Janine Willrich, Tochter von Rolli Rocker und Vorsitzende des Vereins.
Aber was bedeutet es konkret, mit einem behinderten Kind auf den Spielplatz zu gehen? Andreas Holzinger bringt es in einem Satz auf den Punkt: „Es ist oft ganz einfach traurig, weil man vor allem sieht, was mit dem eigenen Kind nicht geht.“ Der Essener ist Vater des kleinen Mika (3), der durch Komplikationen im Mutterleib schwere Hirnschädigungen erlitten hat. Mika kann sich selbst nicht aufrecht halten, nichts greifen und muss permanent gestützt werden. Auf dem Spielplatz könne der Dreijährige nur zwei Geräte nutzen: die Babyschaukel und die Drehplatte.
Mülheimer Sponsoren sollen schon bereit stehen
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„Bei der Babyschaukel sieht es so aus, dass ich mein ein Meter langes Kind hineinbekommen muss, ohne ihm wehzutun. Ich halte seine Hände und passe auf, dass er beim Schaukeln nicht gegen das Metallgestänge stößt. Das ist purer Stress“, erklärt der Vater. Solche Situationen kennen viele Eltern mit entwicklungsgestörten, geistig behinderten und autistischen Kindern, die oftmals eine herabgesetzte Körperspannung oder sensorische Besonderheiten haben und sich nicht gut selbst halten können. „Es gibt Spielgeräte, die gepolstert sind, aber die haben ihren Preis“, sagt der Vater. Ein kleines, inklusives Spielgerät koste schnell 20.000 Euro und mehr. „Aber irgendwo muss man ja mal anfangen. Wenn nur eines von fünf Spielgeräten inklusiv wäre, wäre vielen geholfen.“
Bernd Nierhaus hat sich vorgenommen, den inklusiven Spielplatz zu seinem persönlichen Projekt zu machen, solange es seine Gesundheit zulässt. 300.000 Euro sind eine stolze Summe, aber der Mann, der selbst im Rollstuhl sitzt, hat schon bei seinen üblichen Partnern nachgefragt und sei überall auf offene Ohren gestoßen. Nun hofft er auf Unterstützung der Stadt und auf Landeszuschüsse.