Mülheim. Alfred Beyer: Eine Mülheimer Institution bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Was er zu seinem 80. Geburtstag erreicht sieht.
Inklusion und Barrierefreiheit sind heute in aller Munde. Alfred Beyer, der am 22. August seinen 80. Geburtstag feiert, hat die Hälfte seines Lebens auf dieser Baustelle gearbeitet. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenselbsthilfe und der chronischen Kranken (AGB) und des Vereins für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) schaut im Interview auf Erfolge und auf noch offene Baustellen seiner Arbeit.
Wie kamen Sie zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?
Alfred Beyer: Ich habe mich ursprünglich in der Jugendarbeit des Kolpingwerkes engagiert. Die Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche, die sich Schritt für Schritt weiterentwickeln und so ihren Lebensweg gehen, begeistert mich bis heute.
Mülheimer Alfred Beyer hat durch Knochenkrebserkrankung ein Bein verloren
Wie kamen Sie zum Behinderten- und Rehabilitationssport?
Nachdem ich durch meine Knochenkrebserkrankung ein Bein verloren habe, meine berufliche Selbstständigkeit als Raumausstatter aufgeben musste und mir ein Amtsarzt bescheinigt hatte: ‚Sie leben nicht mehr lange‘, habe ich im Behinderten- und Rehabilitationssport Erfolgserlebnisse und vor allem eine neue Lebensaufgabe gefunden.
Was verstehen Sie unter Inklusion?
Das Prinzip „Alles für alle“. Wir müssen begreifen, dass es keine behinderten, sondern nur beeinträchtigte Menschen gibt, die durch die Gesellschaft behindert werden.
Wodurch zum Beispiel?
Indem man nicht aufeinander zugeht und miteinander spricht. Indem Arbeitgeber und beeinträchtigte Arbeitnehmer nicht zueinanderkommen, weil sie die ihnen zustehenden beruflichen Integrationshilfen nicht einfordern und nutzen. Indem Autofahrer Behindertenparkplätze oder Gehwege zuparken. Indem es in unserer Stadt viel zu wenige barrierefreie Toiletten gibt oder indem das Schreiben vom Amt zu klein gedruckt wird, so dass es für Sehbehinderte nicht lesbar ist.
Erfolge? Mülheimer Checkliste für barrierefreies Bauen „wird bundesweit genutzt“
Auch interessant
Was sehen Sie als Erfolg Ihrer Arbeit an?
Dass inzwischen einige beeinträchtigte Menschen mit entsprechenden Integrationshilfen bei der Stadtverwaltung arbeiten. Dass die Checkliste für barrierefreies Bauen, die wir zusammen mit dem damaligen Behindertenkoordinator der Stadt, Hermann Hofmann, und seiner Nachfolgerin Felicitas Bütefür erarbeitet haben, inzwischen nicht nur in Mülheim, sondern bundesweit genutzt wird. Automatiktüren, breite Türen, die auch von Rollstuhlfahrern passiert werden können. Taktile Leitlinien im öffentlichen Raum, kontrastreiche Türen und Treppenstufen, Induktionsschleifen für Schwerhörige, Aufzüge mit elektronischer Etagenansage, Rampen, Haltestellen-Caps, die einen barrierefreien Zugang zu Bussen und Bahnen ermöglichen, sind klassische Formen des barrierefreien Bauens. Das muss nicht teuer sein, wenn man es von Anfang an in die Bauplanung mit einbezieht. Leider ist diese Einsicht bei einigen Architekten noch nicht angekommen, so dass ich oft hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten muss. Ich freue mich aber darüber, dass das Historische Rathaus heute weitgehend barrierefrei ist und dass wir an der Kaiserstraße und an der Mintarder Straße zwei weitgehend barrierefreie Sporthallen haben.
Wie ist es um die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr bestellt?
Da hat sich in den vergangenen beiden Jahren viel zum Besseren gewandelt, weil die Ruhrbahn ihre Fahrer und Fahrerinnen für den Umgang mit beeinträchtigten Menschen geschult hat. Und auch die von mir erwähnte Akustik-App erleichtert es blinden Menschen, in den richtigen Bus und die richtige Bahn einzusteigen und auch nach dem Aussteigen ihren Weg durch die Stadt zu finden.